Entwicklungspsychologie Sommersemester - Kapitel 8 Theory Of Mind PDF

Title Entwicklungspsychologie Sommersemester - Kapitel 8 Theory Of Mind
Course Modul Entwicklungspsychologie
Institution Universität des Saarlandes
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Entwicklungspsychologie 8.) Theory

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

Of Mind: (Siegler, DeLoache & Eisenberg - Kap. 7)

a.) Begriffsbestimmung:!

• Naive Psychologie/Alltagspsychologie: Wie entwickelt sich das Alltagsverständnis des •

Kindes von sich selbst und seinen Mitmenschen/von menschlichem Verhalten? Entwicklung der sozialen Kognition: Verschiedene Ebenen des Verständnisses von…

-

Gesichtern, emotionalen Gesichtsausdrücken Zielgerichtetem Verhalten Das Selbst Mentalen Zuständen & ihrer kausalen Verknüpfung mit beobachtbarem Verhalten (Erklären & Vorhersagen) → „Theory of Mind“ („Theorie des Geistes“)

1.) Definition:!

• Theory of Mind = „Die Fähigkeit, sich und anderen Personen mentale Zustände (Vorstellungen, Wünsche, Absichten) zuzuschreiben.“

• Das Verständnis, dass Handlungsentscheidungen durch mentale Zustände beeinflusst werden (mentalistische Interpretation).

- anders als nur die Zielgerichtetheit von Handlungen zu verstehen. (z.B. Mann greift nach Kaffeebecher, um wach zu werden).

• Voll entwickelt: Verständnis, dass Überzeugungen wahr oder falsch sein können und somit zu zielführenden oder verfehlten Handlungen führen können.

- siehe Comic: falsche Überzeugung, dass der Interaktionspartner schlechte Dinge denkt. • Grundvoraussetzung: Differenzierung von einem mentalen und physischen Bereich (Piaget: 7 Jahre, Stadium der konkreten Operationalisierung).

b.) Forschungsanfänge: 1.) Premack & Woodruff (1978): („Does the chimpanzee have a theory of mind?“) Können Schimpansen ihren Wärtern Handlungsabsichten zuschreiben?

• Hinweise in der Forschung, dass Absichten und Wünsche von Wärtern erkannt werden können. • Erkennen von Handlungsabsichten als untersuchungswürdiges Konstrukt. ➡ gar nicht in den Wärter hineinversetzt, d.h. wir brauchen bessere Tests, um zu prüfen, ob Kinder/Menschen sich in andere hineinversetzen können."

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

2.) „Theory of Mind“ als intuitive Theorie: (Pylyshyn, 1987)

• Mentale Zustände sind nicht direkt beobachtbar, sondern werden wie theoretische Terme •

erschlossen. Zuschreibung mentaler Zustände erlaubt Verhaltensvorhersagen und -erklärungen.

3.) Dennett und Bennet (1978): Ortswechsel-Aufgabe (z.B. Sally-Anne-Task)

• Grundsätzliches Verständnis des Geistes beinhaltet die Fähigkeit, die Attribution falscher Überzeugungen zu verstehen:

- Erwartung, dass eine Person auf Basis dessen handelt, was sie weiß/zu wissen glaubt („false-belief-task“)

4.) Nochmal zur Begriffsbestimmung: (ToM-Fähigkeiten verschiedener Ordnungen)

• Wir wissen nun, dass es nicht reicht, zu schauen, ob ein Individuum wahre Überzeugungen

versteht, d.h., dass beispielsweise der Wärter aus dem Käfig entkommen möchte und dafür einen Schlüssel benötigt, um eindeutig feststellen zu können, ob ToM-Fähigkeiten vorhanden sind. ➡ Vorhersage von Handlungen einer Person aufgrund ihrer wahren Überzeugungen kann stets auch ohne Zuschreibung mentaler Zustände, allein aufgrund der Repräsentation des Zustands der Welt zustande kommen.

• In diesem Zusammenhang ist zunächst Folgendes wichtig: Es gibt ToM Fähigkeiten erster, zweiter und dritter Ordnung:

1. Ordnung: Ich mag Eis. (Ich habe also selbst Wünsche, Überzeugungen, Vorlieben) 2. Ordnung: Ich weiß, dass du kein Eis magst. (Jemand anders kann andere Wünschen, Vorlieben, Überzeugungen haben) 3. Ordnung: Ich weiß, dass du weißt, dass ich Eis mag. (das Wissen darüber, dass sich jemand anders auch in mich hineinversetzen kann)

- Man will nun im Kindesalter vor allem ToM Fähigkeiten der 2. und 3. Ordnung untersuchen, da diese das Hineinversetzen in den anderen Voraussetzen.

