2 Objekterkennung Allgemeine Psychologie l SS19 PDF

Title 2 Objekterkennung Allgemeine Psychologie l SS19
Course Allgemeine Psychologie I
Institution Georg-August-Universität Göttingen
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Allgemeine Psychologie l 30.04.2019

OBJEKTWAHRNEHMUNG 1. Leistung des visuellen Systems • menschliches System im Vergleich zu Computerleistung wesentlich leistungsstärker/schneller • Computersysteme haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt • Probleme, die das visuelle System löst ◦mehrdeutiges Bild auf der Retina (Problem der inversen Projektion) ◦Objekte sind verdeckt oder verschwommen ◦Objekte haben unterschiedliche Perspektiven (Perspektiven-Invarianz) 2. Perzeptuelle Organisation • Strukturalismus und seine Probleme ◦Wundts Strukturalismus (1879): Wahrnehmung aus einzelnen Elementen, setzt sich aus vielen kleinen Empfindungen zusammen → additiver Ansatz ◦Unterscheidung von Wahrnehmung und Empfindung ◦Beispiel Dalmatiner-Bild: einmalige Aufklärung reicht aus, um Top-Down-Prozess auszulösen ◦Scheinbewegungen: wenn man abwechselnd Bilder von zwei Gegenständen in unterschiedlichen Positionen sieht, wird der Wechsel häufig nicht als Hin- und Herspringen zwischen zwei verschiedenen Bildern sondern als eine Bewegung der Objekte wahrgenommen ◦illusorische Konturen: Wahrnehmung von Konturen durch Kontextinformation • Gestaltprinzipien ◦Prinzip des guten Verlaufs: bringt Ordnung in Reizsituation, Beispiel Kopfhörer/Seil ◦Prinzip der guten Figur/Prägnanz/Einfachheit: jeder Reiz wird so gesehen, dass die individuell resultierenden Strukturen so einfach wie möglich sind ◦Prinzip der Ähnlichkeit: Reize, die irgendeine Ähnlichkeit haben werden zusammen gruppiert → relevante Ähnlichkeitsdimensionen: Helligkeit, Organisation, Farbe ◦Prinzip der Nähe: Nähe dominiert gegenüber der Form → Gruppierung ◦Prinzip des gemeinsamen Schicksals: gemeinsame Bewegung führt zu Gruppierung (Zeit relevant) ◦neue Gruppierungsprinzipien (Palmer, Palmer & Rock) ▪Prinzip der gemeinsamen Region (z.B. gemeinsamer Hintergrund) ▪Prinzip der Verbundenheit von Elementen ▪Prinzip der zeitlichen Synchronizität • neuronale Repräsentation: höhere neuronale Aktivität in V1, wenn präsentierte Stimuli den Gestaltprinzipien folgen → Vermutung, dass Zellen Gestaltprinzipien bereits implementiert haben • Trennung von Figur und Hintergrund ◦Beispiel Rubin-Vase (Rubin, 1915): kann zweifach interpretiert werden, zwei Gesichter oder Vase ◦Figur: ist dinghaft, wird besser erinnert, wird vor dem Hintergrund gesehen ◦Hintergrund: ist einheitlich, setzt sich hinter der Figur vor ◦Regeln/Eigenschaften von Figur und Hintergrund ▪Kontur gehört zur Figur ▪Information im Bild bestimmt die Separation ▪untere Bereiche werden eher als Figur gesehen ▪Bereiche mit konvexen Seiten werden zur Figur ▪Symmetrisches wird zur Figur ▪Prinzipien dominieren die Erfahrung ▪Erfahrung spielt aber auch eine Rolle ◦Vecera et al. (2002): Frage an Versuchspersonen „Ist die Figur grün oder rot?“, unteres Element wird eher als Vordergrund gesehen, bei vertikaler Teilung kein signifikanter Unterschied bei Entscheidung ◦Peterson & Salvagio (2008): Frage an Versuchspersonen „Ist der Punkt auf einer Figur oder auf dem Hintergrund?“, Streifen mit nach außen zeigenden Auswölbungen wird eher als Figur gesehen

