Title | 4 Soziale Kognition - Zusammenfassung Sozialpsychologie |
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Author | Theresa Ou |
Course | Sozialpsychologie: Individuum |
Institution | Universität Koblenz-Landau |
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Sommersemester 2019 - Prof. Rudert...
Soziale Kognition Was ist soziale Kognition? Soziale Kognition (social cognition): Beschäftigt sich damit, zu verstehen, wie wir über uns selbst und über andere Menschen denken und wie die beteiligten Prozesse unsere Urteile und unser Verhalten in sozialen Kontexten beeinflussen.
Automatisches und Kontrolliertes Denken
Duale Verarbeitungstheorien unterscheiden zwei grundlegende Formen von Denken: Automatisch Schnell und impulsiv Ohne Absicht, Aufwand oder Bewusstheit Stört gleichzeitig ablaufende kognitive Prozesse nicht
Kontrolliert Abgewogen und genau unterliegt der willentlichen Kontrolle des Individuums Absichtsgeleitet, aufwendig und bewusst Stört gleichzeitig ablaufende kognitive Prozesse
Automatisches Denken: wichtige Konzepte
Schema: Eine kognitive Struktur bzw. mentale Repräsentation, die vorverarbeitetes Wissen über Objekte oder Menschen bestimmter Kategorien umfasst; unsere Erwartungen im Hinblick darauf, wodurch diese Objekte oder Gruppen definiert werden. Soziale Kategorisierung: Menschen aufgrund charakteristischer Merkmale in soziale Gruppen einteilen Stereotyp: Kognitive Struktur, die Wissen, Überzeugungen und Erwartungen über eine soziale Gruppe von Menschen enthält.
Soziale Kategorisierung und Schemata
Kategorisierung und Schemata führen zu Vereinfachung: Welt wird geordneter, besser vorhersagbar und kontrollierbarer Aber: Oft gibt es mehrere Schema oder Kategorien, die in Frage kommen
z.B.
homosexuelles Paar?, Freunde?, Brüder?
Welches Schema kommt zur Anwendung?
Entscheidend für die Kategorisierung: Passung (Applicability) Zugänglichkeit (Accessability): Das Ausmaß, in dem Informationen leicht gefunden und abgerufen werden können. Chronisch aktiv: Frühere Erfahrungen, häufige Nutzung Situativ aktiviert: durch gerade Erlebtes Situativ aktiviert: Zusammenhang mit aktuellen Zielen
Bedeutsamkeit von Passung und Zugänglichkeit
Limitierte kognitive Ressourcen in Alltag Abbruch beim ersten passenden Schema
Erhöhung der situativen Zugänglichkeit: Priming
Priming (priming): Die Aktivierung eines Stimulus (z. B. Vogel) erleichtert die anschließende Verarbeitung eines anderen, damit zusammenhängenden Stimulus (z. B. Flügel, Feder).
Lexikalische Entscheidungssaufgabe
Eine kognitive Messmethode, mit der erfasst wird, wie rasch Versuchsteilnehmer Stimuli als echte Wörter oder sinnlose Buchstabenfolgen klassifizieren; raschere Reaktionen auf bestimmte Wortkategorien zeigen erhöhte Zugänglichkeit an.
Unterschiedliche Priming Methoden
Wörter (scrambled sentences, subliminale Darbietung) Situative Kontexte Gerüche Stimmungen
The Guardian: Point of View Advert (1986)
Werbekampagne im Fernsehen Werbefilme zeigten einen Skinhead, der mit großer Geschwindigkeit auf einen Geschäftsmann zuläuft
Warum ziehen Menschen diese übereilte Schlussfolgerung?
