Sa RKÜ - Lösung Einheit 6 [WS 2014-15] PDF

Title Sa RKÜ - Lösung Einheit 6 [WS 2014-15]
Course Konversationsübung Sachenrecht
Institution Universität Regensburg
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Summary

Wintersemester, Lösung zum 6. Fall...


Description

KÜ Sachenrecht Franziska Osterholzer

Wintersemester 2014/15 Lösung Einheit 6

Fall 12

Anspruch der E gegen S auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 E könnte gegen S einen Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 haben (sog. Grundbuchberichtigungsanspruch). Dies setzt voraus, dass „der Inhalt des Grundbuchs ... mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang“ steht. Das Grundbuch müsste also unrichtig sein. Dies ist der Fall, wenn die materielle Rechtslage von der formellen Rechtslage, die das Grundbuch wiedergibt, abweicht. E müsste materiell-rechtlich Eigentümerin des Ingolstädter Grundstücks sein. S müsste formell im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sein. A. Formelle Rechtslage Im Grundbuch wurde S als Eigentümer des Ingolstädter Grundstücks am 11. Dezember (in Abteilung I des Grundbuchs) eingetragen. B. Materielle Rechtslage Fraglich ist, ob E materiell rechtlich Eigentümerin des Grundstücks ist. Die Prüfung erfolgt historisch/chronologisch (wie bei § 985)! I. Ursprüngliche Eigentümerin des Grundstücks war E. E könnte jedoch das Eigentum an S verloren haben. II. Eigentumserwerb des S nach §§ 873, 925 S könnte von A das Eigentum am Grundstück nach §§ 873, 925 erworben haben. -

Das Prüfschema zu § 873 lautet: -

Einigung,

-

Eintragung in das Grundbuch,

-

Einigsein zum Zeitpunkt der Eintragung,

-

Berechtigung des Verfügenden.

KÜ Sachenrecht Franziska Osterholzer

Wintersemester 2014/15 Lösung Einheit 6

Im Mobiliarsachenrecht prüfen Sie bei § 929 S. 1: Einigung, Übergabe, Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe, Berechtigung des Verfügenden. Beachten Sie die Strukturgleichheit (rechtsgeschäftliches, tatsächliches, normatives Element). -

§ 925 ergänzt § 873 für den Fall der Eigentumsübertragung eines Grundstücks. § 925 enthält eine Formvorschrift sowie eine Legaldefinition für den Begriff der Auflassung. 1. Wirksame Einigung nach § 873 I Alt. 1 in der Form des § 925 A müsste sich mit S über den Eigentumsübergang geeinigt haben. Diese Einigung (sog. Auflassung) müsste nach § 925 unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle (Notar) erklärt worden sein. Am 2. November erfolgte diese Einigung zwischen A und S, die beide anwesend waren, sogar in der Form einer notariellen Beurkundung (§ 128). Eine wirksame Auflassung ist also gegeben. 2. Eintragung im Grundbuch Am 11. Dezember wurde S als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. 3. Fortbestehen der Einigung im Zeitpunkt der Eintragung Nach § 873 II ist die Einigung bis zur Eintragung grundsätzlich frei widerruflich. Ein solcher Widerruf erfolgte durch die Parteien allerdings nicht. Im Übrigen trat für die Parteien durch die notarielle Beurkundung der Auflassung (§ 128) eine Bindungswirkung ein (§ 873 II Alt. 1), so dass selbst ein Widerruf unschädlich gewesen wäre. 4. Berechtigung des Verfügenden A müsste zur Grundstücksveräußerung berechtigt gewesen sein. Berechtigter i.S. des § 873 ist der verfügungsberechtigte Eigentümer sowie derjenige, der mit Einwilligung (§ 185 I) eines solchen Eigentümers handelt bzw. kraft Gesetzes verfügungsbefugt ist. Diese Verfügungsberechtigung müsste grundsätzlich bei Vollendung des Rechtserwerbs (also regelmäßig bei Eintragung des Erwerbs in das Grundbuch) vorliegen. Eigentümerin des Grundstücks war am 11. Dezember nicht der A, sondern die E. A handelte auch nicht mit Einwilligung der E. Eine Verfügungsberechtigung qua Gesetz bestand für A nicht. A war also zum Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs Nichtberechtigter. Auch zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung der Auflassung am 2. November, die eine Bindungswirkung nach § 873 II Alt. 1 hervorrief, war A Nichtberechtigter.

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Eine Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Verfügungsberechtigung nach § 878 hilft daher nicht weiter.