• Einfluss von Erfahrung ◦Gibson & Peterson (1994): Frage an Versuchspersonen „Ist die Figur schwarz oder weiß“?, bei korrekt gedrehter Figur wird eher schwarz als Antwort genannt → Interpretation des wahrgenommenen Reizes ist essentiell für die Trennung von Figur und Hintergrund ◦Gemälde von Bev Doolittle (1985): nach längerer Betrachtungszeit werden nach und nach Gesichter im Wald erkannt → Erfahrung mit einem Stimulus beeinflusst die Wahrnehmung eines Reizes, Gesichter werden schneller erkannt, wenn das Bild vorher bereits betrachtet wurde ◦Zhou et al. (2000): Reaktion des Neurons viel stärker, wenn der auffallende Stimulus zum wahrgenommenen Vordergrund gehört, bei Stimulus auf Hintergrund geringere neuronale Antwort 3. Objekte in Szenen • Szenen enthalten Elemente des Hintergrunds und Objekte, die in einer sinnvollen Beziehung zum Hintergrund und zu anderen Objekten stehen • Objekte vs. Szenen: Handlungen wirken auf Objekte, Handlungen geschehen in Szenen • Potter (1976): Bilder wurden nacheinander jeweils eine viertel Sekunde gezeigt, Bilder sollten wiedererkannt werden (Multiple-Choice Ja/Nein) → Probanden gaben überwiegend richtige Antworten ◦weitere Untersuchungen: bereits 67ms reichen aus, um ein Bild in seinen Grundzügen zu erfassen • globale Bild-Merkmale von Szenen: Natürlichkeit, Offenheit, Rauheit, Ausdehnung, Farbe → Merkmale werden holistisch verarbeitet und schnell wahrgenommen • Regelmäßigkeiten in der Umwelt = Information • physikalische Regelmäßigkeiten ◦Obliquen-Effekt: in der Natur überwiegen vertikale und horizontale Linien, diagonale (oblique) Linien sind dagegen eher selten vorhanden → vertikale/horizontale Orientierungen werden besser erkannt ◦einheitliche Farbe und Struktur von Objekten ◦Licht-von-Oben-Effekt: Licht kommt in der Natur meistens von oben (Sonne) → Interpretation einer unklaren Lichtsituation meist auf Grundlage der Annahme, dass das Licht von oben kommt ▪Kleffner & Ramachandran (1992): Präsentation von Kreisen mit hellen Schattierungen, je nachdem wo sich die Helligkeit befindet, werden die Kreise als Bälle oder Auswölbungen wahrgenommen • semantische Regelmäßigkeiten ◦Objekte passen zum Kontext ▪Palmer (1975): präsentierte Objekte (z.B Brot), die besser zu einer vorher gezeigten Szene (z.B. Küchenleiste) passen, werden schneller erkannt → Beispiel für Top-Down-Effekt ◦„multiple Persönlichkeit eines Flecks“ → Oliva & Torralba (2007): ambivalenter Fleck wird in unscharfe Bilder eingebaut → Kontext beeinflusst die Interpretation eines Reizes • Theorie der unbewussten Schlussfolgerung ◦Hermann von Helmholtz erklärt damit, wie das mehrdeutige retinale Bild interpretiert wird ◦Likelihood-Prinzip: wir sehen das Objekt, das die proximale Stimulation mit höchster Wahrscheinlichkeit ausgelöst hat ◦Bayessche Inferenz: Wahrnehmung folgt aus der Kombination von Bottom-Up Stimulusinformation und Top-Down-Erwartung der wahrscheinlichsten Lösung ◦Problem der inversen Projektion: retinales Bild entspricht nicht dem Objekt, nur Repräsentation 4. Biologie der Objektwahrnehmung • Hirnantworten auf Gesichter und Orte • binokulare Rivalität ◦Tong et al. (1998): ein Auge bekommt nur ein grünes Gesicht zu sehen, das andere Auge bekommt nur ein rotes Haus zu sehen → Reize stehen in Rivalität zueinander, dominanterer Reiz überwiegt, ◦unterschiedliche Reaktionen im Gehirns, je nachdem welcher Stimulus gerade dominant ist

