Vorlesung 2000 Jahre Christentumsgeschichte PDF

Title Vorlesung 2000 Jahre Christentumsgeschichte
Course Christentumsgeschichte
Institution Universität Duisburg-Essen
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Zusammenfassung der gesamten Vorlesung bzw. Zusammenfassung aller Mitschriften - 2. Semester Katholische Theologie - Lehramt - Bachelor Modul...


Description

1 2000 Jahre Christentumsgeschichte – Zusammenfassung der Vorlesungen 1 Vorlesung vom 18.04.2018: Die Achsenzeit – Wandlung des Opfers (Achsenzeit) Achsenzeit – Karl Jaspers  Universalgeschichtliche These einer Achsenzeit (800-200 v. Chr.), in der voneinander unabh ngig in China, Indien und dem Abendland strukturell hnliche kulturelle Revolutionen und Aufbr'che erfolgt sind: o „Diese Achse der Weltgeschichte scheint nun rund um 500 vor Christus zu liegen, in dem zwischen 800 und 200 stattfindenden geistigen Prozeß. Dort liegt der tiefste Einschnitt der Geschichte. Es entstand der Mensch, mit dem wir bis heute leben. Diese Zeit sei in K+rze die ‚Achsenzeit‘ genannt.“ o „Es begann der Kampf gegen den Mythos vonseiten der Rationalit2t [...], - weiter der Kampf um die Transzendenz des Einen Gottes [...] Die Gottheit wurde gesteigert durch Ethisierung der Religion. [...] Diese gesamte Ver2nderung des Menschseins kann man Vergeistigung nennen.“  Zeitleiste der Achsenzeit:

Wandlungen des Opfers  Das Opfer ist ein Erstakt aller Religion: Menschen opfern Gott/G3ttern. o Seit jeher gilt: Was alles der Mensch von sich aus nicht vermag, aber doch als wesentlich f'r sein Leben ansieht, daf'r opfert er: Erntesegen, Gesundheit, Schutz vor Ungl'ck, Erhalt und Steigerung des Lebens, Ewiges Leben usw… o Als Opfer wird das Kostbarste dargebracht, auch Menschen. Dabei wird der Opferkult nicht nur im Wert des Geopferten, sondern auch im Ritus h3chstm3glich gesteigert. Insofern haben es Opfer immer mit Aufwand und Fertigkeit zu tun.  Zentrale Stelle allen Opferkults bildet Altar. o Was auf den Altar gelegt wird, ist der g3ttlichen Sph re 'berstellt. o Manche Opfergaben bleiben dem Menschen f'r immer entzogen, weswegen sie bei der Opferung unbrauchbar gemacht oder auch verbrannt werden. o Andere Opfergaben kehren verwandelt und mit g3ttlicher Kraft aufgeladen in den Lebenskreis der Menschen zur'ck (Opferfleisch f'r die Kultgemeinde oder auf den Altar gelegte Lebensmittel zur Best rkung der Lebenskr fte).  Religi3s Entwicklung anhand der Achsenzeit o Opferrituale hatten nicht in allen historischen Epochen die gleiche Bedeutung o Beispiel f'r Ver nderung = Opferkriterien der alttestamentarischen Propheten und der griechischen Philosophen  Christentum hat Opfer zur thysia logike spiritualisiert (geistiges Opfer!) o Diese Opferauffassung hatte vor allem eine israelitische Wurzel: H3ren des Gotteswortes und F'rsorge f'r Arme