5. Erwerb vom Nichtberechtigten, § 892 S könnte das Eigentum am Grundstück aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs nach § 892 erlangt haben. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Voraussetzungen des § 892 I ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs. Auch das Prüfschema zu § 892 ist anhand des Gesetzes zu entwickeln. Die Parallelität zu §§ 932, 935 im Mobiliarsachenrecht1 ist für das übergreifende Verständnis förderlich. Das gemeinsame Prüfschema lautet: -

Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts

-

Wie wird die fehlende Berechtigung überwunden: Legitimation durch Besitz nach § 1006 bei § 932; Legitimation durch das Grundbuch nach § 891 bei § 892

-

Subjektiver Ausschluss: positive Kenntnis oder Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit bei Mobilien nach § 932 II; (nur) positive Kenntnis bei § 892

-

Objektiver Ausschluss: Abhandenkommen bei Mobilien nach § 935; Widerspruch bei § 892 a) Ein Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts ist gegeben. b) A müsste als Verfügender durch das Grundbuch legitimiert, d.h. als Berechtigter vom Grundbuch ausgewiesen sein. A ist im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Damit spricht der Rechtsschein des Grundbuchs (§ 891 I) zugunsten des S. c) S müsste als Erwerber zum Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs gutgläubig sein. Nach § 892 I schadet dem Erwerber – im Unterschied zu § 932 – nur die positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs. S hat am 24. November noch vor Vollendung des Rechtserwerbs von der mangelnden Berechtigung des A Kenntnis erlangt. Eine Einsichtnahme in das

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Für Fortgeschrittene: Strukturähnlich ist auch § 2366!

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Grundbuch ist nach h.M. nicht erforderlich. Das Grundbuch ist ein mit öffentlichen Glauben ausgestattetes Register, das kraft seiner Existenz wirkt. Demnach würde ein gutgläubiger Erwerb nach § 892 ausscheiden, es sei denn der maßgebliche

Zeitpunkt

für

die

Kenntnis

wäre

auf

einen

Zeitpunkt

vorzuverlagern, an dem S noch in gutem Glauben war. aa) Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Kenntnis des S nach § 892 II Nach § 892 II wird der Zeitpunkt für die Kenntnis auf die Stellung des Antrags auf Eintragung (§ 13 GBO) vorverlagert, sofern die Einigung davor erfolgte. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war S jedoch bereits bösgläubig, so dass die Anwendung des § 892 II am bisherigen Ergebnis nichts ändert. bb) Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Kenntnis des S auf den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung Am 9. November wurde die Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des S gegen A auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks nach § 433 I 1 (sog. Auflassungsvormerkung2) ins Grundbuch eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt hatte S noch keine Kenntnis davon, dass A nicht Eigentümer des Grundstücks ist. Fraglich ist, ob der Vormerkung eine Vorwirkung zukommt, d.h. ob der Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb vorliegen müssen, auf den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung vorzuverlegen ist. Das Problem der Vorwirkung der Vormerkung als ungeschriebene Wirkung der Vormerkung ist ein Klausurklassiker. Prägen Sie sich als Merkhilfe das zweimalige „Vor“ ein: Vorwirkung der Vormerkung! 

Nach einer Mindermeinung ist eine Vorwirkung der Vormerkung abzulehnen. Sie ist im Gesetz nicht geregelt. Die Vormerkung soll nur bestehende Ansprüche vor künftigen Verfügungen schützen und nicht den Rechtserwerb vom Nichtberechtigten erleichtern.

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Präziser ist der Terminus der „Eigentumsvormerkung“, denn es wird nicht die Auflassung, sondern das Eigentum vorgemerkt.

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Dem tritt die ganz h.M. entgegen. Die Vormerkung ist als „starkes“ Sicherungsmittel ausgestaltet, auf das sich die Praxis verlassen kann. Dies ergibt sich aus der Sicherungswirkung (§§ 883 II, 888), der Rangwirkung (§ 883 III) und der Vollwirkung in der Insolvenz (§ 106 InsO) bzw. in der Zwangsversteigerung (§ 48 ZVG). Dieser vom Gesetzgeber erstrebte Schutz würde teilweise unterlaufen, wenn dem Erwerber Bösgläubigkeit nach Eintragung der Vormerkung schaden würde.



Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. Die Wirkung der Vormerkung besteht darin, dass zugunsten des Vormerkungsberechtigten die dingliche Rechtslage so behandelt wird, wie sie im Augenblick der Eintragung der Vormerkung war. Die Vormerkung soll also die künftige Rechtslage gleichsam prophezeien.

