Fall 2 Fahrzeug umlackieren öffentliches Recht III PDF

Title Fall 2 Fahrzeug umlackieren öffentliches Recht III
Course Öffentliches Recht
Institution Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Fall 2 Fahrzeug umlackieren öffentliches Recht III...


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AG Öffentliches Recht III – Allgemeines Verwaltungsrecht

WS 2018/2019 Fall 2

Fall 2 Vertreter H aus der nordrhein-westfälischen kreisfreien Stadt D ist bei der Politur-GmbH in D beschäftigt. Vor einem Jahr stellte ihm sein Chef O, der Geschäftsführer der Politur-GmbH ist, einen mittelblauen VW Passat, der im Eigentum des O steht, als Firmenwagen zur Verfügung. Auf der Autobahn hält H nur ungern die Richtgeschwindigkeit ein. Er wird aber dazu gezwungen, da ihm die anderen Verkehrsteilnehmer selten die linke Fahrbahn freigeben. Eines Tages fällt H auf, dass die Farbe seines Wagens dem neuen, bundeseinheitlichen Polizeiblau gleicht. Nach Zustimmung des O, der auch die Kosten übernimmt, lässt H folgende Arbeiten am Fahrzeug ausführen: die Kotflügel werden weiß lackiert, an der Front einige Hupen, auf dem Dach eine Antenne angebracht und auf Haube und Türen erhält der Wagen in weißer Farbe die Aufschrift „Politur“. Von nun an verkürzen sich die Fahrzeiten für H, da ihm häufig auf den Straßen Platz gemacht wird. Die Freude des H ist aber nur von kurzer Dauer, denn bei einem Banküberfall in D halten die herbeigerufenen Polizisten den zufällig vor der Bank parkenden Wagen des H für ein Fahrzeug ihrer Kollegen und sichern lediglich den Hintereingang der Bank ab, während der Bankräuber unbehelligt durch den Vordereingang verschwindet. Daraufhin erlässt der zuständige Oberbürgermeister der Stadt D nach vorheriger Anhörung des H schriftlich eine Ordnungsverfügung auf Grundlage von § 14 Abs. 1 OBG NRW, in der dem H aufgegeben wird, das Fahrzeug rot umzulackieren, damit die Gefahr der Verwechselung mit Polizeifahrzeugen nicht mehr besteht. Der Oberbürgermeister war dabei aufgrund der Gefahr für die öffentliche Sicherheit fest davon überzeugt, zum Einschreiten verpflichtet zu sein. Er hatte dabei auch bewusst den H und nicht den O in Anspruch genommen, da er den ihm bekannten O nicht verärgern wollte. Die Farbe Rot hatte der Oberbürgermeister gewählt, weil es sich um seine Lieblingsfarbe handelt. H ist erbost. Die Anordnung sei rechtswidrig, weil nicht er, sondern sein Chef O für die Umlackierung in Anspruch zu nehmen sei. Des Weiteren sei die Anordnung an H, den Wagen umzulackieren, rechtswidrig, da H selbst weder mit Farbe und Pinsel, noch mit einer Spritzpistole umgehen könnte. H sei zudem gar nicht berechtigt, das im Eigentum des O stehende Fahrzeug umzulackieren. H sträubt sich auch gegen die Farbe Rot. Diese entspreche gerade überhaupt nicht seinem Farbengeschmack. H will gegen die Ordnungsverfügung vorgehen und wendet sich frist- und formgerecht an das zuständige VG.

Hat die Klage des H Aussicht auf Erfolg?

Bearbeitervermerk: Es ist davon auszugehen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit iSd OBG NRW bestand. Auf die §§ 17, 18 OBG NRW wird hingewiesen. Auf alle im Sachverhalt angesprochenen Probleme des Falles ist – ggf. hilfsgutachterlich – einzugehen.

