Geschichte von Kindheit, Jugend und Familie in der Moderne PDF

Title Geschichte von Kindheit, Jugend und Familie in der Moderne
Course Erziehungswissenschaft
Institution Universität Hildesheim
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Mitschrift Vorlesung von Baader...


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SOMMERSEMESTER 2019: GESCHICHTE VON KINDHEIT, JUGEND UND FAMILIE IN DER MODERNE VORLESUNG VOM 17.04.19 - DEFINITIONEN

Definition von Kindheit: • Kindheit ist eine Lebensphase, deren Länge kulturell und sozial definiert ist • Konzepte einer Lebensphase verstanden, die gesellschaftliche Strukturierungen, Interaktionen und Aushandlungsprozessen unterliegen und unmittelbar mit der Herstellung generationaler Ordnung verbunden sind • Kindheit ist ein durch „Praktiken, Diskurse, Strukturen und kulturelle Muster“ hervorgebrachtes Phänomen, in dem sich das aktuelle Leben derjenigen Menschen herstellt, die jeweils im Kindesalter sind • Kindheit als Lebensphase und als soziales und kulturelles Phänomen • Wichtig zwischen Kindern und Kindheit zu differenzieren: • Kinder als Menschen, die im Kindesalter sind, Repräsentanten von Kindheit • Kindheit ist ein relationales Konstrukt - steht immer im Verhältnis zu anderen Lebensaltern • Kindheit als eine Phase im Lebenslauf, die sich historisch wandeln • Generationale Ordnungen • Enge Verknüpfung von generationalen Ordnungen und Geschlechterordnungen: • Zuständigkeit der Geschlechter für den Erziehungsprozess • Unterschiedliche Konzepte der Erziehung für die Geschlechter • Unterschiedlich farbige Babykleidung (rosa und blau) • Kindheit heute: ➡ Kindheit wird kürzer und Jugend verlängert sich • BRD: bis 14 Jahre (rechtliche Perspektive) • International: bis 18 Jahre ( UN-Kinderrechtskonvention) • partielle Religionsmündigkeit. Strafmündigkeit, Schutzalter, aktives und passives Wahlrecht • Rechtsfähig, unmündig, partiell mündig, minderjährig, volljährig

Definition von Jugend • 14-17 Jahre (Jugendliche) • 18-20 Jahre (für Heranwachsende) 1

• Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsenenstatus • Konstrukt und relational • Konzepte einer Lebensphase, die gesellschaftlichen Strukturierungen, Interaktionen und Aushandlungsprozessen unterliegen und unmittelbar mit der Herstellung „generationaler Ordnungen“ verbunden sind • Mit Bewältigung bestimmter Lebensaufgaben verbunden • Stark über Entwicklungsaufgaben definiert • Man Kann nicht mehr genau sagen, ab wann Jugend beginnt oder endet (seit 1970er Jahre Entstrukturierung und Entgrenzung • Junge Erwachsene: zwischen 18 und 30 Jahren, bis 25 SGB II • Jugendstrafrecht, Sonderstrafrecht für Personen, die sich zum Zeitpunkt ihrer Straftat im Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenstatus befinden

Jugend als Moratorium • Moratorium meint etwas aufschieben • Eine Aufschubsperiode, die jemandem zugebilligt wird, der noch nicht bereit ist, Verpflichtung zu übernehmen • „Aufschub“ erwachsener Verpflichtungen und Bindungen • Lebensphase die mit Konflikten verbunden ist, in Hinsicht von Rechten und Pflichten • Irritierendes Alter, psychische Probleme • Hängt zusammen mit Ausbildungssituation, also verlängerten Ausbildungszeiten (Schule, Uni)

Definition von Familie • Charakteristische Merkmale von Familie, die für alle Kulturen und Zeiten gültig sind, sind (von Nave-Herz): • Biologisch-soziale Doppelnatur 1.

Reproduktionsfunktion: Familie sorgt sich um den Einzelnen und zieht ihn auf. Reproduziert sich. 2

2.

