Polizeirecht - Skript PDF

Title Polizeirecht - Skript
Course Besonderes Verwaltungsrecht Teil I
Institution Universität des Saarlandes
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Summary

Vorlesungsskript im Saarländischen Polizeirecht von Prof. Dr. Guckelberger ...


Description

Besonderes Verwaltungsrecht – Polizei- und Ordnungsrecht PW: pOlizist A. Einfhrung I. Der Gegenstand des Polizei- und Ordnungsrechts - Umfasst denjenigen Teil des Öffentlichen Rechts, der sich mit der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung befasst  Allgemeines Polizeirecht SPolG  Sonderpolizeirecht z.B. gefahrenabwehrende Normen des LBO II. Historische Entwicklung -

Polizei“: ursprünglich aus dem griech. politeia, d. h. gesamte Staatsverwaltung 15.–17. Jahrhundert: „gute Polizey“ = Gute Ordnung des Gemeinwesens; Ausnahme: Polizeibegriff Militär und Auswärtiges - Absolutismus: Zeit des absoluten Fürstenstaats (Polizeistaat), Polizei obliegt die Wahrung und Förderung der allgemeinen Wohlfahrt (Herrscher nicht an Normen gebunden) - Liberalismus: wollten die Herrscher an das Recht zurückbinden - § 10 II 17 PreußALR (1794): „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen, ist das Amt der Polizei.“ (nicht begrenzend gewirkt nach Meinung der Herrscher, diese weiter „legitimiert“ - Kreuzberg-Urteil des PreußOVG v. 14.6.1882 = Beschränkung der Polizei auf die Gefahrenabwehr (enger Polizeibegriff) - Art. 9 Nr. 2 WRV (1919) verleiht dem Reich die Gesetzgebungskompetenz über Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die aber kaum genutzt wird. Landesrechtliche Polizeigesetze, z. B. Preuß. Polizeiverwaltungsgesetz von 1931 mit Generalklausel in § 14 PVG zur Gefahrenabwehr - Nationalsozialismus: öffentliche Ordnung in bestimmte politische Richtung ausgelegt, Missbrauch für politische Zwecke - nach dem 2. Weltkrieg: o Polizeirecht ist Ländersache o Teilweise „Entpolizeilichung“, d.h. Trennung der allgemeinen Sicherheitsbehörden von der „blauen“ Polizei o  jeweils eigenes Gesetz für „Polizei am Schreibtisch“ und „blaue Polizei“ o Nicht im Saarland (Einfluss Frankreichs) § 1 SPolG für beide Polizeibehörden gilt dasselbe Gesetz 1. Der Begriff der Polizei a) Trennsystem (Bayern, NRW) - Ordnungsbehörden (Melde, Passamt)  Innendienst: Gefahrenbekämpfung durch fixierte Verfügungen - Polizeibehörden (Uniformierte Polizei)  Außendienst, Schnelligkeit, Mündlichkeit b) Einheitssystem (Saarland) - Polizei = Polizeiverwaltungsbehörde und Polizeivollzugsdienst - Nur ein Gesetz - Prüfen auf welche Behörde sich die jeweilige Norm bezieht 1

2. Aktuelle Entwicklungen

Lnderung SPolG vom 12.11.2014: Durch das am 19.12.2014 in Kraft getretene saarländische Gesetz zur Lnderung des Polizeirechts vom 12.11.2014 (SaarABl. I S. 1465 ff.) wurden die Regelungen zur Informationserhebung (§§ 25 ff. SPolG) novelliert. Insbesondere wurde der Begriff der „Informationen“ durch den der „Daten“ und „Informationsverarbeitung“ durch „Verarbeitung personenbezogener Daten“ ersetzt. Die Observation wird nun in § 28 II Nr. 1 SPolG legaldefiniert. Die Erhebung von Telekommunikationsdaten wird künftig in § 28c SPolG, der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung in § 28d SPolG und die Informationsübermittlung in §§ 34 f. SPolG geregelt. Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen für die Fesselung von Personen in § 55 SPolG genauer gefasst. Die Befugnis für die automatische Kennzeichenerfassung, § 27 III SPolG, wurde wieder aufgehoben. Schließlich wurde das Vorgehen gegen prostitutionsaffine Milieus erleichtert. Hierzu ausführlich Guckelberger/Kollmann, LKRZ 2015, 267 ff. und 315 ff. Lnderung SPolG vom 18.5.2016: Durch das am 1.7.2016 in Kraft getretene saarländische Gesetz zur Lnderung des Polizeirechts vom 18.5.2016 (SaarABl. I S. 440) wurde eine Ermächtigungsgrundlage (§ 27 Abs. 3 SPolG) zum Einsatz von Video- und Tontechnik, insbesondere sog. Bodycams, zum Schutz von Polizeibeamten geschaffen und zur Unterstützung der Vollzugspolizei ein Polizeiordnungsdienst (POD) eingeführt. Bildquelle: lto.de Lnderung SPolG vom 15.3.2017: Durch das am 5.5.2017 in Kraft getretene saarländische Gesetz zur Lnderung des Polizeirechts vom 15.3.2017 (SaarABl. I S. 486) wurde die Frist für eine längerfristige Observation von drei auf sechs Monate verlängert.