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Fall 2 – Lösungsvorschlag Die Klage hat Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist. A. Zulässigkeit I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben ist und die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (abdrängende Sonderzuweisung). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt jedenfalls vor, wenn die streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist. Eine Norm ist öffentlich-rechtlich, wenn sie ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt in dessen Funktion als Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet (modifizierte Subjektstheorie). Vorliegend wird die Ordnungsverfügung ausdrücklich auf die ordnungsbehördliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt. Diese Vorschrift ermächtigt oder verpflichtet ausschließlich einen Hoheitsträger, namentlich die Ordnungsbehörde, sodass es sich um eine öffentlich-rechtliche Norm handelt. Damit liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Des Weiteren müsste die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art sein. Eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art liegt vor, wenn sich keine Verfassungsorgane oder deren Teile um Rechte aus der Verfassung streiten (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit). Bei den vorliegenden Parteien handelt es sich weder um Verfassungsorgane, noch streiten diese um Verfassungsrecht, sodass es sich vorliegend auch um eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Schließlich ist keine abdrängende Sonderzuweisung ersichtlich. Daher ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. II. Statthafte Rechtsschutzform Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, vgl. § 88 VwGO. H wendet sich gegen die Ordnungsverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt D und begehrt deren Aufhebung. Hierfür kommt eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO in Betracht. Diese ist statthaft, wenn es sich bei der Ordnungsverfügung um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG handelt. Die Ordnungsverfügung ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde i.S.d. § 1 Abs. 2 VwVfG NRW zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung und stellt folglich einen Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG dar. Damit ist die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die statthafte Klageart.

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III. Klagebefugnis H müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO auch klagebefugt sein. Danach müsste H geltend machen, durch den Verwaltungsakt in seinen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Dafür müsste die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des H möglich, d.h. nicht von vornherein ausgeschlossen sein (sog. Möglichkeitstheorie). Nach der sog. Adressatentheorie wird der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes jedenfalls in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG berührt. H wird als Adressat der Ordnungsverfügung die Pflicht aufgegeben, das Auto rot umzulackieren, sodass H damit das Auto nicht wie bisher nutzen kann. Damit handelt es sich bei der Ordnungsverfügung um einen belastenden Verwaltungsakt, sodass eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG des H (als Adressaten) nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. H ist somit klagebefugt. IV. Vorverfahren Gemäß § 68 Abs. 1 VwGO ist grundsätzlich vor der Erhebung der Anfechtungsklage ein Vorverfahren durchzuführen. Vorliegend hat H jedoch keinen Widerspruch erhoben. Ein solcher könnte jedoch entbehrlich sein. Ein Widerspruch ist gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 Var. 1 VwGO entbehrlich, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Nach § 68 Abs. 1 S. 2 Var. 1 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 S. 1 JustG NRW ist die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich. V. Klagefrist H hat die Klage laut Sachverhalt fristgerecht erhoben. (Die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO wurde eingehalten.) VI. Richtiger Klagegegner Richtiger Klagegegner ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Rechtsträger der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (sog. Rechtsträgerprinzip). Vorliegend hat der Oberbürgermeister als Ordnungsbehörde die Ordnungsverfügung erlassen. Richtiger Klagegegner ist damit die Stadt D. VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit A ist als natürliche Person gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligtenfähig und nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. §§ 2, 104 ff. BGB prozessfähig. Die Stadt D ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO als juristische Person beteiligtenfähig und nach § 62 Abs. 3 VwGO1 i.V.m. §§ 63 Abs. 1 S. 1, 40 Abs. 2 S. 3 GO NRW, vertreten durch den Oberbürgermeister, prozessfähig.

1 Unter den Begriff der

Vereinigungen in Abs. 3 fallen auch juristische Personen ( Kopp/Schenke, § 62 Rn. 14).

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VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis Gesichtspunkte, die gegen das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses sprechen, sind nicht ersichtlich. IX. Zwischenergebnis Die Klage ist zulässig. B. Begründetheit Die Klage müsste auch begründet sein. Die Anfechtungsklage ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begründet, soweit der VA rechtswidrig ist und der Kläger H dadurch in seinen Rechten verletzt ist. I. Rechtswidrigkeit des VA Fraglich ist, ob die Verfügung des Oberbürgermeisters gegenüber H, den Wagen rot umzulackieren, rechtswidrig ist. Sie ist insgesamt rechtmäßig, wenn sie auf einer Ermächtigungsgrundlage beruht und formell sowie materiell rechtmäßig ist.