Sozialisationsfunktion: Erzieht

• Zeichnet sich durch Kooperations- und Solidaritätsmerkmale aus, sowie durch Rollenstrukturen und Rollenerwartungen, diese sind Kultur abhängig • Generationsdifferenzierung: es zählen zwei Generationen dazu Doing-Family Ansatz • Blickt auf die Praktiken der Herstellung von Familie Mythos der Familie • Harmoniemythos • Zusammenarbeit • Größe • Gefühlsgemeinschaft Mythos und Mythen • Erzählungen und Narrative, die eine bestimmte Funktion haben • Dienen der kulturellen Orientierung • Sollen nicht hinterfragt werden • Wahrheit höherer Ordnung, die einen normativen Anspruch stellt und Formative Kraft besitzt

Definition von Generation • Pädagogischer Generationenbegriff: • „Was will denn eigentlich die ältere Generation mit der Jüngeren“ • Warum erziehen ältere Menschen jüngere, welche Absichten verfolgen sie dabei? • Orientierung an der Idee des Guten und an der Weiterentwicklung der Menschheit • Soziologischer Generationenbegriff: • Karl Mannheim (1920er Jahre) • Problem der Generationen (1928): 3

• Prägung von politischen Orientierungen und gesellschaftlichen Haltungen im Alter von 17 bis 25 Jahren (Formative Phase) • Zentrale Begriffe nach Karl Mannheim: • Generationenlagerung - Lagerung der ähnlichen Geburtenjahrgänge Bsp.: alle die um 2000 geboren sind • Generationenzusammenhang - alle die etwas ähnliches (einschneidendes) erlebt haben, verbindet das Bsp.: 9/11, Mauerfall • Generationeneinheit - Menschen aus Generationenzusammenhang haben auch ähnliche Orientierungen Bsp.: politische bei 9/11, Mauerfall

Generationale Ordnung und Generationenverhältnisse • Generation, generationale Ordnung und Generationenverhältnisse sind zentrale Begriffe der Pädagogik • Generationale Ordnung ist wesentliches Element der Sozialstruktur von Gesellschaft • Kindheit als generationales Konzept, Praktiken des generationalen Ordnens ➡ Beispiel: Mutter sagt zu Tochter wir gehen in die Frauenumkleide, Mädchen sagt ich bin aber keine Frau, ich bin ein Mädchen. (Praktik des generationalen Ordnens) • Erziehung und Pädagogik als Ordnung des Generationenverhältnisses • Machtverhältnisse sind eingeschrieben, Generationenkonflikte • Abhängigkeit und Macht im Generationenverhältnis - voll Rechte erst ab bestimmten Alter • Beispiele für die Konstruktion von Generationen: Generation Praktikum, Digital Natives, Millenials, Generation Beziehungsunfähigkeit… 4

➡ Wir leben aktuell in einer Phase der verlängerten Unreife. Jugend wird vergöttert, Alter verteufelt

Geschlecht / Gender als soziales Konstrukt • Sex / Gender Differenz (biologisches und soziales Geschlecht) • Enge Verbindung von Generations- und Geschlechterverhältnissen • Unterschiedliche Ansätze: • Geschlecht als Markierung • Geschlecht wird durch performative Praktiken und deren Wiederholung hervorgebracht • Geschlecht als relationale Kategorie und soziales Konstrukt • Geschlechterordnungen und Geschlechterverhältnisse • Männlichkeitstheorie • Intersektionalität: Verhältnis verschiedener Differenzkategorien und deren Durchkreuzungen (Klasse, Geschlecht, Ethnie, Religion, Kinder/Erwachsene) • Geschlecht als Strukturkategorie: durchzieht die gesellschaftlichen Institutionen und auch das Erziehungs- und Bildungssystem ➡ Geschlecht als gesellschaftliche Strukturkategorie, die alle gesellschaftlichen Bereiche durchzieht und sich mit anderen Differenzkategorien kreuzt (Intersektionalität)