Warum ist es wichtig, sich in jemand anders hineinversetzen zu können?

• Die ToM erlaubt es, Handlungen… 1. Vorherzusagen → Sie mag kein Eis, also wird sie keins bestellen. 2. Zu erklären → Sie nimmt meine Einladung zum Eis essen nicht an, weil sie kein Eis mag. 3. Zu manipulieren → Ich will aber was mit ihr machen, also schlage ich ihr nicht Eis essen vor, sondern Kaffee trinken. (Abbildung: Symbol für Empathie)"

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

c.) Klassische Aufgaben: „False-Belief-Tasks“

• Aufgabe zu falschen Überzeugungen: Hierbei hat eine andere Person eine andere Überzeugung/anderes Wissen als man selbst (nicht mehr nur andere Wünsche)

Warum nutzt man diese Aufgaben, um ToM zu testen?

• Kinder müssen sich dafür… - in die Gefühlswelt des anderen hineinversetzen. - zwischen Überzeugung und Realität unterscheiden. - aus Überzeugungen Handlungsvorhersagen ableiten. ➡ Aufgabe ist es, zu verstehen, dass Personen entsprechend ihrer Überzeugungen handeln, und nicht entsprechend der Realität des Selbst.

- 3 Jährige verstehen, dass Handlungsentscheidungen von den Zielen der handelnden

-

Person abhängig sind. Sie können auch unterscheiden, ob eine Handlung mit Absicht oder aus Versehen geschieht. Aber sie erklären Handlungen durch Wünsche und Absichten der Person und scheitern bei der „False-Belief-Task“. Erst 4 jährige sind in der Lage zu verstehen, dass Überzeugungen anderer Personen von der Realität abweichen können. (und damit die Aufgabe zu lösen)

1.) „Smarties-Aufgabe“: „Content False Belief“ (Hogrefe, Wimmer und Perner, 1986)

• Unerwarteter Inhalt.

- 3 Jährige können in Situationen, in denen sie wissen, dass eine Aussage zutrifft, nicht

verstehen, dass andere Menschen eine andere Annahme für zutreffend halten, selbst wenn sie vorher derselben Annahme waren.

2.) Unerwarteter Ortswechsel: (Sally-Anne-Task & Maxi-Aufgabe) - Wimmer & Perner, 1983 I.) Sally-Anne-Task: 1. Person 1 legt ein Objekt an einen bestimmten Ort. Person 2 nimmt das Objekt von dem Ort weg und legt es an einen anderen Ort 2. Testfrage: Wo wird Person 1 (Sally) nach dem Objekt suchen? 3. Kontrollfrage: Wo ist das Objekt tatsächlich?

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

➡ 3 Jährige, die wissen, wo sich ein Objekt befindet, können nicht verstehen, dass andere Personen eine andere Annahme haben können und an einem anderen Ort suchen würden.

• „Unexpected Transfer“: Aufgabe ist es, zu verstehen, dass Personen entsprechend ihrer Überzeugungen handeln, und nicht entsprechend der Realität des Selbst.

- Kinder im Alter ab 4 Jahren können die Frage korrekt beantworten.

- Jüngere Kinder hingegen scheinen

systematisch mit dem tatsächlichen Ort zu antworten.

- können also scheinbar nicht zwischen

objektiver Realität und Überzeugungen unterscheiden.

II.) Maxi-Aufgabe:

• Unerwarteter Ort. • „Die Maxi Geschichte“: „Maxi und seine Mutter kommen vom Einkaufen nach Hause. Er legt die Schokolade in den grünen Schrank und merkt sich das genau. Dann geht er auf den Spielplatz. Danach kommt seine Mutter in die Küche, und nimmt die Schokolade aus dem grünen Schrank. Sie braucht etwas zum Kochen und legt dann den Rest in den blauen Schrank. Später kommen Maxi vom Spielplatz um seine Schokolade zu essen.“

• Testfrage: „Wo wird Maxi die Schokolade suchen?“

• Kontrollfrage: „Wo ist die Schokolade wirklich?“

• 3 Jährige antworten konsistent falsch auf die Testfrage. - W&P: auch bei Aufforderung zum Nachdenken (unterbrechen der Handlungstendenz). - auch bei expliziter Betonung vor Testfrage, dass Maxi den Transfer nicht hatte sehen können (Perner et al., 1987, 1991).