 Merken Sie sich den Satz: „Die Vormerkung prophezeit!“  Nach § 892 II BGB analog tritt eine weitere Vorverlagerung auf den Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Vormerkung ein (str.).  Machen Sie sich bei der Bösgläubigkeit im Rahmen des § 892 – wie bereits im Mobiliarsachenrecht eingeübt – immer drei Punkte klar: 1.

Was ist der Maßstab? → § 892: Kenntnis (nicht auch grob fahrlässige Unkenntnis wie bei § 932 II)

2.

Was ist der Bezugspunkt? → Unrichtigkeit des Grundbuchs

3.

Was ist der Zeitpunkt? → Grundsätzlich Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs Ausnahmen: 

Vorverlagerung nach § 892 II



Vorverlagerung

bei

wirksamer

Vormerkung

(Vorwirkung

der

Vormerkung), wegen § 892 II analog sogar Vorverlagerung auf den Zeitpunkt der Antragstellung (str.)3 Ein gutgläubiger Erwerb des Grundstücks durch S nach § 892 ist also gegeben, wenn zugunsten des S eine wirksame Vormerkung am 9. November

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Für Fortgeschrittene: Im Mobiliarsachenrecht kommt eine Vorverlagerung bei einem wirksam begründeten Anwartschaftsrecht in Betracht.

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eingetragen wurde. Die Vormerkung stellt keine Beziehung zwischen dem Vormerkungsberechtigten und dem Grundstück her. Sie sichert nach § 883 I einen schuldrechtlichen Anspruch (bei der Auflassungsvormerkung: § 433 I 1). Es handelt sich also um kein dingliches Recht, sondern um ein Sicherungsmittel sui generis. Der Ersterwerb der Vormerkung richtet sich daher nicht nach § 873. Vielmehr sind die §§ 883, 885 zu prüfen.4 (1) Bestehen eines sicherungsfähigen Anspruchs, § 883 I: schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung Die Vormerkung ist akzessorisch, d.h. abhängig von dem zu sichernden schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung (vgl. § 883 I). A hat gegen S aus dem notariell beurkundeten (§ 311b I 1) Kaufvertrag einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks nach § 433 I 1. (2) (einseitige) Bewilligung des Verpflichteten oder eine einstweilige Verfügung A hat dem S die Eintragung der Vormerkung auch bewilligt. Eine Einigung wie bei § 873 ist nicht erforderlich. (3) Eintragung der Vormerkung im Grundbuch Die Vormerkung wurde zugunsten des S am 9. November in das Grundbuch eingetragen. (4) Die Bewilligung des A bestand im Zeitpunkt der Eintragung fort. (5) Berechtigung des Bestellers A war jedoch zur Bestellung der Vormerkung nicht berechtigt. (6) Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 893, 892 (a) § 892 Die Vormerkung sichert einen schuldrechtlichen Anspruch ab und stellt keine unmittelbare Beziehung zwischen einer Person und einer Sache her. Die Vormerkung ist daher kein Recht an einem Grundstück,

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Grundfälle zur Vormerkung: Löhnig/Gietl, JuS 2008, 102.

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sondern ein Sicherungsmittel sui generis. § 892 scheidet somit in einer unmittelbaren Anwendung aus. (b) §§ 893, 892 Die Vormerkung kündigt jedoch den künftigen Erwerb an (Die Vormerkung prophezeit!) und wird daher als Verfügung i.S. des § 893 angesehen. Nach anderer Meinung ist § 893 analog anzuwenden. Jedenfalls ist über § 893 (direkt oder analog) auf § 892 abzustellen. (aa) Es geht um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb der Vormerkung durch S i.S. eines Verkehrsgeschäfts. (bb) A ist aufgrund des Grundbuchs zu einer Bewilligung legitimiert (§ 891 I). (cc) S hatte zum Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs (hier: Eintragung der Vormerkung am 9. November) keine Kenntnis von der mangelnden Berechtigung des A. (dd) Ein Widerspruch (§ 899) ist im Grundbuch nicht eingetragen. S hat also die Auflassungsvormerkung gutgläubig nach §§ 893, 892 erworben.

Zu

diesem

Zeitpunkt

war

er

hinsichtlich

der

Eigentümerstellung des A gutgläubig. d) Im Grundbuch ist kein Widerspruch (§ 899) eingetragen. S hat daher gutgläubig nach § 892 das Eigentum am Grundstück erworben. E ist nicht mehr Eigentümerin. Das Grundbuch ist daher nicht unrichtig. E hat gegen S keinen Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894.

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