III. Polizeibegriffe - Institutionell: entscheidend ist, dass die handelnde Behörde der Organisation der Polizei zuzuordnen ist § 1 I SPolG: Polizei = Polizeiverwaltungsbehörde und Vollzugspolizei -

Formell: alle Tätigkeiten, die von der Polizei im institutionellen Sinn wahrgenommen werden; o Hiervon alle Maßnahmen o § 85 I SPolG: Gefahrenabwehr, Verkehrsüberwachung, Erforschung von Straftaten und OWis

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Materiell: immer, wenn eine Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnimmt. Zuordnung erfolgt über den Inhalt und Zweck der Tätigkeit o Polizeiliche Maßnahme können Anordnungen mit Regelungswirkung (VA § 35 S. 1 VwVfG), Realakte oder andere Handlungen sein (PolizeiVA häufig als Verfügungen bezeichnet)

OVG d. Saarl., Urt. v. 26.11.2013 – 3 A 106/12 –, Rn. 155, juris: Unter polizeilicher Maßnahme im materiellen Sinne ist demnach jede hoheitliche Tätigkeit zu verstehen, welche die Abwehr von Gefahren zum Gegenstand hat. Maßgebend ist allein die Funktion der ausgeübten Verwaltungstätigkeit als Gefahrenabwehrtätigkeit. Dagegen spielt die Frage, wer die Aufgabe organisatorisch erfüllt, keine Rolle. Unter Polizeitätigkeit im formellen Sinne ist demgegenüber jede Maßnahme zu verstehen, die von einer Stelle der öffentlichen Verwaltung getroffen wird, die vom Landesgesetzgeber förmlich dem Organisationsbereich der Polizei zugewiesen wurde. Nach der Rechtsprechung des OLG Saarbrücken stellt § 68 SPolG allein auf den formellen Polizeibegriff ab.

IV. Gefahrenabwehrrecht und Grundgesetz - Gefahrenabwehr gehört zu den Kernaufgaben des Staates - Nach der Grundsatzregelung des Art. 74 I GG fällt das Polizeirecht in die Gesetzgebungskompetenz Länder o Polizeihoheit der Länder 2

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Art. 73, 74 GG räumen dem Bund nur partielle, für bestimmte dem Polizeibegriff unterfallende Gebiete die Gesetzgebungsbefugnis ein

a) ausschließliche Gesetzgebungskompetenz - Für auswärtige Angelegenheiten Art. 73 I Nr. 1 GG die auf die Auslandsaufklärung und Information der Bundesregierung gerichtete Tätigkeit des BND regeln o Zoll- und Grenzschutz (früher Bundesgrenzschutz = heute Bundespolizei BPolG) Art. 73 I Nr. 5 GG o Waffen- und Sprengstoffrecht Art. 73 I Nr. 12 GG o Luftverkehr Art. 73 I Nr. 6 GG o Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt Art. 73 I Nr. 9a GG  Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA  Einräumen entsprechender Befugnisse  Umstritten wann Eingreifen  Lit: bei konkreter Gefahr  Rspr: Gefahr muss nicht konkret sein, der Sinn und Zweck des BKAG ist es, dass die Bundespolizei Maßnahmen zur Vorsorge treffen darf BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – Rn. 88 juris: Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG. Die angegriffenen neuen Befugnisse des Bundeskriminalamts beziehen sich ausschließlich auf die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 4a Abs. 1 BKAG und sind hierdurch begrenzt. [...] Dass dabei auch die Straftatenverhütung erfasst wird, ist durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nicht ausgeschlossen. Grenzen einer Vorverlagerung von Maßnahmen in das Vorfeld konkreter Gefahren ergeben sich aus rechtsstaatlichen, insbesondere grundrechtlichen Anforderungen, nicht aber aus dem Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG. Der Begriff der Gefahrenabwehr schließt kompetenzrechtlich die Straftatenverhütung ein. Unbedenklich ist auch, dass die angegriffenen Vorschriften Handlungsbefugnisse begründen, die sich teilweise mit denen der Landespolizeibehörden überschneiden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat dies bewusst in Kauf genommen.