1. Ermächtigungsgrundlage Aufgrund des aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Vorbehalts des Gesetzes bedarf es jedenfalls bei staatlichen Handlungen, die in die Rechte des Betroffenen eingreifen, einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Die Umlackierung des Wagens beschränkt wenigstens die in Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich garantierte allgemeine Handlungsfreiheit von H, sodass nach dem Vorbehalt des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung erforderlich ist. Spezialgesetzliche sowie spezielle ordnungsrechtliche Vorschriften (Standardermächtigungen gemäß § 24 OBG NRW i.V.m. PolG NRW) sind als Ermächtigungsgrundlage nicht einschlägig. In Betracht kommt demnach ein Rückgriff auf die ordnungsbehördliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW. Danach kann die Ordnungsbehörde „die notwendigen Maßnahmen“ treffen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Hiervon ist auch die Anweisung zur Umlackierung des Wagens erfasst. Ermächtigungsgrundlage für das Handeln des Oberbürgermeisters ist demnach § 14 Abs. 1 OBG NRW.

2. Formelle Rechtmäßigkeit Die Anweisung zur Umlackierung des Wagens müsste formell rechtmäßig sein. Das ist der Fall, wenn die zuständige Behörde gehandelt hat und die einschlägigen Verfahrens- und Formvorschriften beachtet wurden. 4

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a) Zuständigkeit Der Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt D war laut Sachverhalt für den Erlass der Verfügung zuständig. b) Verfahren Eine möglicherweise nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erforderliche Anhörung ist laut Sachverhalt erfolgt. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen wurden demnach eingehalten. c) Form Die Verfügung muss weiterhin den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechen. Grundsätzlich kann ein Verwaltungsakt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG NRW formfrei ergehen. Abweichend von § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG NRW ist eine ordnungsbehördliche Anordnung nach § 20 Abs. 1 S. 1 OBG NRW in Schriftform zu erlassen. Die Verfügung des Oberbürgermeisters an H erfolgte schriftlich, sodass dem Formerfordernis des § 20 Abs. 1 S. 1 OBG NRW entsprochen wurde. Mangels anderer Angaben ist davon auszugehen, dass eine Begründung gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW ebenfalls ordnungsgemäß erfolgt ist. d) Zwischenergebnis Der Oberbürgermeister hat als zuständige Behörde verfahrens- und formgerecht gehandelt. Die Anweisung zur Umlackierung des Wagens ist damit formell rechtmäßig. 3. Materielle Rechtmäßigkeit Weiterhin müsste die Anweisung zur Umlackierung des Wagens materiell rechtmäßig sein. Das ist der Fall, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen und die Behörde eine von der Rechtsfolge gedeckte Maßnahme getroffen hat. Die Behörde stützt ihr Handeln hier auf § 14 Abs. 1 OBG NRW. Die Anweisung zur Umlackierung des Wagens müsste als Rechtsfolge auch von dieser Norm abgedeckt sein. § 14 Abs. 1 OBG NRW ermächtigt die Ordnungsbehörden „die notwendigen Maßnahmen“ zu treffen. Darunter kann auch die Umlackierung eines Wagens fallen, womit die richtige Ermächtigungsgrundlage gewählt wurde. a) Tatbestand aa) Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage Für die materielle Rechtmäßigkeit ist zunächst erforderlich, dass die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage gegeben sind. § 14 Abs. 1 OBG NRW erfordert das Vorliegen einer (konkreten) Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. 5

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Laut Bearbeitervermerk ist von einer (konkreten) Gefahr für die öffentliche Sicherheit auszugehen. Hinweis: Ob hier ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder die öffentliche Ordnung betroffen ist und für dieses eine konkrete Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne vorlag, bedürfte im konkreten Fall tatsächlich eines höheren Begründungsaufwands. Dies sind allerdings Spezialfragen, die das Polizei- und Ordnungsrecht betreffen, und hier nicht Gegenstand sein sollen.

