Magdolna Orosz, Identität, Differenz, Ambivalenz: Erzählstrukturen und Erzählstrategien bei E. T. A. Hoffmann. 2001 PDF

Title Magdolna Orosz, Identität, Differenz, Ambivalenz: Erzählstrukturen und Erzählstrategien bei E. T. A. Hoffmann. 2001
Author Teresa Vinardell
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Magdolna Orosz, Identität, Differenz, Ambivalenz: Erzählstrukturen und Erzählstrategien bei E.T.A. Hoffmann. (Budapester Studien zur Literaturwissenschaft 1) Peter Lang, Frankfurt/M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2001. 237 S., € 35,30. Die Autorin des vorliegenden Bandes setzt sic...


Description

Magdolna Orosz, Identität, Differenz, Ambivalenz: Erzählstrukturen und Erzählstrategien bei E.T.A. Hoffmann. (Budapester Studien zur Literaturwissenschaft 1) Peter Lang, Frankfurt/M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2001. 237 S., € 35,30. Die Autorin des vorliegenden Bandes setzt sich eine systematische Darstellung der Hoffmannschen Textstrukturen zum Ziel. Die beschriebenen Strukturen sollen dabei zum einen in Zusammenhang mit bestimmten Epochenphänomenen gesehen werden und zum anderen die Modernität beziehungsweise Postmodernität avant la lettre des Hoffmannschen Werks aufzeigen. Im Anfangskapitel, das die für die sogenannte Goethezeit typische Problematik des Individuums und seiner Beziehungen zur Umwelt treffend umreißt, wird die symptomatische Ambivalenz hervorgehoben, mit der man um

1800

die

Mehrschichtigkeit

der

menschlichen

Psyche

thematisierte. Diese Ambivalenz besteht nach Orosz darin, “daß gewisse Phänomene zwar latent bekannt, aber nicht angenommen, sondern – um im Stil der späteren Psychoanalyse zu sprechen – verdrängt” würden (S. 16). Besonders die phantastische Literatur, der die Mehrheit der Hoffmannschen Werke angehöre, signalisiere “Unbehagen

und

Ungenügen

an

bestimmten

ideologisch-

philosophischen Voraussetzungen der aufklärerischen [...] Tradition” (S. 17). Zugleich ermögliche sie die Diskussion verdrängter Inhalte und verleihe der ihr zeitgenössischen Diskursvielfalt Ausdruck. Orosz verfolgt zunächst im ästhetisch-literarhistorischen Denken der Goethezeit, inwieweit bestimmte Dichotomien (zum Beispiel zwischen Alten und Neuen bei Goethe, naiver und sentimentalischer Dichtung bei Schiller, Schönem und Interessantem bei Friedrich Schlegel) die mehrdeutige Gleichzeitigkeit von Identität und Differenz doch auch durchscheinen lassen, was bei Schlegel offensichtlich der Fall ist, postuliert er doch ein über die Opposition beider Begriffe hinausgehendes Übergangsverhältnis. Ferner kämen ästhetische Fragestellungen bei den Romantikern immer wieder auf die sprachliche Bedingtheit menschlicher Erkenntnis und demzufolge

auf den grundsätzlich vermittelten und vermittelnden Charakter von Kunst überhaupt zu sprechen, weshalb die Abgeschlossenheit und Abgrenzbarkeit

von

literarischen

Texten

und

Kunstwerken

schlechthin zu hinterfragen sei. Hoffmanns nicht-mimetische Kunstauffassung wolle sowohl mechanische Nachahmung des Realen wie völligen Verlust aller Wirklichkeitsbezüge möglichst vermeiden, was in seinem Werk zu einer fast programmatischen concordia discors führe. Ambivalenz als textstrukturierendes Verfahren ─ so die These der Budapester Germanistin ─ finde sich also bei Hoffmann sowohl auf der Ebene der Geschichte als auch auf der des Erzählens. Orosz umschreibt den Begriff “Ambivalenz” als “gleichzeitige[s]