spontanen Enkodierung der Situation Menschen sehen den Skinhead, aktivieren sogleich das verbreitete Schema vom Skinhead falsche Schlussfolgerung, dass er wahrscheinlich im Begriff ist, sich aggressiv zu verhalten Enkodierung (encoding): Die Art und Weise, das, was wir sehen, in ein verarbeitbares Format zu übersetzen, das mental gespeichert wird. das aktivierte Schema verzerrte die Interpretation des Verhaltens systematisch im Einklang mit dem Stereotyp vom Skinhead
Priming von Feindseligkeit (Srull & Wyer, 1979) - Beurteilung von „Donald“
Versuchspersonen lösen semantische Rätsel. UV: 20% oder 80% beinhalten das Konzept „Feindseligkeit“ Versuchspersonen lesen eine mehrdeutige Personenbeschreibung über „Donald“ AV: Beurteilung „Donald“ in Bezug auf Feindseligkeit. Ergebnis: Donald wurde als feindseliger eingeschätzt wenn die Personen zuvor 80% Feindseligkeits-Rätsel gelöst hatten
Automatische Aktivierung von Stereotypen
Experiment von Devine (1989) Unbewusste Präsentation von Primes die das Stereotyp eines Afroamerikaners aktivieren UV: 80% vs. 20% Primewörter AV: Einschätzung Feindseligkeit einer (nicht schwarzen) Person die sich mehrdeutig verhielt Ergebnis: Personen wurden nach dem 80% Priming als feindseliger beurteilt (feindselig = Aktivierung als Teil des Stereotyps über Schwarze)
Das Waffenerkennungsparadigma (Cornell, 2002)
Aufgabe: Knopf mit „schießen“ drücken wenn Zielperson eine Waffe hält; „nicht schießen“ wenn sie ein Mobiltelefon hält UV 1: Prime (Schwarzer vs. Weißer) UV 2: Gegenstand (Waffe vs. Handy) AV: Anteile an korrekten Urteilen
Ergebnisse Waffenerkennungsparadigma
Schemakonsistente Abspeicherung
Auch beim Speichern von Informationen wird auf bestehendes allgemeines Wissen (Schemata und Stereotype) zurückgegriffen. Unterschiedlicher Einfluss: Schema-konsistente Information Schema-inkonsistente Information Schema-irrelevante Information (wird typischerweise schnell vergessen)
Erinnern von schemakonsistenter Information
Speicherung sehr sparsam, da nur „wie immer“) Abruf: Rekonstruktion anhand des Schemas Resultat: Gute Erinnerungsraten Aber: viele „Intrusion Errors“ (Rekonstruktion konsistenter Information die nicht vorhanden war)
Erinnern von schemainkonsistenter Information
Speicherung: Aufwändig, tiefere Verarbeitung und kognitive Kontrolle nötig Abruf: tatsächliches Erinnern Resultat: Kurzfristig gute Erinnerung, lässt jedoch mit der Zeit nach
Experiment von Macrae, Hewstone und Griffiths (1993)
VPN sehen Video mit Konversation zweier Frauen UV1: zwei Friseurinnen vs. Ärztinnen Video enthält verschiedene Informationen, die entweder zum Stereotyp Ärztin oder zum Stereotyp Friseurin passen UV2: Kognitive Belastung hoch vs. gering. AV: Erinnerung an Inhalte der Konversation nach 5 Minuten
Ergebnisse
Heuristiken
Kognitive Faustregel, die schnell zu einem effizienten (jedoch nicht optimalen) Urteil führt Menschen als „kognitive Geizkragen“: Sichtweise, der zufolge Menschen oft in ihrer Verarbeitungskapazität begrenzt sind und dazu neigen, wo immer möglich, kognitive Abkürzungen zu nehmen, um sich das Leben zu vereinfachen. Wichtige Heuristiken (Tversky & Kahnemann, 1974): Repräsentativitätsheuristik: Eine mentale Abkürzung, bei der Fälle Kategorien zugeordnet werden, nach dem Prinzip, wie gut ihre Merkmale mit denen der Kategorie übereinstimmen. Verfügbarkeitsheuristik: Eine kognitive Abkürzung, die es ermöglicht, uns darauf zu stützen, wie schnell uns Informationen über ein bestimmtes Ereignis in den Sinn kommen, um daraus auf die Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses zu schließen. Anker/Anpassungsheuristik: Eine kognitive Heuristik, die uns den ursprünglichen Standards/Schemata (Ankern) ein bestimmtes Gewicht beimessen lässt, und dazu führt, dass das endgültige Urteil häufig zu nahe am Anker liegt (nicht ausreichend angepasst wird).