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2 & 3 Vorlesung vom 25.04. & 02.05.2018: Von der Mittlerschaft Christi zu den Heiligen (Spätantike) Wiederholung: Achsenzeit  Grundannahme: Wechsel zwischen zwei alternierenden Religionsstufen: elaborierte Religionsstufe mit einer Hochtheologie und einer einfachen Religionsstufe  W hrend einfache Religionsstufen durch archaisch-kultische Strukturen (materielles Opfer) gepr gt sind, weisen Hochtheologien ethisch-reflektierte Strukturen aus (immaterielles, geistiges Opfer) auf  Ausgehend von einer eher einfachen Religionsstufe im mythologischen Zeitalter (vor 800 v. Chr.) kommt es in der sogenannten Achsenzeit zur Ausbildung einer elaborierten Reflexionstheologie  Der Gbergang der einfachen zur elaborierten Religionsstufe in der Achsenzeit wurzelt in einer Verst dterung bzw. Zentralisierung und einem Bildungszugewinn (z. B. durch Mobilit t, Warenverkehr) Wiederholung: Wandlungen des Opfers  Wechsel der Religionsstufen am Beispiel des Sühnewesen: o Vorachsenzeitliche S'hnewesen verfolgte einfache Theologie mit Äquivalenzdenken: Blutvergießen und Tod k3nnen nur durch das (reale) Vergießen des eigenen Bluts ges'hnt werden. o Mit Gbergang in achsenzeitliche Hochtheologie wird Opferkritik (z. B. durch die israelischen Propheten) laut —> S'hnewesen durchl uft Ethisierungsprozess: Bluts'hne wird zur S'hne durch das Selbstopfer im Gottesdienst. Dienst an Gott verwirklicht sich nun in einem geistigen Opfer: im Gebet, der Zuwendung zu gesellschaftliche Randst ndigen Wandlungen des Opfers (Spätantike)  Spätantike: Spuren einer einfachen Theologie treten wieder verstärkt auf o Ausgehend vom blutigen Selbstoper Jesu Christi am Kreuz als Vorbild entwickelt sich das christliche Martyrium o W hrend bei den vorhergegangenen S'hnemodellen in der Regel jeder Einzelne f'r sich selbst s'hnte, findet nun eine S'hne des Kollektivs durch einen Stellvertreter statt. So, wie Jesus mit dem vergießen seines Blutes f'r die S'nden der gesamten Menschheit s'hnte, vollzieht der M rtyrer und – nach dem Ende der Christenverfolgung – der(asketisch lebende) M3nch Buße f'r die S'nden seiner Mitmenschen  Diese Idee von Sühne manifestiert sich in der Spätantike in zwei Formen: o M rtyrertod (I): S'hne kann entweder unmittelbar durch die Bereitschaft zum Tod (M rtyrertod: Sterben f'r seine Gberzeugungen) oder durch o Askese (II): das Nachleben Christi Martyrium in der Askese als mittelbares Martyrium vollzogen werden. Diese Form bildet sich auf der Grundlage der aufkommenden Kritik am expansiven Staatschristentum (nach 381), von dem man sich als „Gberchrist“ von den „normalen“ Christen abzuheben versucht Elaborierte Religionsstufe im römischen Reich  Römische Kaiserzeit (1.-6. Jh. n. Chr.) verläuft im Kontext einer elaborierten Religionsstufe mit einem ausgeprägten Reflexionsniveau: o Junge Christentum tritt in vorkonstantinischer Zeit (ca. 1.-3. Jh. v. Chr.) grunds tzlich als verfolgte Parallelgesellschaft auf. Christentum bedeutet vor dem Hintergrund staatlicher Repressalien Entscheidungschristentum o Obgleich sich die Christen als isolierte Minderheit verstehen, die stets um Abwendung vom heidnischen Lebe bem'ht ist, partizipieren sie am antik-paganen Bildungswesen (v.a. Elementarbildung).  Voraussetzung f'r die Etablierung der christlichen Glaubensgemeinschaft und der Herausbildung einer christlichen Theologie. o Christliche Philosophie (institutionalisiert in der theologischen Hochschule in Alexandria) entsteht aus der Rezeption der Vorgehensweise, Techniken und Logik der klassischen Philosophie. Die Ausbildung einer christlichen Theologie geschieht also auf der Grundlage des paganen Bildungskanons.