Moderne in westlichen Gesellschaften • Moderne bildet sich in westlichen Gesellschaften mit dem 17. / 18. Jahrhundert heraus • Industrialisierung (ab 1750) • Nationalstaatenbildung (Deutschland 1871) • Wichtiges Ereignis: Französische Revolution (1789): Freiheit / Gleichheit / Brüderlichkeit Allgemeine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte • Die Idee der Menschenrechte wird entfaltet und gewinnt an Bedeutung in Philosophie und Politik (z.B. Rousseau), Zeitalter der Aufklärung Charakteristika der Moderne • Aufstieg der Bedeutung von Wissenschaft und Technik (Zeitalter der Aufklärung) • Infragestellung der Bedeutung von Religionen als zentrales Welterklärungsmodell, aber Religion verschwindet nicht • Industrialisierung, Technisierung, Bedeutung der Wissenschaft 5

• Doppelte Hermeneutik - Wissenschaft interpretiert ständig die Gesellschaft, Menschen interpretieren diese Ergebnisse, was sich wiederum auf die Wissenschaft auswirkt. • Liquide oder flüchtige Moderne • „Multiple Modernen“, „Modernities“ statt eine Moderne - unterschiedliche Modernen in verschiedenen Gesellschaften • Komplexität • „Risikogesellschaft“ • Seit den 1980er Jahren: Diskussion um Postmoderne

Muster moderner Kindheit • Kinder sind in die komplexen Prozesse der Moderne eingebunden, sind Teil dieser Prozesse • Muster moderner Kindheit: • Schutz- und Schonraum (Moratorium, De-kommodifizierung) • Familiarisierung: Zentraler Ort zum Aufwachsen des Kindes ist die Familie • Institutionalisierte Altersdifferenz • Scholarisierung: Schulpflicht • Moderne Kindheit ist an Prozesse der Herausbildung des modernen Wohlfahrtsstaates gebunden

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24.04.2019 - DIE HERAUSBILDUNG DER BÜRGERLICHEN KERNFAMILIE IM 18. JAHRHUNDERT

Die Bürgerliche Kernfamilie • Entstehung in der Sattelzeit der Moderne 1750-1850 ( Sattelzeit = alles was die Moderne in der heutigen Gesellschaft prägt, hat seinen Ursprung in dieser Zeit) • = Vater, Mutter, Kind(er) • Bildet sich im Bürgertum heraus, vor allem ins neue Familienmodell • Übergang vom „ganzen Haus“ zur Kernfamilie im Bürgertum Ende des 18. Jahrhunderts (ca. 1770) • „Ganzes Haus“ = Produktionseinheit, alle die unter einem Dach leben und Dinge für das Leben produzieren (z.B. auch Mägde und Knechte) • In anderen Schichten (Handwerker, Bauern) werden ältere Familienformen weiter gelebt und praktiziert • Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert (ab 1850) setzte sich die bürgerliche Kernfamilie zunehmend in anderen Schichten durch • Das Leitbild eilte der Realisierung voraus

Merkmale des neuen bürgerlichen Familienmodells in Deutschland um 1850 (im Biedermeier) • Familie wandelt sich von der Produktionsgemeinschaft zur Konsumtionsgemeinschaft (entlastet von Erwerb und Subsitenz) • Familie wird zum Ort der (sozialen) Reproduktion • Ehe wird auf Liebe gegründet • Emotionalisieren der Beziehungen untereinander: persönlich/intim, nicht mehr die Arbeitsbeziehung steht im Vordergrund, sondern die emotionale Beziehung • Im Vordergrund steht die Eltern-Kind-Figuration (=Familie) • Räumliche Abgrenzung von Dienstboten und anderen Mitarbeitenden • Kernpunkt: Frauen und Kinder werden von Erwerbsarbeit freigestellt, Trennung von Familie und Erwerbsleben • Familie wird zum Ort der Privatheit • Kindheit entsteht als eigene Lebensphase • Räumliche Trennung von Kindern im Haus (Kinderzimmer, Kinderspielzeug, Kinderwelten) Vorher fand alles in einem Raum statt, alle haben in einem Raum geschlafen, gegessen, gespielt 7