 Art. 73 I Nr. 10 GG - Die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder BVerfG NJW 2013, 1499 ff.: Soweit das Antiterrordateigesetz den Austausch von Informationen zwischen dem BKA, den LKAs, dem Bundesverfassungsschutz, dem Landesverfassungsschutzbehörden sowie weiteren Polizeivollzugsbehörden regelt, kann sich der Bund auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 10a–c GG stützen. Zusammenarbeit ist eine auf Dauer angelegte Kooperation, die die laufende gegenseitige Unterrichtung und Auskunftserteilung, die wechselseitige Beratung sowie gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistung in den Grenzen der je eigenen Befugnisse umfasst. Die Kompetenz zur Zusammenarbeit beschränkt sich nicht auf die Strafverfolgung. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG soll die Möglichkeit schaffen, föderale Zuständigkeitsgrenzen bei der Erfüllung repressiver und präventiver Aufgaben zu lockern. Der Begriff „Kriminalpolizei“ schließt nicht aus, dass der Bund eine Zusammenarbeit auch zur Verhinderung von Straftaten regeln kann, sondern dient lediglich der Beschränkung auf Regelungen, die sich auf bedeutsame Straftaten von einigem Gewicht beziehen.

Conclusio: Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG erlaubt auch fachübergreifende Regelungen zur Zusammenarbeit von Polizei- mit Verfassungsschutzbehörden. S. funktionales Verständnis der Norm = Effektivierung der Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden über föderale Grenzen hinweg, sondern auch Materialien. 3

Einbeziehung BND folgt aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG: Fall mit Auslandsbezug reicht nicht. Vielmehr gilt die Gesetzgebungskompetenz nur für Normen, die in einen Regelungs- und Verwendungszusammenhang eingebettet sind, der auf die Auslandsaufklärung bezogen ist und der politischen Information der Bundesregierung dient. Dies hielt das BVerfG für unproblematisch, da der BND nur im Rahmen seiner Befugnisse auf die Daten zugreifen kann. Conclusio: Einbeziehung militärischer Abschirmdienst gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG (Verteidigung) und der Bundespolizei über Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG (Zoll- und Grenzschutz). Die Aufgliederung der Sicherheitsbehörden nach fachlichen und föderalen Gesichtspunkten entfaltet für den Datenschutz auch eine besondere grundrechtliche Dimension. Eine Zweckänderung der zu einem bestimmten Zweck erhobenen Daten muss durch überwiegende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sein. Danach hat die Zusammenführung von Daten der Nachrichtendienste und der Polizeibehörden erhöhtes Gewicht und unterliegt grundsätzlich verfassungsrechtlich engen Grenzen. Denn Polizeibehörden und Nachrichtendienste haben deutlich voneinander verschiedene Aufgaben. Den Nachrichtendiensten kommt die Aufgabe zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen zu betreiben. Den Polizei- und Sicherheitsbehörden obliegt die Verhütung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten sowie die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ihre Aufgaben sind geprägt von einer operativen Verantwortung und insbesondere der Befugnis, gegenüber Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls mit Zwang durchzusetzen. Dabei sind ihre Aufgaben gesetzlich differenziert umgrenzt und durch ein materiell wie verfahrensrechtlich vielfältig abgestuftes Arsenal von Handlungsbefugnissen unterlegt. Unbeschadet gewisser Aufgaben auch dieser Behörden schon im Vorfeld von Gefahren sind ihnen Befugnisse gegenüber Einzelnen grundsätzlich nur aus konkretem Anlass verliehen. Voraussetzung ist i.d.R., dass Anhaltspunkte für einen Tatverdacht oder eine konkrete Gefahr vorliegen. Conclusio: Die Rechtsordnung unterscheidet damit zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die auf eine operative Aufgabenwahrnehmung hin ausgerichtet und durch detaillierte Rechtsgrundlagen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt sind und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen stützen können. Regelungen, die den Austausch von Daten der Polizeibehörden und Nachrichtendienste ermöglichen, unterliegen angesichts dieser Unterschiede gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgt insoweit ein informationelles Trennprinzip. Ein Datenaustausch ist nur aus Gründen eines herausragenden öffentliches Interesses zulässig, das den Zugriff auf Informationen unter den erleichterten Bedingungen, wie sie den Nachrichtendiensten zu Gebote stehen, rechtfertigt. b) konkurrierende Gesetzgebung Art. 74 I Nr. 1 GG: - Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren - Wird die Polizei repressiv zur Aufklärung einer begangenen Straftat tätig, ist die StPO und nicht und nicht das SPolG maßgeblich! 4