bb) Zwischenergebnis Es liegt eine (konkrete) Gefahr für die öffentliche Sicherheit iSd § 14 Abs. 1 OBG NRW vor. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind somit erfüllt. cc) Adressat der Maßnahme Die Anweisung zur Umlackierung des Wagens müsste sich zudem gegen ordnungsrechtlich verantwortliche Personen richten. Die Anweisung richtet sich an H. (1) Handlungsstörer gem. § 17 Abs. 1 OBG NRW H könnte gemäß § 17 Abs. 1 OBG NRW als sog. Handlungsstörer in Anspruch genommen werden. Nach § 17 Abs. 1 OBG NRW ist polizeirechtlich verantwortlich, wer eine Gefahr durch eine eigene Handlung oder ein pflichtwidriges Unterlassen unmittelbar verursacht. Unmittelbar verursachend ist ein Verhalten, das in einer Ursachenkette als letzte Teilursache die Gefahrenschwelle überschreitet. H nimmt mit dem weiß-blau lackierten und mit den genannten Applikationen versehenen Wagen am Straßenverkehr teil. Diese Teilnahme am Straßenverkehr ist unmittelbar kausal für die Gefahr. Insofern ist H als Handlungsstörer i.S.d. § 17 Abs. 1 OBG NRW zu qualifizieren. (2) Zustandsstörer gem. § 18 Abs. 2 OBG NRW H könnte zudem Zustandsstörer gemäß § 18 OBG NRW sein. Zustandsstörer ist, wer kraft Eigentümerstellung (§ 18 Abs. 1 OBG NRW) oder tatsächlicher Sachherrschaft (§ 18 Abs. 2 OBG NRW) eine Gefahrenquelle unmittelbar beherrscht. Die Gefahr geht hier unmittelbar von dem weiß-blau lackierten und mit den genannten Applikationen versehenen Wagen aus. Dieser ist – im Falle des Aufenthaltes im öffentlichen Straßenraum – die Gefahrenquelle. Zwar steht der Wagen nicht im Eigentum des H, sondern des O. Gleichwohl wurde der Wagen dem H von O als Firmenwagen zur Verfügung gestellt, sodass H die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug ausübt. Eine Verantwortlichkeit des H als Zustandsstörer ergibt sich damit aus § 18 Abs. 2 OBG NRW.

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(3) Zwischenergebnis H ist als Handlungs- und Zustandsstörer ordnungsrechtlich verantwortlich und damit tauglicher Adressat der Anweisung zur Umlackierung des Wagens. dd) Zwischenergebnis Eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt vor. H kann als Handlungs- und als Zustandsstörer gemäß §§ 17, 18 OBG NRW zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. b) Rechtsfolge Die Behörde müsste auch die richtige Rechtsfolge gewählt haben. § 14 Abs. 1 OBG NRW räumt der Polizei auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensentscheidung ein („können“). Die Prüfung des Verwaltungsgerichts beschränkt sich dabei auf das Vorliegen von Ermessensfehlern, § 114 S. 1 VwGO. Ermessensausübung und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind im Ordnungsrecht zusätzlich einfachrechtlich normiert in den §§ 15, 16 OBG NRW. Die Ermessensentscheidung muss gemäß § 16 OBG NRW pflichtgemäß unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, vgl. § 15 OBG NRW, d.h. ermessensfehlerfrei ausgeübt worden sein. Sie bezieht sich auf die Frage, „ob“ die Ordnungsbehörde einschreitet (Entschließungsermessen), „gegen wen“ sie einschreitet (Störerauswahlermessen) und „wie“ sie gegen den Adressaten der Maßnahme vorgeht (Handlungsermessen). aa) Entschließungsermessen Der Oberbürgermeister müsste auf der Ebene des Entschließungsermessens sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt haben. Die Entscheidung des Oberbürgermeisters einzuschreiten, könnte einen Ermessensnichtgebrauch darstellen. Ermessensnichtgebrauch liegt vor, wenn die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen keinen Gebrauch macht, etwa aus Nachlässigkeit oder weil sie irrtümlich annimmt, sie sei kraft zwingenden Rechts zum (Nicht-)Handeln verpflichtet. § 14 Abs. 1 OBG NRW räumt der Behörde ein Ermessen ein. Der Oberbürgermeister war allerdings fest davon überzeugt, aufgrund des Vorliegens der Gefahr für die öffentliche Sicherheit zum Einschreiten verpflichtet zu sein. Somit liegt ein Ermessensnichtgebrauch vor. Die Ordnungsverfügung ist insofern bereits ermessensfehlerhaft. bb) Störerauswahlermessen Der Oberbürgermeister könnte ferner sein Störerauswahlermessen ermessensfehlerhaft ausgeübt haben. Als weiterer ordnungsrechtlich Verantwortlicher könnte der O in Betracht kommen. Dieser ist Eigentümer des Wagens und damit der Gefahrenquelle, sodass O ebenfalls Zustandsstörer (§ 18 Abs. 1 OBG NRW) ist. Er käme damit ebenfalls als Adressat der Maßnahme in Betracht, 7