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Konstantinische Wende  Das Christentum erf hrt im Kontext der sog. Konstantinischen Wende die Erhebung zur religio licita (erlaubte Religion). Die 313 n. Chr. beschlossene Vereinbarung zwischen Kaiser Konstantin I (Westreich) und seinem Mitkaiser Licinius (Ostreich), das so genannte Mail nder Toleranzedikt, sichert allen Religionen und damit auch dem Christentum Kultfreiheit.  Mit diesem Zugest ndnis gelingt dem Christentum eine massive Expansion. Durch den Sieg 'ber seinen Mitkaiser Licinus (324 n. Chr.) wird Kaiser Konstantin zum Alleinherrscher 'ber das Imperium Romanum.  Kaiser Konstantin: o F'r die Menschen der damaligen Zeit war der Kaiser der Mittler zu Gott. Diese Anschauung entsprach auch dem autokratischen Bewusstsein Konstantins, der es als seine Pflicht ansah, auch die Religion zu kontrollieren. o Mit der Anerkennung des schon weit verbreiteten und hierarchisch organisierten Christentums wollte er einen einheitlichen ideologischen Gberbau f'r den Staat schaffen. Aufbau einer Kirchlichen Organisation  Seit etwa 100 n. Chr. entwickelten sich die geistlichen Ämter Bischof (Episkopos = Aufseher), Priester (Presbyter = Älterer), und Diakon (Diakonos = Diener, Bote). Der Bischof war zun chst der Leiter der Gemeinde. Unterst'tzt wurde er von einem Gremium von Priestern und Diakonen.  Ab 200 kam es neben den weiterhin vorhandenen 3rtlichen Bisch3fen zunehmend zu Bisch3fen, die 'ber mehrere Gemeinden die Aufsicht f'hrten. In solchen F llen waren die Priester Vertreter des Bischofs in den lokalen Gemeinden. Der Bereich des neuen Bischof-Typs wurde Di3zese (= Verwaltungsbezirk) genannt. Sie umfasste meist eine Stadt und die umliegenden D3rfer.  In der Folge kam es zu Bisch3fen mit unterschiedlichen Verantwortungsbereichen. Manche Bisch3fe, gew3hnlich diejenigen der Hauptstadt einer Provinz, erhielten eine Aufsichtsfunktion 'ber die 'brigen Bisch3fe der Gegend. Am Anfang des 4. Jahrhunderts treten in Rom, Alexandria und Antiochia so genannte Patriarchen (Obermetropoliten) mit hoher Entscheidungskompetenz auf. Sp ter kamen die Patriarchate in Jerusalem (451) und Konstantinopel (381) hinzu. Einheit des Christentums?  Das Christentum war in Glaubensfragen heterogen. In der Zeit der Christenverfolgung durch den Staat waren die unterschiedlichen Ansichten noch verdeckt geblieben. Danach kamen die unterschiedlichen Glaubensauffassungen, die durch religi3se Herkunft, Kultur und Interessen bedingt waren, an die Oberfl che.  Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lehrmeinungen hatte noch im 2. Jh. dazu gef'hrt, „Autorit ten des Urchristentums“ heranzuziehen, mit deren Hilfe die „wahre christliche Lehre“ definiert werden konnte.  Mit den vermehrten Auseinandersetzungen nach dem Ende der Christenverfolgung bildete sich eine ausdifferenzierte Hierarchie zur Entscheidungsfindung heraus. Wichtigste Entscheidungsorgane waren Synoden (auf regionaler Ebene) und Konzile (auf Reichsebene). Bei allen Organen konnte der Kaiser die

4 oberste Entscheidungsgewalt aus'ben, um im R3mischen Reich f'r Einheitlichkeit und Ordnung sorgen.