- Fehler ist auch nicht auf Vergessen eines wichtigen Aspekts der Geschichte zurückzuführen (Perner et al., 1987).

• 4-5 Jährige (50%) verstehen, dass Maxi eine Überzeugung hat, von der sie selbst wissen, dass sie falsch ist und sie leiten aus dieser falschen Überzeugung korrekte Handlungsvorhersagen ab. Sie antworten richtig, und geben an, dass Maxi in dem Schrank suchen wird, wo er die Schokolade deponiert hat (Sodian, 2002)."

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

• Ab 6-7 Jahren antworten 90% aller Kinder richtig. ➡ In einer statistischen Metaanalyse von mehr als 500 False-Belief-Studien fanden Wellman et al. (2001), dass 2 1/2 Jährige und junge 3 Jährige in den verschiedensten Varianten der FalseBelief-Aufgabe mehrheitlich den False-Belief-Fehler machen (realitätsbezogen antworten), während ab 3 1/2 Jahren eine Zunahme der korrekten (überzeugungsbasierten) Antworten mit dem Alter festzustellen ist. d.) Vorläuferkompetenzen: (einer „Theory of Mind“)

• Ab etwa 3,5-4 Jahren können Kinder False-Belief Aufgaben lösen, d.h., sich in jemand anderen •

hineinversetzen. Aber: Gibt es auch schon im Kleinkindalter Fähigkeiten, die dafür sprechen, dass Kinder sich in andere hineinversetzen können?

- Ja - sie sogenannten „Vorläuferfähigkeiten“. Diese sind allerdings noch dem impliziten Verständnis zuzuordnen (d.h. nicht verbalisierbar, sondern erfolgen automatisch)

Übersicht:

12 Monate

-

18 Monate 18 – 24 Monate

-

36 Monate Ca. 4 Jahre

-

Joint Attention (Folgen von präverbalen Gesten) Verständnis der Zielgerichtetheit menschlicher Handlungen (Greifen (schon mit 6 Monaten), sowie Zeigen & Blickgesten) Verstehen divergenter Wünsche Verständnis von Intentionen Verständnis des Selbst (Selbsterkennen im Spiegel) Symbolspiel (zunehmende Fähigkeit, zwischen realen und fiktiven Welten zu unterscheiden und je nach Kontext in beiden kompetent zu agieren) Lügen Verstehen divergenter Überzeugungen (Theory of Mind) Verstehen falscher Überzeugungen („false-belief-task“)

Wie entwickeln sich diese Vorläuferfähigkeiten?

• Grundsätzlich unterschiedliche Positionen zur Frage einer kontinuierlichen Entwicklung, aber zunehmende Evidenz aus Längsschnittuntersuchungen.

• Es können bereits in der frühen Kindheit Vorläuferfähigkeiten festgestellt werden, die einen Zusammenhang mit späteren ToM Fähigkeiten aufweisen.

1.) Joint Attention: (9-12 Monate) „geteilte Aufmerksamkeit“

• Verstehen, dass der eigene Aufmerksamkeitsfokus mit dem •



einer anderen Person übereinstimmen kann, oder nicht. (etwas ansehen = Aufmerksamkeit darauf richten) Das Kind ist in der Lage, „präverbalen“ Gesten der Mutter (Zeigen und Blickrichtung) zu einem Objekt zu folgen und seine Aufmerksamkeit zwischen Mutter und Objekt hin- und herzuwechseln. das führt dazu, dass Elternteil & Baby ein Ding in der sie umgebenen Umwelt gemeinsam betrachten und darauf reagieren können.

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

1. Bild: Der Blickrichtung des anderen folgen 2. + 3. Bild: die Aufmerksamkeit des anderen lenken (Objekte reichen, Zeigegeste) 2.) Verständnis von Zielgerichtetheit menschlicher Handlungen: (Woodward, 1998)

• Kinder können das Ziel einer Handlung verstehen und Enkodieren • Woodward, 1998: Greifen/Zeigen auf Ball - Position mit Teddy vertauschen → Kind versteht, dass Hand nach Ball greifen wollte.

• Siehe Seite 66

3.) Verständnis divergenter Wünsche: (Repacholi & Gopnik, 1997) „Early reasoning about desires“

• Probanden: 14 und 18 Monate alte Kinder. • Ablauf: Versuchsleiter zeugt großes Interesse an Brokkoli, während das Kind selbst Interesse an Keksen hat. Versuchsleiter kostete aus beiden Schüsseln und zeigte Ekel bei den Keksen und Gefallen beim Brokkoli. → Kind soll Versuchsleiter einen der Teller reichen.