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Die Verhütung einer Straftat liegt in der Gesetzgebungskompetenz der Länder und zwar auch, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird o Landesgesetzgeber möchte dementsprechend Schadenseintritt verhindern o Umstritten ist jedoch die Zuordnung von entsprechenden Vorsorgemaßnahmen (siehe folgende Fragen)

Frage: Was ist, wenn die Polizei zur Verhinderung eines Anschlags tätig wird? Art. 74 I Nr. 1 GG (Bundesrecht StPO) oder Landesrecht (SPolG) - Wenn der Anschlag noch nicht so fortgeschritten ist, dass Versuchsstadium erreicht wurde, dann ist die Verhinderung als Präventive Maßnahme anzusehen (Landesrecht) Frage: Maßnahmen der Polizei um später bestimmte Personen leichter überführen zu können? (genetischer Fingerabdruck abspeichern) - Art. 74 I Nr. 1 GG Strafrecht + gerichtliches Verfahren - Art. 70 I GG Länder für Gefahrenabwehr - Lit.: Gesetzgebungskompetenz des Bundes, tritt erst bei Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachtes ein; Art. 74 I Nr. 1 GG bezieht sich auf die Strafverfolgungsvorsorge o Keine Einschränkung aus dem Wortlaut bezüglich Maßnahmen zur Sicherung von Beweismitteln für künftiges Strafverfahren o Regelung des § 28 I 1 Nr. 1 SPolG wäre verfassungswidrig, wenn Norm zur „zur Vorsorge für die Verfolgung einer Straftat erheblichen Bedeutung“ ermächtigen würde, da Bund abschließend Gebrauch davon gemacht hat o Da bislang noch keine abschließende Regelung bezüglich der Videoüberwachung in der StPO getroffen hat, sind die Länder insoweit nicht daran gehindert - BVerfG: Art. 74 Nr. 1 GG, Strafrecht und gerichtliches Verfahren alle Maßnahmen, die Bezug zu Straftaten haben unter Kompetenz fallen Frage: Darf der Landesgesetzgeber die Polizei dazu ermächtigen, zur späteren Erleichterung der Strafverfolgung die Telekommunikation bestimmter Personen zu überwachen und aufzuzeichnen? Lit: Bund nur zuständig bei konkreten Anfangsverdacht, ohne solchen sind immer die Länder nach Art. 70 I GG zuständig BVerfG: Art. 74 I Nr. 1 GG sieht keine enge Auslegung vor, der Bund hat die Zuständigkeit für das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren  Bund darf Gesetze erlassen, die künftige Straftaten verhindern können  Länder danach nur befugt, wenn Bund nicht abschließend Gebrauch davon gemacht hat (Art. 72 I GG) Frage: Wie steht es mit dem Einsatz der Streitkräfte im Inland? P: Luftsicherheitsgesetz (Abschuss von Terrorflugzeugen) 1. Senat: Ausgehend von Art. 87a II GG (nur bei Regelung im GG)  Art. 35 II, III GG Naturkatastrophe oder Unglücksfall II: kann Land Hilfe anfordern; III: Unterstützung anfordern  Streitkräfte dürfen und können nur „Waffen“ der Polizei verwenden Polizei als maßgebliches Organ  Unterstützung auch nur mit deren Mitteln 5