Der arianische Streit  Glaubensinhalte werden mit den Mitteln des Verstandes untersucht. Auch die Glaubenden wollten wissen, was sie glauben. o Origenes (* um 185, † 254) lehrte eine „Dreiteilung“ Gottes (Gott Vater, Jesus Christus, Heiliger Geist). Alle drei Teile waren f'r ihn „von gleicher geistiger Substanz“. Entscheidend war vor allem, dass Jesus Christus „wesensgleich“ mit Gott Vater, dem Sch3pfer der Welt, war und nicht dessen Gesch3pf. o Der Presbyter Arius (um 260; † nach 327) behauptete, dass es keine zwei gleichberechtigte G3tter (g3ttliche Prinzipien) geben k3nne. Jesus Christus sei selbst kein Gott, sondern lediglich ein Werkzeug Gottes in dessen Beziehung zum Menschen. Arius wurde zum Namensgeber des Arianismus, einer Str3mung innerhalb der fr'hen Christenheit, die diese Auffassung vertrat.  Die Arianer begr'ndeten ihre Lehre damit, dass Jesus im Gegensatz zu Gott gezeugt worden war. Der Sohn Gottes k3nne deshalb nicht Gott in derselben Qualit t wie der Vater (‚wesensgleich’ mit dem Vater) sein.  Gegner des Arianismus war die christliche Schule von Alexandria. Sie vertrat die Auffassung der Wesenseinheit von Jesus Christus und Gott.  Der Streit um das Wesen (die Qualit t) von Jesus Christus erfasste nicht nur die Gelehrten, sondern auch die Bev3lkerung. Jesus Christus – als Sohn Gottes – war, da er als Mensch gelebt hatte, fassbarer als Gottvater. Von dem Gott ‚Jesus Christus’ hofften sie, erl3st zu werden. Durch die Beschr nkung auf die Funktion eines Werkzeuges Gottes (Arius!) f'rchteten sie, Jesus als Erl3ser zu verlieren. Die ökumenischen Konzilien  Nicaea (325) o Das erste 3kumenische Konzil der christlichen Kirche wurde von Konstantin einberufen und unter seinem Vorsitz abgehalten. Es sollte die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Arianismus beilegen. o Es kam zu einem Bekenntnis, dass der Sohn Gottes „gezeugt, doch nicht erschaffen“ worden sei und von „gleicher Substanz“ (griechisch: homoousios = wesensgleich) wie der Vater ist. Der Sohn ist als Person vom Vater unterschieden, aber in allem ihm gleich („eines Wesens mit dem Vater“). Nach diesem Bekenntnis ist damit der Sohn (Jesus Christus) ein Teil Gottes und nicht der Sch3pfung.  Konstantinopel (381) o Auf der Linie des in Nicaea (325) begonnenen Weges o Ausformulierung der Trinit tslehre  Folgen o Mit Kaiser Theodosius I. wird das Christentum schließlich als Folge eines Edikts (381 n. Chr.; Aufforderung zur Anerkennung der Trinit tslehre im gesamten r3mischen Reich) zur Staatsreligion (Imperium Romanum Christianum) erhoben. o Abweichende Ausrichtungen des Christentums und heidnische Religionen verlieren damit ihre juristische Daseinsberechtigung. Die Vielfältigkeit des Christentums wird zugunsten eines einheitlichen Konsens beschnitten. o Gesellschaftliche (staatliche) Integration bedeutet nun gleichsam Integration in die christliche Glaubensgemeinschaft. Verfall des Imperium Romanum  Der Einfall der Hunnen in das Gotische Reich (375 n. Chr.) l3st die zweite germanische Volkerwanderung aus, die insbesondere die Einwanderung der Westgoten 'ber die Donau in das Imperium Romanum zur Folge hat.  Kaiser Theodosius f'hrt 'ber Foederatenvertr ge ein Ende der K mpfe herbei: Rom 'berlasst den Goten Geld, Nahrungsmittel oder Land. Die autonomen Westgoten verpflichten sich hingegen zur Waffenhilfe f'r Rom und zur Grenzsicherung (S3ldner!).  Die Vergabe weiterer F3deratenvertrage und Errichtung neuer germanischer Partikularreiche auf r3mischem Boden (Vandalen in Nordafrika, Franken und Burgunder in Gallien und Langobarden in

5 Italien) tragen maßgeblich zur Zerr'ttung des R3mischen Reichs und Etablierung eines r3mischgermanischen Vielv3lkerreichs bei.