Die Repräsentativitätsheuritik
Annahme: Wenn X dem Prototyp der Kategorie Y ähnlich ist, gehört X wahrscheinlich Y an (Tversky & Kahnemann, 1974) Typische Fehler: Vernachlässigung von Stichprobengrößen Vernachlässigung von Basisraten Informationen, die uns eine Vorstellung davon vermitteln, wie häufig bestimmte Kategorien in der allgemeinen Population vorkommen. Fehlwahrnehmung von Zufall Verknüpfungstäuschung (Conjunction Fallacy)
Die Verfügbarkeitsheuristik
Annahme: Leichtigkeit mit der Information in den Sinn kommt muss etwas über die Häufigkeit aussagen (Tversky & Kahneman, 1974) Zwei mögliche Erklärungen: Fokus Inhalt: Exemplare sind verfügbarer („more available“) und von daher können mehr abgerufen werden Fokus Gefühl: Exemplare sind zugänglicher („more accessible“) und von daher leichter abrufbar
Experiment: Accessibility oder Availability ? (Schwarz et al, 1991)
UV: Personen sollen 12 vs. 6 Gelegenheiten nennen bei denen sie sich selbstbewusst verhalten haben AV: Einschätzung Selbstbewusstsein Ergebnis: Personen die 12 (versus 6) Gelegenheiten beschreiben sollen, schätzten sich selbst als weniger selbstbewusst ein Leichtigkeit der Informationsverarbeitung entscheidend
Typische Fehler bei der Verfügbarkeitsheuristik
Fehleinschätzung zugänglicher Risiken (z.B. Gigerenzer, 2004) False-consensus bias (z. B. Ross, Greene, & House, 1977) Verzerrung durch falschen Konsens oder Konsensüberschätzung, womit die Tendenz bezeichnet wird, das Ausmaß der Übereinstimmung der eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen mit denen anderer Menschen zu überschätzen Verzerrte Wahrnehmung des eigenen Beitrags (z.B. Ross & Sicoly, 1979) Vernachlässigung von anderen Gründen, die Leichtigkeit bedingen, z.B.... Kürzlicher oder häufiger Abruf der Information Salienz und Lebendigkeit der Information Andere Faktoren (z.B. Lesbarkeit, Greifeneder et al, 2010)Beispiel: Lesbarkeit (Greifeneder et al, 2010)
Beispiel: Lesbarkeit (Greifeneder et al, 2010)
UV1: Leicht versus schwer lesbare Handschrift
UV2: Qualität des Textes (gut, mittel, schlecht)
AV: Beurteilung des Texts (Schulnoten)
Ergebnisse
Die Ankerheuristik
Annahme: ursprünglichen Standards und Schemata (Anker) werden als Ausgangspunkt für ein Urteil verwendet und angepasst (Tversky & Kahnemann, 1974) Wegbewegung vom Anker erfordert Motivation und kognitive Verarbeitungskapazität (Epley & Gilovich, 2006) Typische Fehler: Unzureichende Anpassung des Ankers Auch irrelevante Anker werden berücksichtigt
Beispiel: Ankereffekte beim juristischem Strafmaß (English at al, 2006)
Jurist/innen sollten über das Strafmaß nach einer mutmaßlichen Straftat (Vergewaltigung, Ladendiebstahl, etc.) entscheiden UV: Anker hoch vs. niedrig (z.B. 1 vs. 3 Jahre Anker gesetzt durch irrelevante Quelle (Studie 1), Angabe dass zufällig (Studie 2) oder Würfel (Studie 3)
Erklärung: Selektive Zugänglichkeit (Mussweiler & Strack, 1999, 2000)
Information, die mit dem Anker konsistent ist wird zugänglicher Ankerheuristik im Alltag: Generalisierung von geringen/ verzerrten Informationsstichproben Experiment (Hamill, Wilson & Nisbett, 1980): Einstellung gegenüber SozialhilfeempfängerInnen
Heuristiken: Zusammenfassung
Heuristiken vereinfachen die Informationsverarbeitung, führen zu effektiven und validen Urteilen Contra: Anfällig gegenüber Fehlern und systematischen Verzerrungen Forschung fokussiert oftmals auf die Fehler, da diese Rückschlüsse über zugrundliegende Prozesse erlaubt ABER: Im Alltag liefern Heuristiken bessere Ergebnisse als die Forschung suggeriert
Kognitive Kontrolle
Menschen können willentlich vom automatischen zum kontrollierten Denken wechseln Kontrolliertes Denken meist bei ungewöhnlichen Vorkommnissen Problem: Autopilot ist nicht „abschaltbar“ Theorie der automatischen Akzeptanz (Gilbert, 1991)
Kontinuummodell der Eindrucksbildung (Fiske & Neuberg, 1990)
Eindrucksbildung wird als Prozess verstanden, der sich von kategoriebasierten Bewertungen auf dem einen Ende des Kontinuums bis zu individualisierten Reaktionen auf dem anderen erstreckt. Es wird angenommen, dass das Fortschreiten entlang des Kontinuums vom Zusammenspiel zwischen motivationalen Faktoren und Aufmerksamkeitsfaktoren abhängt. Wann beeinflussen Stereotype den Eindruck über eine Person?