Ergebnis:

• 14 Monate alte Kinder reichen den Teller mit Keksen.

• 18 Monate alte Kinder reichen den Teller mit Brokkoli.

• Fazit: 18 Monate alte Kinder verstehen

divergente Wünsche - also Wünsche, die andere äußern, aber nicht mit den eigenen Wünschen übereinstimmen. Sie verstanden, dass der Versuchsleiter einen anderen Wunsch hatte als sie selbst.

- Matchgruppe, um zu überprüfen, ob die -

Kinder egoistisch sind, also immer nur das Essen geben, das sie selbst nicht mögen. Video aus Vorlesung: Schwierigere Version für ältere Kinder (24 Monate) → Versuchsleiter probiert nicht von dem Essen.

4.) Verständnis von Intentionen: (Meltzoff, 1995)

• hier insbesondere das Verständnis menschlicher Handlungen als soziale Handlung im Vergleich zu physikalischen Ereignissen.

• Intention = Verständnis, dass die bestimmte Handlung ausgeführt wird, um ein Ziel zu erreichen.

• Kinder verstehen die Intention einer Handlung, auch wenn diese nicht ausgeführt wurde/werden konnte.

• Meltzoff, 1995: Kinder imitieren das Auseinanderbauen der Hantel, auch wenn der Erwachsene „gescheitert“ ist und die Handlung nicht fertiggeführt hat.

• Siehe Seite 78

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

5.) Verständnis des Selbst: (Selbsterkennen im Spiegel ab 18-24 Monaten)

• „Rouge-Test“ = Eine typische Form des „Spiegel-Tests“ ist das Aufmalen einer Farbmarkierung an einer Stelle, die der Proband ohne Hilfsmittel nicht wahrnehmen kann (Markierungstest). Um Kinder zu testen, wird beispielsweise Rouge in deren Gesichts aufgebracht (Rouge-Test). Anschließend wird beobachtet, ob der Proband beim Betrachten des eigenen Spiegelbildes eine Reaktion zeigt, die darauf schließen lässt, dass der Fleck am eigenen Körper vorhanden ist. Eine solche Reaktion kann z.B. sein, dass er versucht, den Fleck wegzuwischen.

- Kinder bekommen eine Farbmarkierung auf die Stirn/Nase gemalt. - versuchen sie die Markierung z.B. wegzuwischen, sieht man dies als Zeichen dafür, dass Kinder verstehen, dass sie selbst im Spiegel zu sehen sind.

Entwicklungsphasen:

• mit 6-12 Monaten wird das Spiegelbild als •



Spielgefährte angesehen → Kinder reagieren mit Lächeln, Vokalisieren. mit 13-18 Monaten ziehen sich die meisten Kinder vom Spiegel zurück. häufiges Verhalten → suche nach dem Bild (hinter dem Spiegel); zeigen zum Teil Ansätze von Verlegenheit. mit 20-24 Monaten erkennen sich dann fast alle Kinder selbst im Spiegel.

➡ Fazit: Kinder mit 18-24 Monaten erkennen sich selbst im Spiegel, haben also ein Verständnis für das „Ich“/„Selbst“ 6.) „Als-Ob-Spiel“: (Symbolspiel, „pretend play“) 18 Monate

• Unterscheidung zwischen Realität und Vorstellung.

• Fantasie-Handlungen, bei denen Kinder oft neue Symbolbeziehungen erschaffen (z.B. Verwendung eines Besens als Pferd oder einer Banane als Telefonhörer) → Ab 18 Monaten möglich.

- Zeichen für die Entwicklung von mentalen Repräsentationen

- Wird dann zunehmend komplexer

(„Kaffee-trinken-Ritual“), Rollenspiele mit anderen Personen.

Funktion des „Als-Ob-Spiels“:

• Piaget: Spielverhalten von Vorschulkindern bringt Egozentrismus zum Ausdruck; spiegelt nur den Entwicklungsstand wider, fördert ihn jedoch nicht.

• Lew S. Wygotski: „Als-Ob-Spiel“ versetzt Kinder in die Lage, auf fortgeschrittenere Weise zu

denken und zu handeln als zuvor und fördert damit die kognitiven und sozialen Fähigkeiten des Kindes.