Die Konsequenzen: Entstädterung und Bildungsverarmung  Einzug und Ausbreitung der germanischen Stamme im Imperium Romanum wirken sich negativ auf die römische Infrastruktur und Bevölkerungsdichte aus. o Die Germanenst mme sind nicht in der Lage, dass hohe technische Geschick (Handwerk) der R3mer nachzuvollziehen. Das f'hrt zur Unf higkeit, das Straßenwesen sachgerecht in Stand zu halten. Damit werden die ehemals gut ausgebaute Straßen unbefahrbar und durch neu erschlossene (minderwertige) Wege ersetzt. o Der Verfall der r3mischen Infrastruktur und die aufkommende Angst der r3mischen Bev3lkerung vor den Fremdlingen, geben dezentralisierenden (regionalisierenden) Prozessen einen Anstoß. R3mer fliehen aus den St dten aufs Land. Eine zentrale Verwaltung wird ohne funktionierende Infrastruktur unm3glich. o Ausdruck dieser Entst dterung ist insbesondere die anhaltende intellektuelle Verarmung der Bev3lkerung.  Verfall und Nachleben der antiken Straßen o Die Zeit ist 'ber die Antike hinweggegangen, die Wagenspur hat das antike Geb lk fast schon zerteilt. o Dengeradenr3mischenStraßentrassenfolgte man weiterhin gern, aber nicht mehr 'ber gr3ßere Distanzen. o Wo eine Br'cke eingest'rzt, eine B3schungsmauer geborsten, ein Sumpf entstanden war, beseitigte man diese Hindernisse oft nicht mehr, sondern umging sie. So bildeten sich die im Ganzen auffallend geraden, aber leicht ausschwingenden, wie mit zittriger Hand gezogenen Strecken, die doch immer wieder in die r3mische Gerade zur'ckfallen, wie hier an der Via Appia in den Weinbergen bei Velletri. Von der Heilsmittlerschaft Christi zu den asketischen Gottesmännern  Die Einigung auf dem Konzil in Nicaea (325. n. Chr.) stellt die Grundlage f'r die Verschiebung der Heilsmittlerposition (Mittelsmann) im Fr'hmittelalter dar.  Galt Christus zuvor gem ß dem Arianismus noch als Mensch und war Gott nur wesens hnlich (homoiusios), so wird er nun zu einer der drei g3ttlichen Hypostasen erhoben und ist mit Gott wesensgleich (homousios).  Obwohl im Konzil von Chalcedon (451 n. Chr.) hervorgehoben wird, dass seine Menschheit nicht ganz unber'cksichtigt bleibt und sich nicht wie ein Tropfen im unermesslichen Meer seiner Gottheit aufl3sen d'rfe, wird er in der nicht weiter reflektierten Fr3mmigkeit des Fr'hmittelalters nahezu ausschließlich zum deus (Gott).

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Aus dieser Idee erw chst das Konzept des verdienstvollen Gnadenspenders als fr'hmittelalterlichem Idealtypus. Nach der Vorstellung des „asketischen Gottesmannes“ wird dem Menschen als lebendigem Gef ß durch asketische Handlungen (z.B. z3libat re Enthaltsamkeit, Fasten, harte Arbeit usw.) die virtus (g3ttliche Gnade; Wunderkraft) zuteil. Diese versetzt ihn in die Lage, bei ausreichender Askese wundersame Handlungen zu vollziehen. Der Asket gilt als aktiver Spender oder Verteiler die in sich aufgenommene Gottesgnade (virtus) an einen oder mehrere passive (Gnaden)Empf nger weiter. Die Wirkkaskade dieser Gnadenspendung lautet also: Gott (Quelle) → Asket (aktiver Spender) → passiver Empf nger. Die virtus kann wie eine Art Guthaben „verbraucht“ und auch wieder „aufgeladen“ werden. Ist sie ersch3pft, so muss sie vor der n chsten Spendung zun chst durch weitere Askese wieder verdient werden. Gem ß dem do ut-des- Prinzip stehen Askese und Verdienst genau im Verh ltnis zueinander, sodass eine Art „Tarifentlohnung“ stattfindet. Auf dieser Grundlage werden Asketen fortan als die berufenen Heilsmittler. Dieses Verst ndnis des g3ttlichen Gnadentums, nach dem die Zuteilwerdung der virtus als eine Art leistungsbasierter Handel interpretiert wird (Leistungsspiritualit t; asketische Leistung gegen Gottesgnade) wird sp ter als die „passive Gnade Gottes“ unter Luther zu einem der sch rfsten Kritikpunkte am Katholizismus. Mit der aufkommenden Bildungsverarmung wird das hochtheologische Verst ndnis von Christi doppelter Wesensgestaltung zur un'berwindbaren H'rde und fuhrt in seiner Konsequenz zur Ersetzung der Mittlerschaft Jesu durch die der asketischen Gottesm nner oder Heiligen - i.d.R. M3nche. Denn genau ihre Lebens und Funktionsweise entspricht religionsgeschichtlich dem Konzept vom Heilsmittler: der Kontakt zu Gott kommt nicht unvermittelt zustande, sondern dank bestimmter Mittelspersonen, die durch ihre eigene Gottverbundenheit auch f'r andere den Gotteszugang erm3glichen. Insbesondere der M3nch wird damit in seiner ohnehin schon 'berh3hten Bedeutung zum neuen Heilsmittler ernannt. Richteten sich Gebete urspr'nglich noch an Christus, so sind sie nun also an die M3nch als neue vertikale und horizontale Mittelsmanner adressiert.