2. Senat: teilte Ansicht des 1. Senats nicht  Einberufung des Plenums (sehr selten) Plenum: Wortlaut nicht eindeutig; - historisch Art. 35 II, III GG erst nachträglich eingefügt, v.a. für Naturkatastrophen, damals keine anderen Möglichkeiten bedacht - Sinn und Zweck: Möglichkeit effektive Lösungen zu ermöglichen (effektive Gefahrenabwehr)  Streitkräfte dürfen ihre Waffen einsetzen (II, III GG) - Anwendung nur bei Naturkatastrophe oder besonders schweren Unglücksfall (mit katastrophalen Ausmaß) Bundesregierung muss Maßnahme anordnen  beschränkte Möglichkeit des Einsatzes Anwendungsbereich des Art. 35 II, III GG sehr eng gezogen  bedürfte Verfassungsänderung Art. 79 GG Tendenz: Bund weitet seine Befugnisse aus BPolG, BKAG  zunehmend Musterentwürfe verwendet BVerfG NJW 2006, 751 ff.: Da Streitkräfte nach Art. 35 II, III GG nur „zur Unterstützung“ der Polizeikräfte eingesetzt werden dürfen, beschränken sich ihre Befugnisse auf die polizeilichen Möglichkeiten, d. h. kein Einsatz von Kampfmitteln. BVerfG Plenum, Beschl. v. 3.7.2012 – 2 PBvU 1/11: Art. 35 II 2, III GG schließen eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei Einsatz der Streitkräfte nach diesen Bestimmungen nicht grundsätzlich aus, lassen Einsätze aber nur unter engen Voraussetzungen zu. Eine Beschränkung des Streitkräfteeinsatzes auf diejenigen Mittel, die nach dem landesrechtlichen Gefahrenabwehrrecht der Polizei zur Verfügung stehen, wird durch den Wortlaut und die Systematik des GG nicht zwingend vorgegeben. Die intendierte wirksame Gefahrenabwehr spricht eher gegen eine solche Beschränkung. Auch eine Gesamtbetrachtung der Gesetzesmaterialien zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Bei der Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen für einen Einsatz der Streitkräfte sind der Zweck des Art. 87a II GG und das Verhältnis der den Katastrophennotstand betreffenden Bestimmungen zu berücksichtigen. BVerfG Plenum, Beschl. v. 3.7.2012 – 2 PBvU 1/11: Aus der normativen Parallelisierung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen wird deutlich, dass der zuletzt genannte Begriff nur „Ereignisse von katastrophischen Dimensionen“ erfasst. = nur als ultima ratio Auch in den Eilfällen des Art. 35 III 1 GG ist der Einsatz der Streitkräfte allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässig. S. auch das Sondervotum. Bestätigend zum Luftsicherheitsgesetz: BVerfG NVwZ 2013, 713 (715): Diese Regelungen sind unvereinbar mit Artikel 35 III S.1 GG, der, wie das Plenum des BVerfG entschieden hat, einen Einsatz der Streitkräfte auch in Eilfällen allein auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässt. Zur Reichweite des Parlamentsvorbehalts für Einsätze bei Gefahr im Verzug: BVerfG, Urt. v. 23.9.2015 – 2 BvE 6/11: Bei Gefahr im Verzug ist die Bundesregierung ausnahmsweise berechtigt, den Einsatz bewaffneter Streitkräfte vorläufig allein zu beschließen. In diesem Fall muss sie das Parlament umgehend mit dem fortdauernden Einsatz befassen und die Streitkräfte auf Verlangen des Bundestages zurückrufen. Die Voraussetzungen dieser Eilentscheidungsbefugnis der Bundesregierung sind verfassungsgerichtlich voll überprüfbar. Ist ein von der Bundesregierung bei Gefahr im Verzug beschlossener Einsatz zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer nachträglichen Parlamentsbefassung bereits beendet und eine rechtserhebliche parlamentarische Einflussnahme auf die konkrete Verwendung der Streitkräfte deshalb nicht mehr möglich, verpflichtet der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt die Bundesregierung nicht, eine Entscheidung des Deutschen Bundestages über den Einsatz herbeizuführen. Die Bundesregierung muss den Bundestag jedoch unverzüglich und qualifiziert über den Einsatz unterrichten. Im März 2017 wurde im Saarland (auch in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) ein gemeinsamer Anti- Terror-Einsatz von Bundeswehr und Polizei geübt. Das Ubungsszenario, das die Länder derzeit entwickeln, geht von zeitgleichen Anschlägen in mehreren

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Bundesländern aus. Ersten Uberlegungen zufolge könnten Attentate auf einen Flughafen, einen großen Bahnhof sowie auf Zivilgebäude simuliert werden, auch eine Geiselnahme soll es geben.

V. Polizeibehörden (entscheidend bei formeller Rechtmäßigkeit) I. Polizeiverwaltungsbehörde 1. Polizeiverwaltungsbehörden §§ 75 ff. SPolG - Allgemeine Polizeiverwaltungsbehörden o Landespolizeibehörden (§ 76 I SPolG, Ministerien) o Kreispolizeibehörden (§ 76 II SPolG) o Ortspolizeibehörden = gem. § 76 III SPolG der Bürgermeister - Sonderpolizeibehörden § 75 III SPolG o Nehmen bestimmte ihnen zugewiesene Entscheidungen wahr o Keine Identität mit den allgemeinen Polizeibehörden möglich o Bsp: Oberbergamt (§ 6 II, § 8 II LOG) im Bergbau §§ 69 ff BbergG o Wenden Sondergesetze an, nur wenn keine entsprechende Regelung wenden sie das allg...


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