Charakteristika der bürgerlichen Kernfamilie • Trennung von Produktion und Reproduktion - Familie wird von der Erwerbswirtschaft entlastet (Ausgrenzung Kinder und Frauen von Erwerbsarbeit), sie wurde zur Konsumtionsgesellschaft • Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit • Familie als Ort der (sozialen) Reproduktion - organisiert sich um die Eltern-Kind-Figuration • Emotionalisierung - Beziehungen werden emotionaler und intimer • Gegensatz zur Industrialisierung und Technisierung - Welt der Rationalität und einer sich etablierenden Leistungsgesellschaft in einer (noch stark) hierarchisch-ständischen Gesellschaft • Familie als idealer Ort von Privatheit, Menschlichkeit, Regeneration, der Wiederherstellung von Ganzheit (Erholung, Rückzugsort) • Kindheit entstand als von der Erwachsenenwelt getrennte Lebensphase (Spiegelt sich in der Architektur des bürgerlichen Hauses wieder (Raumtrennung Dienstboten/Familie und Kinderzimmer etc.) • Der Kindererziehung wurde eine große Bedeutung beigemessen (wurde als neue und wichtige Aufgabe der Frau und Mutter bestimmt) • Enger Zusammenhand mit der sozialen Stellung des Bürgertum, seiner Haltung gegenüber der ständischen Gesellschaft und den Erfordernissen einer etablierenden Leistungsgesellschaft Höhepunkte des Familienideals • Im Biedermeier • In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg

Geschlechtscharakterentwürfe und veränderte Ehe- und Lebensauffassung im 18. Jahrhundert Gelten Gleichheit und Menschenrechte auch für Frauen? • (tödliche) Auseinandersetzungen 8

• Ausschluss wird mit Natur begründet • Gleichheit und Ungleichheit wird mit Natur begründet • Art. 1 der Menschen- und Bürgerrechte: die Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren (Paris 1789) • Konzept der „natürlichen Bestimmung als Gattin, Mutter, Hausfrau“ (Campe 1789) • Frauen errichten die Tätigkeit aus Liebe (Reproduktion = keine Arbeit) • Natürlicher Liebestrieb der Frau bringt sie dazu, sich dem Mann untertan zu machen • Kant: Metaphysik der Sitten (1796): Begründung, warum Frau ein citoyen sein: keine Selbstständigkeit der Existenz, Abhängigkeit vom Mann: Gleichheit von „Weib und Kind“ • Frauen als „Wächterinnen der Sitten“ im Staat (Rousseau), Tugend der bürgerlichen Frauen: Familie, Kindererziehung (Abgrenzung vom Adel in dem die Kinder an Ammen gegeben wurden) Charakterentwürfe Männer vs. Frauen • Polare Geschlechtscharakterentwürfe charakterisieren die bürgerliche Geschlechterordnung • Aktiv vs. Passiv • Rational vs. Emotional • Innen vs. Außen • Langfristige Wirksamkeit dieser Geschlechterordnung und ihrer Ideale von Männlichkeit und Weiblichkeit, da über Erziehung und Sozialisation weitertransportiert • Nicht nur bezogen auf die Vorstellung vom eigenen Geschlecht, sondern auch hinsichtlich der Erwartungen an das jeweils andere Geschlecht • Aktuell: „Boys don’t cry“ (Urwin 2017) Bestimmung für

Bestimmung für

Außen

Innen

Weite

Nähe

Öffentliches Leben

Häusliches Leben

Das Bürgertum als Träger des neuen Familientypus • Stellung des Bürgertums abhängig vom gesellschaftlichen Wandel um 1800 in Deutschland • Übergang von ständischen Gesellschaft zu einer auf (männlicher) Rechtsgleichheit basierenden industriekapitalistischen Gesellschaft • Modernisierung durch: • Industrialisierung und Kapitalismus, veränderte Sozialschichtung 9