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4 Vorlesung vom 09.05.2018: Frühmittelalter – Einfachreligiosität im Spannungsfeld von Gentilismus und Iniversalismus I (Frühmittelalter) Wiederholung: Spätantike Christentum als elaborierte Religion  Das Christentum als Buchreligion: o sprachlich-argumentative Durchdringung und Vermittlung der biblischen Botschaft  Das Christentum als Communio: o Kommunikation zwischen nebeneinanderstehenden christlichen Glaubensrichtungen miteinander kommunizierten o Dogmatisierung der wahren Lehre Wiederholung: Arianische Streit als Ausdruck einer reflektierten Hochreligion

Dekomposition der Alten Welt  Kennzeichen des Ibergangs von der antiken zur frühmittelalterlichen Welt o Transformationsprozess o Deurbanisierung o VerlusthandwerklicherKenntnisseund-f higkeiten o Ausfall von Verkehrsm3glichkeiten o R'ckgang des (theologischen) Bildungsniveaus Entstehung einer elementaren (einfachen) Religionsform  Elementare Religiosität/Einfachreligiosität: o Allgemeine, in der Welt der Religionen weithin verbreitete Grundelemente treten (wieder) hervor.  Merkmale einer Einfachreligiosität: 1. Abh ngigkeit der Welt und der Menschen von G3ttern und D monen, von guten und b3sen Geistern (≠Eigenwirksamkeit der Natur und des Menschen). 2. Tun-Ergehen-Zusammenhang als reaktives Schema: Aufgrund guter Taten m'ssen die G3tter handeln; schlechte Taten m'ssen Strafe nach sich ziehen. 3. Tathaftung (≠Intentions- oder Gesinnungsethik)  Gottesurteil: o Gott entscheidet, was der Richter nicht wissen kann  Urteilsspruch auf Grundlage des Gottesurteils; Gott greift unmittelbar ein. o Ritual zur Ermittlung von Schuld/Unschuld (≠K3rperstrafen)Mittel zur Wahrheitsfindung (z. T. mit Reinigungsritus).

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5 Vorlesung vom 16.05.2018: Frühmittelalter – Einfachreligiosität im Spannungsfeld von Gentilismus und Universalismus II (Frühmittelalter) Gentilismus  Gentilismus: v3lkisches Bewusstsein, das sich auf den eigenen Volksbereich konzentriert und sich nach außen abschottet.  Wir-Gef'hl (= eigenes Volk) „Fremde“ (= jenseits des eigenen Volkes)  Der Gentilismus wird gest'tzt von der Religion: Der Wirkungskreis der eigenen G3tter beschr nkt sich auf das Volk.  Aber: Christentum verstand sich als Universalreligion der Ökumene (ecclesia ex diversis gentibus)Wie christianisieren?  Gentilismus: kirchliche Lösungsversuche 1. Einheit „von unten“: die bischöfliche Kollegialität o Die bisch3fliche Kollegialit t: provinzialsynodale Vereinigung der Ortsbisch3fe unter dem Vorsitz des Bischofs der Provinzhauptstadt, des sogenannten Metropoliten (Bewusstsein der Communio). o Dem Metropoliten (primus inter pares) kommen dabei zwei zentrale Funktionen zu. 1) Einberufung der Provinzialsynoden 2) Bischofsbestellung (Gberwachu...


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