• aktive Hirnareale ◦fusiforme Face Area/fusiformes Areal (FFA): Wahrnehmung von Gesichtern ◦parahippocampale Place Area (PPA) ▪reagiert auf Bilder von Gebäuden und Räumen (Epstein & Kanwisher, 1998) ▪reagiert auf Bilder von Szenen ▪reagiert auf raumdefinierende Objekte ▪Interaktion von Objekt und Raum ▪Vermutung: wichtig für Navigation? ▪Vermutung: wichtig für 3D-Empfinden? ▪Parahippocampaler Cortex (PHC) • Gedanken-Lesen mit Hirnmessungen ◦Prinzip des „Mind-Readings“ ▪Kamitani & Tong (2005): Messung der Aktivität eines Voxels bei Präsentation von Mustern in bestimmten Ausrichtungen → darauf basierend Entwurf eines Decoders, dieser kann über Messung der Voxelaktivität vorhersagen, welche Orientierung die Versuchsperson gerade sieht ◦Orientierung von Gitter-Stimuli: Messung, welche Aktivierung durch Gitter-Stimuli ausgelöst wird → Vorhersagen/Rückschlüsse von Hirnaktivität auf die Art des Stimuli ◦Szenen ◦strukturelle und semantische Dekodierung ▪Naselaris et al. (2009): Versuchspersonen wurden verschiedene Szenen gezeigt, Messung der Hirnaktivität (Aktivität von vielen Voxeln) → Vorhersagen durch strukturelles/strukturelles + semantisches Modell, Findung von Bildern ähnlich zu Zielbildern der Versuchsperson 5. Besonderheit von Gesichtern • Reaktion des IT (inferiorer temporaler Cortex) beim Affen → Rolls & Tovee (1995), Tsao et al. (2006): IT-Neurone feuern stärker bei Gesichtern als bei anderen Stimuli • Evidenz für Module ◦Reaktion der FFA beim Menschen (Kanwisher, 2003): deutlich stärkere Reaktion auf Gesichter ◦Reaktion der EBA (extrastriate Body Area, reagiert auf Körper und Körperteile) und der PPA/PHC • Evidenz für verteilte Repräsentationen ◦FFA und PPA/PHC ◦Huth et al. (2012): Entwurf eines farbcodierten Gehirns für Versuchspersonen → gesamtes Gehirn ist an visueller Wahrnehmung beteiligt, verwandte Bereiche sind im Gehirn räumlich benachbart • wir reagieren auf viele Aspekte von Gesichtern: emotionale Aspekte, wohin jemand schaut, wie sich Teile des Gesichts bewegen, wie attraktiv ein Gesicht ist, ob das Gesicht vertraut ist • Lateralisierung der Gesichterverarbeitung: Unterschiede/Asymmetrie der beiden Hemisphären • Evidenz für holistische Verarbeitung: Gesichtserkennung läuft anders ab als Objektverarbeitung → holistisch = Gesichter werden als Ganzes verarbeitet • verschiedene Areale im Gehirn bilden Netzwerke, die einzelne Konzepte/Bereiche verarbeiten → z.B. Gesichtswahrnehmung, Schmerzwahrnehmung • weitere Befunde ◦Meng et al. (2012): Gesichter können auch in nicht-menschlichen Stimuli erkannt werden, selbst wenn nur wenige gesichtsähnliche Aspekte vorhanden sind → Unterschied linke/rechte Hemisphäre ◦Busigny & Rossion (2010): Versuchspersonen sollen Objekte Gesichtern zuordnen (z.B. Autos) → bei Wahrnehmung von Objekten egal ob invertiert oder aufrecht, bei Gesichtern jedoch aufrechte Orientierung wichtig für Unterscheidung verschiedener Gesichter und Erkennbarkeit von Details ◦Gilad et al. (2009): bereits bei Negativ-Bild ist die Gesichtswahrnehmung verringert, Augen wurden nach und nach wieder dunkel → scheinen besonders wichtig für Gesichtserkennung zu sein

6. Entwicklung der Gesichtswahrnehmung • starke Entwicklung im ersten Lebensjahr ◦visuelle Demonstration (Alex Wade): anfangs sehr ungenau/verschwommen, mit der Zeit schärfer • Neugeborene haben Information über Gesichter ◦Morton & Johnson (1991): Neugeborenen wurden eine Stunde nach der Geburt verschiedene Reize präsentiert, Messung über durchschnittliche Amplitude der Augenbewegung (Head-Turn-Paradigma) → stärkste Reaktion bei Gesicht, etwas schwächer bei gesichtsähnlichen Reizen • volle Verarbeitung erst als Erwachsener ◦Grill-Spector et al. (2008): Vergleich der Hirnaktivität bei 8-jährigen und Erwachsenen bei verschiedenen Stimuli, neuronale Reaktion auf Gesichter bei 8-jährigen schwächer als bei Erwachsenen, FFA nicht so stark ausgeprägt → starke neuronale Entwicklung findet statt 7. Gesichtswahrnehmung von Tieren • Newport et al. (2016) ◦Fische wurden darauf trainiert, Gesichter zu unterscheiden, Futter als Anreiz ◦Fische konnten Gesichtserkennung erlernen → Unterscheidung von Gesichtern möglich Nachtrag Besonderheit von Gesichtern • Messung der semantischen Verarbeitung im Gehirn, Film mit 1700 Begriffen • Welches Gehirnareal ist mit einem bestimmten Aspekt in Verbindung?...


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