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sodass der Oberbürgermeister sein Ermessen hinsichtlich der Frage, welchen in Frage kommenden Störer er zur Gefahrenabwehr in Anspruch nimmt, fehlerfrei ausgeübt haben müsste. Hinweis: Das Störerauswahlermessen setzt das Vorhandensein von mehreren Adressaten voraus. Daher ist das Störerauswahlermessen immer wie folgt zu prüfen. 1. Gibt es andere Störer/mögl. Adressaten? ( Störereigenschaft der anderen mögl. Adressaten)  Gibt es keine anderen Störer, gibt es auch kein Auswahlermessen. 2. Ermessensfehler bei der Auswahl zwischen den Störern? Dabei ist das Störerauswahlermessen nicht aufgrund einer zu beachtenden Rangfolge der Störer (abgesehen von der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 OBG NRW vorgesehenen Nachrangigkeit des Nichtstörers) eingeschränkt. Vielmehr hat sich die Ordnungsbehörde bei der Störerauswahl allein an Effektivitätsgesichtspunkten zu orientieren. Hinsichtlich der Auswahl des Störers könnte hier ein Fehler bei der Ermessensausübung in Form des Ermessensfehlgebrauchs liegen. Dieser liegt vor, wenn die Behörde das Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage ausübt. Der Oberbürgermeister lässt sich bei der Störerauswahl von seiner persönlichen Wertschätzung für O leiten. Dies stellt ein sachfremdes, nicht dem Zweck der Gefahrenabwehr zugewandtes Kriterium dar. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor. Die Ordnungsverfügung ist insofern ebenso ermessensfehlerhaft. cc) Handlungsermessen Weiterhin könnte auch das Handlungsermessen vom Oberbürgermeister pflichtwidrig ausgeübt worden sein. (1) Ermessensfehlgebrauch In Betracht kommt zunächst ein Ermessensfehlgebrauch. Dieser liegt vor, wenn die Behörde das Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage ausübt. Der Oberbürgermeister gibt dem H auf, den Wagen in die Farbe Rot umzulackieren. Für die Farbe Rot entscheidet er sich, weil es sich dabei um seine (des Oberbürgermeisters) Lieblingsfarbe handelt. Dieses Entscheidungskriterium stellt ein sachfremdes, nicht dem Zweck der Gefahrenabwehr zugewandtes Kriterium dar. Damit liegt auch auf der Ebene des Handlungsermessens ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Ordnungsverfügung ist auch insofern ermessensfehlerhaft. (2) Ermessensüberschreitung Darin, dass der Oberbürgermeister den H angewiesen hat, den Wagen rot umzulackieren, könnte zudem eine Ermessensüberschreitung zu sehen sein. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, 8

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wenn die Behörde bei der Anordnung einer Maßnahme die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht einhält. Gesetzliche Grenzen ergeben sich aus der Verfassung und einfachen Gesetzen. Die Verfügung des Oberbürgermeisters könnte gegen den verfassungsrechtlich verankerten und im allgemeinen Ordnungsrecht einfachgesetzlich ge...


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