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

• Positive Korrelation der Zeit, die Kinder mit dem „Als-Ob-Spiel“ verbringen (mit 33 Monaten) mit • •

dem Verstehen von Emotionen im Alter von 40 Monaten (Youngblade & Dunn, 1995) Ebenso positiver Zusammenhang mit Sprachentwicklung und Kreativität im Vorschulalter (Fisher, 1992) Bei Autisten: Kein Symbolspiel → Autisten haben generell Defizite in der ToM ➥ Fördert die kognitiven und sozialen Fähigkeiten

Zu Lew S. Wygotski:

• russischer Psychologe (1896-1934) • Grundidee: höhere geistige Funktionen werden durch funktionale Verbindungen zwischen verschiedenen niederen geistigen Funktionen realisiert. → diese Verbindungen entstehen in einem kulturellen Kontext, nämlich der Kommunikation mit anderen Menschen.

➡ Kind als soziales Wesen, geformt durch seinen kulturellen Kontext, den es auch selbst wiederum mitgestaltet. („Zone of proximal development“) 7.) Lüge und Täuschung: (ab ca. 36 Monaten möglich) 1.) kompetitive Spielsituation: (Sodian, 1994)

• Mogeln in Spielsituationen oder der Einsatz von „Sabotagestrategien“ erfolgt erst im Alter von 4 Jahren.

• 3 Jährige informieren ihren Spielgegner wahrheitsgetreu, auch wenn ihnen eine Täuschungsstrategie sehr nahe gelegt wird.

2.) Lewis et al. (1989):

• Bereits 3 Jährige Kinder lügen und können dabei ihre Emotionen kontrollieren. • Allerdings nur bei unmittelbar verhaltensbezogenen Lügen (z.B. Vertuschung von

Regelverstößen - Lügentyp, der Kindern aus alltäglicher Erfahrung am ehesten vertraut ist)

Lewis, Stanger & Sullivan (1989):

• Hinter dem Rücken der Kinder (3 Jahre) wird ein Zoo aufgebaut. Die Kinder dürfen beim Aufbau •

nicht zusehen. Der Versuchsleiter verlässt zwischenzeitlich den Raum. Ergebnis: Die Mehrheit der Kinder schaut dennoch, streitet jedoch danach ab, hingesehen zu haben.

Chandler, Fritz & Hala (1989): „Schatzsuche“

• Auch jüngeren Kindern gelingt es, eine falsche Fährte zu legen um den „Gegner“ zu täuschen. • Wenn sie aber gefragt werden, was ihr Gegner wohl denkt, gelingt es ihnen wiederum nicht, seine Überzeugung richtig einzuschätzen.

Fazit:

• 3 Jährige können Lügen, wenn die Lüge direkt einem Verhalten folgt (z.B. bei Regelverstoß) • 4 Jährige können auch dann Lügen, wenn die Lüge einem zukünftigen Effekt dient (kein mit der Lüge verbundenes vorausgehendes Verhalten).

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Entwicklungspsychologie

Skript 2015/16

Maximilian Bungart

e.) Erklärungsansätze:

• Kinder haben „intuitive Theorien“ für bestimmte Domänen: Physik, Psychologie und Biologie (Warum bewegt sich eine Kugel, ein Fisch, ein Mensch?)

• Kohärente, konsistente und partiell abstrakte Wissenssysteme mit zum Teil spezifischen Prinzipien.

• Theorien dienen der Interpretation von Phänomenen. • Es gibt 3 theoretische Ansätze zur Entwicklung der „Theory of Mind“ 1.) Theorie Theorie: (Gopnik & Wellman, 1994)

• zur Erklärung und Vorhersage eigener und fremder Handlungen ziehen wir ebenfalls so eine intuitive heran; Erfahrung spielt essentielle Rolle.

- Intuitive Theorie (da mentale Zustände nicht beobachtbar sind), mit Erfahrung ausgereifter. • konstruktivistisches Stufenmodell. • Entwicklungsschritte im begrifflichen Verständnis des mentalen Bereichs: 1. desire psychology: (2 Jahre)

- Wissen des Kindes Über die Welt (z.B. Objektpermanenz) - Zuschreibung von Wünschen („Er mag Kekse“) 2. desire-belief psychology: (3 Jahre)

- Zuschreibung von Wünschen und wahren Überzeugungen (Überzeugungen = Realität) - Wünsche vorrangig zum Erklären/Vorhersehen von Handlungen/Verhalten („Warum sucht er seinen Hund?“ - „Weil er ihn bei sich haben möchte“. oder „Weil er glaubt, er sei ihm weggelaufen.“)

3. Belief-desire psychology: (4 Jahre)

- Verständnis falscher Überzeugungen (repräsentatives Verständnis des mentalen Bereichs)

- Überzeugungen können wahr oder falsch sein, Überzeugungen vorrangig („Er wird im

grünen Schrank suchen, weil er nicht w...


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