Einbezug von individuumsbasierter Information nur bei ausreichender Motivation und kognitiver Kapazität
Das Dissoziationsmodell (Devine, 1989)
Nimmt an, dass zwei unterschiedliche Prozesse unabhängig voneinander auftreten können und dass nicht der eine unvermeidlich aus dem anderen folgt. Unabhängigkeit von automatischen und kontrollierbaren Prozessen Aktivierung Stereotyps Stereotype Reaktion, nur wenn Wissen über das Stereotyp Stereotyp im Einklang mit eigenen Überzeugungen keine ausreichende Kapazität zur Kontrolle
Unterdrückung von Stereotypen 1. 2.
Modell der paradoxen Prozesse mentaler Kontrolle (Wegner, 1994): absichtlicher operativer Prozess (kontrolliert) paradoxer Überwachungsprozess (automatisch) Verringerte kognitive Kapazität: (1) funktioniert nicht mehr, aber (2). Bumerangeffekt
Studie von Macrae et al. (1994)
VPN sollen zwei Aufsätze über Tag im Leben eines Skinheads schreiben UV: VPN sollen im Aufsatz Stereotype vermeiden vs. Keine Instruktion AV: Stereotypikalität der Beschreibungen in Aufsatz Effekt geringer bei weniger Vorurteilen
Beispiel: Jurygerichte (S.136) Typische Fehler trotz kognitiver Kontrolle (Baron et al, 2008)
Negativitäts-Bias: Negative Information wird stärker beachtet als positive. Optimismus-Bias: Die Erwartung, dass es gut (aus)gehen wird. „Overconfidence“: Menschen überschätzen die Qualität ihrer Urteile. Planungs-Fehlschluss: Unterschätzen, wie lange eine Aufgabe dauern wird.
Beispiel: Ihre erste Hausarbeit
Die Planung: Tag 1: Literatur recherchiert Tag 2 & 3: Literatur gelesen Tag 4-5: Den ganzen Tag geschrieben Tag 6: Korrekturlesen, ausdrucken, abgeben! Evtl. ein Puffertag Eine Woche genügt
Tag 1: Internet funktionierte nicht, stundenlang probiert, dann Wohnung geputzt Tag 2: Literatur recherchiert Tag 3: falsche Literatur erwischt, musste neu anfangen Tag 4: Beim Lesen immer eingeschlafen wegen der langen Party abends vorher Tag 5 & 6: Literatur gelesen Tag 7: Angefangen zu schreiben, aber der Computer ist abends abgestürzt, das Dokument war weg! Tag 8-9: Den ganzen Tag geschrieben Tag 10: Druckerpatrone leer, neue bestellt, dann YouTube… Tag 11: Korrekturlesen, ausdrucken, abgeben!
Kontrollfragen 1. Was ist das Problem der Vernachlässigung von Basisraten? Sie kann zu Fehlentscheidungen führen. 2. Nennen Sie drei typische Fehler die bei der Verfügbarkeitsheuristik auftreten a. Fehleinschätzung zugänglicher Risiken b. False-consensus bias c. Verzerrte Wahrnehmung des eigenen Beitrags d. Vernachlässigung von anderen Gründen, die Leichtigkeit bedingen 3. Unter welchen Umständen gelingt es Menschen, Stereotype nicht anzuwenden? Bei ausreichender Motivation und kognitiver Kapazität....