Bestehen

von

einander

widersprechenden

Interpretationsmöglichkeiten bestimmter Elemente der erzählten möglichen Welt(en)” (S. 55), ohne daß jemals eine einzige Interpretation weder bei den Figuren noch beim Erzähler ─ und demzufolge auch nicht beim Leser ─ endgültig dominiere. Bei Hoffmann sei dies ohnehin schon durch seine Themenwahl und die Beschaffenheit seines Textuniversums bedingt. Als wichtigste Themenkreise des Autors nennt Orosz Magnetismus, Doppelgängerund Künstlertum (mit dem Wahnsinn als dessen Variante). Alle drei würden die rationale Beherrschung der menschlichen Psyche und folglich auch deren homogenen Charakter problematisieren, was im Text sowohl durch Handlung und Figuren, als auch durch Erzählrahmen und Erzählerdiskurs mehr oder weniger explizit gemacht werde. Vielschichtigkeit sei generell die Haupteigenschaft von Hoffmanns “Textwelt”. Ihre verschiedenen Teile ließen sich durch “voneinander abweichende, sogar einander entgegengesetzte Aussagen”

(S.98)

Wahrnehmung

der

charakterisieren, komplexen

die

eine

Wirklichkeit

schwankende bei

einigen

Handlungsfiguren zur Ursache hätten. Ferner gebe es auch in der Gesamtkonstellation Gestalten, die durch ihre Doppelexistenz als ‘Generatoren’ von Ambivalenz fungieren. Orosz hält Hoffmans sogenannte Märchen für überaus geeignete Beispiele, die allgemeine Grundstruktur seines Werks zu beschreiben. Sie tut es, indem sie die

Beziehungen einzelner Welten zueinander im Goldnen Topf analysiert. Dass eine nicht gerade leserfreundliche Formalisierung1 diese im übrigen genaue und gut lesbare Analyse schrittweise begleiten soll, scheint jedoch fragwürdig. Im letzten Kapitel zeigt Orosz,

wie

Ambivalenz

ebenfalls

mittels

Einbettungen,

Rahmenkonstruktionen, Textsortenmischung und Ablösung des auktorialen durch einen personalen Erzähler geschaffen wird. Besondere Aufmerksamkeit erhält ferner sowohl die fremd- wie die selbstreferierende Intertextualität ─ zu Recht, denn sie prägt Hoffmanns Kompositionstechnik auf entscheidende Weise und macht zugleich deren Modernität aus. Seine selbstreflexiven Texte würden Metafiktionales spiegeln und insbesondere auf das von den Frühromantikern betonte Problem der eigenen Originalität und Beziehung zur Tradition verweisen. Erwartungsgemäß geht die Autorin auf die Frage der (Un)Möglichkeit zusammenhängenden Erzählens im Kater Murr ein. Hoffmanns diesbezügliche Skepsis ließe sich unter anderem aus Murrs “unwillkürlicher” Parodie auf Goethes Dichtung und Wahrheit beziehungsweise den parodierten Regeln der Kriminalgeschichte im Kreisler-Teil herauslesen. Erfreulich ist, dass Orosz in ihrer Analyse auch andere Texte heranzieht, wie Die Königsbraut, Die Brautwahl und vor allem Die Vision auf dem Schlachtfelde bei Dresden, von der sie eine überzeugende Interpretation als Kontrafaktur des Goldnen Topfes bietet. Abschließend werden noch Bildbezüge in Hoffmanns narrativem Diskurs als Quelle von Ambivalenz untersucht, die durch “die Integration ikonischer Zeichen in eine Kette in erster Linie nicht ikonischer Zeichen” (S. 214) zustande komme. Um die Spezifik dieser Integration zu unterstreichen, hätte man vielleicht auch Hoffmanns Handhabung musikalischer Bezüge berücksichtigen können. Universitat Pompeu Fabra Facultat d’Humanitats 1

Als Beispiel genüge die Formel “Ropp(Wb’ Wwb) bzw. Ropp(Wwb’ Wb)” (S.101).

Teresa Vinardell

Carrer Ramon Trias Fargas 25-27 E-08005 BARCELONA [email protected]...


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