• Neuzeitlicher Staat • Rationalisierte Kultur

Bürgertum um 1800 • Pfarrer, Beamte des Staates, Unternehmer, Großkaufleute und Intellektuelle • Heterogenes Konglomerat „Bürgertum“ • Gemeinsamer Status im System der überlokalem ständischen Repräsentation • Städter • Nicht adelig, nicht dem (katholischen) Klerus angehörig, keine Unterschicht und keine Bauern • Bürgertum als vergesellschaftlichte Mittelschicht • Kanon gemeinsamer Werte

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08.05.19 - ENTDECKUNG DER KINDHEIT IM 18. JAHRHUNDERT?

These von der Entdeckung der Kindheit im 18. Jahrhundert • Strukturmerkmale der neuen Familie bezogen auf die Kindheit • Kinder und Frauen sind nicht erwerbstätig • Mutter-Kind-Konstellation im Zentrum • Kindheit wird als Zeit des lernen und der Entwicklung verstanden • Kindheit wird Schulkindheit • Räumliche Trennung zwischen Erwachsenen und Kindern ➡ These geht vor allem auf den Historiker Phillipe Ariés zurück (Vertreter der Mentalitätsgeschichte) • Hauptthese: Das Mittelalter (Vormoderne) kannte keine Kindheit • Es wurde nicht zwischen Erwachsenen und Kindern unterschieden • In der Vormoderne gab es z.B. keine Unterscheidung zwischen Kinderkleidung und Kleidung der Erwachsenen • Tod von Kindern hatte keine große Bedeutung • Kindheit als Hervorbringung des 17. / 18. Jahrhunderts, also der Moderne • Hauptthese von Ariés, dass es im Mittelalter keine Kindheit gab wurde revidiert • Auch das Mittelalter hat zwischen Kindern und Erwachsenen unterschieden • Kinder wurden ab 7 jähren volljährig • Zwar waren Kinder früher volljährig, aber das berechtigt nicht zur Annahme, dass nicht unterschieden wurde zwischen Kindern und Erwachsenen • Kirche hat ab 1200 unterschieden • Wenig Quellen über das Leben von Kindern • Leben von religiösen Praktiken durchzogen

➡ Was bleibt von Ariés? • Kindheit ist nicht zu allen historischen Zeiten gleich, Kindheit ist ein soziales Konstrukt 11

• Wird jeweils sozial im Kontext der „sozialen Konstruktion von Wirklichkeit“ hervorgebracht • Es differenzieren sich in der Moderne unterschiedliche Lebensbereiche und Sphären von Erwachsenen und Kindern heraus, während im Mittelalter Kinder an den Spähern und Lebenswelten der Erwachsenen partizipierten • Im unterschied zu differenzierten Altersgrenzen. Altersdifferenzierungen heute • Ganze Haus

Statt Entdeckung der Kindheit: neue Strukturmerkmale von Kindheit • Kindheit wird nicht neu entdeckt, aber sie wandelte sich und zeichnete sich von nun an durch drei Merkmale aus: 1. Kinder sollen nicht erwerbstätig sein 2. Kindheit wird als zeit des Lernens und der Entwicklung betrachtet 3. Kindheit wird zur Schulkindheit, Kinder sollen über einen gewissen Zeitraum in die Schule gehen (erstmalige Erwähnung einer „Allgemeinen Schulpflicht“ 1717 im Preußischen Landrecht) • Im 18 Jahrhundert beginnt die Herausbildung eines spezifischen „Musters moderner Kindheit“ • Sattelzeit trifft auch auf Kindheit zu (also das, was Kindheit heute prägt, hat seinen Ursprung in der Moderne) • Kindheit als Moratorium, das die Gesellschaft zur Verfügung stellt • Kindheit als Zeit des Lernens

Schulpflicht • 1717 - als allgemeine Unterrichtspflicht (nicht Schulpflicht wie heute) in Preußen eingeführt • Kinder sollen im Alter von 5-13 Jahren eine Zeit in die Schule gehen 12

• Niedrige Schulwesen: stark konfessionell geprägt, vor allem im ländlichen Raum und für die untere Schicht sollte das niedrige Schulwesen eingegliedert werden, dies wurde jedoch nicht kontrolliert • Bürgertum ließ Kinder privat unterrichten (private Lehrer, private Erzieher) • 1794 - Der Staat übernimmt die Verantwortung für das Schulwesen in Preußen (nicht mehr die Kirche) • Anfang der Entwicklung eines zunehmenden flächendeckenden Schulwesens: Merkmal des europäischen Weges in die Moderne (Schulwesen wird flächendeckend ausgebaut auch auf Land etc.)

Differenzierung zwischen Unterrichtspflicht und Schulpflicht • Schulpflicht: ist die gesetzliche Pflicht, die Schule zu besuchen, der Verstoß wird sanktioniert (erst ab 1918 tägliche Schulpflicht in Deutschland) • Unterrichtspflicht: Kinder müssen unterrichtet werden (kann z.B. auch zuhause geschehen), die Unterrichtspflicht gibt es heutzutage zum Beispiel in Frankreich

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Rousseaus Erziehungsroman „Emile“ oder Über die Erziehung (1762) • Rousseau (1712-1778) - Philosoph, Schriftsteller, Vordenker der Aufklärung und Menschenrechte • Vorwort • Einer Mutter gewidmet • Zielt auf „Die Kunst der Menschenbildung“ • Erziehung muss zur Kunst werden • „Man kennt die Kindheit nicht“ (Emile) • Kindheit als unbekannte Lebensphase • Hohe Lobpreisung von Mutterschaft (Ideal der Ehefrau, Hausfrau und Mutter) • Unterschiedliche Erziehung von Jungen und Mädchen • Erziehungsroman in 5 Büchern, aber auch ein Ratgeber • Emile ist ein Meilenstein im Nachdenken über die Kindheit

Das 18. Jahrhundert als das „Pädagogische Jahrhundert“ • Herausbildung einer neuen Gesellschaftsschicht, die das Leistungsprinzip als wichtiges Prinzip identifiziert (in Abgrenzung zur Herkunft) und für die Bildung ein hoher Wert ist • Einführung der bedingten Schulpflicht (Unterrichtspflicht) • Schulformen sind stark ständisch strukturiert • Identifikation von Kindheit als Zeit des Lernens • Herausbildung der Schule ist ein wichtiger Einschnitt • Breite Diskussionen um die Bedeutung von Bildung und Erziehung • In Verbindung mit der Aufklärung: • „Alles was der Mensch ist, ist er durch Erziehung“ (Kant) • „Was uns bei der Geburt fehlt und was wir als Erwachsene brauchen, das gibt uns die Erziehung“ (Emile) ➡ Enger Zusammenhang zwischen dem Selbstverständnis des Bürgertums, seinem Wertekanon (Wertemessstab), der Bedeutung von Bildung und der neuen Sicht auf das Kind • „Contract social“ (1762), Gesellschaftsvertrag - Was hält eine Gesellschaft zusammen?

Entdeckung der Kindheit? ➡ Herausbildung der spezifischen Merkmale moderner Kindheit 14

• Freistellung von der Erwerbsarbeit • Zeit des Lernens und der Entwicklung • Schulkindheit • Räumliche Trennung von erwachsenen und kindlichen Welten • Emotionalisierung von Familie, der Mutter-Kind-Beziehung und der Kindheit • 2 Wichtige Bücher • Aires - Geschichte der Kindheit (dt. 1975) • Rousseau - Emile oder über die Erziehung (1762)

Jungen werden zur Freiheit erzogen, Mädchen zur List -> „Durch die Blume“

Zusammenfassung: Die bürgerliche Kindheit • Familienkindheit • Schulkindheit, Kindheit als Zeit des Lernens und der Entwicklung • Kindheit als Moratorium

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• Bedeutung der Lebensphase Kindheit gerät in den Fokus „Man kennt die Kindheit nicht“ (Rousseau), Aufforderung ...


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