Nötigung (§ 240) - Prüfungsschema und umfassendes Skript PDF

Title Nötigung (§ 240) - Prüfungsschema und umfassendes Skript
Course Strafrecht IV, Besonderer Teil des Strafrechts II
Institution Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Prüfungsschema und umfassendes Skript...


Description

§ 240 StGB - Nötigung Prüfungsschema A. Tatbestandsmäßigkeit I. Objektiver Tatbestand 1. Nötigungsmittel a. Gewalt jede körperliche Tätigkeit, durch die körperlich wirkender Zwang ausgeübt wird, um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden

Entwicklung des Gewaltbegriffes Gewaltbegriff

Definition das Ausüben von Zwang durch körperliche Kraftentfaltung auf den Körper eines anderen, um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden vis absoluta

klassischer

jede Willensbildung /-aus-

Gewaltbegriff

übung wird dem Opfer unmöglich gemacht vis compulsiva Einwirkungen auf den Körper des Opfers erzeugen psychischen Druck, der dem Opfer allerdings noch Handlungsspielraum lässt

Begründung

Entwicklung des Gewaltbegriffes Gewaltbegriff

Definition „körperliche Kraftentfaltung“

Verzicht auf

wird ersetzt durch

körperliche Kraftentfaltung

Begründung auch ein geringer körperlicher Aufwand kann die erforderliche

„Ausübung einer körperlichen

Zwangswirkung beim Opfer

Tätigkeit“

auslösen

auch psychisch vermittelter Zwang genügt, sofern das Opfer diesen als körperlichen Zwang empfindet vergeistigter

eine Tathandlung kann solche

Gewaltbegriff

Wann wird psychischer

psychischen Barrieren hervor-

(weitestgehender

Zwang als körperlich

rufen, die die gleiche Wirkung

Verzicht auf körperliche empfunden? Zwangswirkung)

wenn das Opfer dem Zwang

haben wie physisch unüberwindbare Hindernisse

gar nicht, nur mit erheblicher Kraftentfaltung oder in unzumutbarer Weise begegnen kann Korrektur des vergeistigen Gewaltbegriffs (Rückkehr zum Erfordernis der körperlichen Zwangswirkung)

rein physisch vermittelter Zwang reicht nicht mehr aus

Zwang muss körperlich wirken

die erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs verstößt gegen das Analogieverbot nach Art. 103 II GG

Sonderkonstellationen / Problemfälle

Problemfall

Erklärung / Beispiel

Handhabung keine Gewalt o. Drohung bzgl. der Anhaltenden der „ersten Reihe“: die Autofahrer unterliegen einer bloß psychischen Zwangswirkung (DilemmaSituation); eine Drohung mit einem empfindlichen Übel scheitert jedenfalls daran, dass die von den Autofahrern befürchteten Folgen durch ihr

Personenblockaden im

Personen lassen sich auf

eigenes Handeln und das

Straßenverkehr

einer Straße nieder, sodass

der Strafverfolgungsbehör-

(Zweite-Reihe-Konstellati-

der Verkehr zum Stillstand

den eingetreten wäre

on)

kommt Gewalt bzgl. der Anhaltenden der „zweiten Reihe“: die Blockierer schaffen mittels der nach § 25 I 2. Var StGB tatbestandslos (da sie nicht nötigen oder nach § 24 StGB gerechtfertigt sind) handelnden Fahrer der ersten Reihe eine unüberbrückbare physische Barriere

Problemfall

Erklärung / Beispiel

Handhabung Wann liegt Gewalt vor? wenn sich das Drängeln

Drängeln im

dichtes Auffahren und Betä-

Straßenverkehr

tigen der Lichthupe

derart auf das Nervensystem des Opfers auswirkt, dass es als körperlich empfunden wird, also physisch wahrnehmbar ist Wann liegt Gewalt vor? wenn der Abbruch der Ver-

akustische Störungen (um den Abbruch einer Veranstaltung zu bewirken)

Geschrei, Pfeifen, Absingen von Liedern

anstaltung durch Beeinträchtigungen der physischen Identität herbeigeführt wird („ohrenbetäubender Lärm“) Wann liegt Gewalt vor?

Bedrohen mit einer Schusswaffe /

wenn es zu einer körperlich

Abfeuern von Schreckschüssen

wirkenden Schreckreaktion kommt Wann liegt Gewalt vor?

Schlafende, Bewusstlose und Betrunkene

wenn (künftiger) Widerstand bereits im Vorhinein unmöglich machen

Gewalt gegen Sachen

Aushängen von Fenstern /

Wann liegt Gewalt vor?

Abdrehen der Heizung, um

wenn durch die Einwirkung

den Mieter zum Auszug zu

auf die Sache ein körperli-

bringen

cher Zwang ausgeübt wird

ODER b. Drohung mit einem empfindlichen Übel aa. Drohung das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt sich der Täter Einfluss zuschreibt und das vom Opfer ernst genommen werden soll und auch tatsächlich ernstgenommen wird Erfüllung eines Bedingungszusammenhangs der Nötigende muss das Übel so zur Disposition stellen, dass die Zufügung des Übels entfällt, wenn sich das Opfer dem Willen des Täters beugt Abgrenzung von bloßer Warnung der Täter weist auf ein künftiges Übel hin, das nicht seinem Einfluss unterliegt Dreiecksnötigung (Drohung mit einem Übel für einen Dritten) wird erfasst, sofern der Nötigungsadressat das dem (nicht nahestehenden) Dritten zugedachte Übel gleichermaßen für sich selbst als Übel empfindet Drohung mit Suizid wird als Drohung erfasst, wenn der Tod des Nötigenden ein Übel für das Opfer der Nötigung darstellt

bb.empfindliches Übel • Übel jeder Nachteil • Empfindlichkeit des Übels wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet ist, den Bedrohten zum Verlangen des Täters zu motivieren keine Empfindlichkeit des Übels wenn vom Opfer erwartet werden kann, dass es der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält

Sonderfall: Drohung mit einem Unterlassen Konstellation

tatbestandliche Drohung?

rechtswidriges Unterlassen (+)

die Ankündigung, ein rechtlich gebotenes Handeln zu unterlassen

BGH-Ansicht: Drohung (+) die Ankündigung eines Unterlassens kann ebenso effektiv sein wie die Ankündigung eines Tuns

rechtmäßiges Unterlassen die Ankündigung, ein rechtlich gebotenes Handeln zu unterlassen („Anspruch“ des Opfers auf Abwendung des Erfolges)

h.L.: differenzierend eine tatbestandliche Drohung kann nur dann angenommen werden, wenn das angedrohte Unterlassen den status quo des Opfers verschlechtert Autonomieprinzip: Drohung (-) der Täter eröffnet dem Opfer eine zusätzliche Handlungsmöglichkeit, erweitert also seinen Freiheitsbereich und nimmt ihm deshalb keine Handlungsmöglichkeit

2. Nötigungserfolg vollendete Handlung / Duldung / Unterlassung des Nötigungsopfers (Vollendung: Vornahme des / Beginn mit dem verlangten Verhalten) • Handlung positives Tun → wenn Gewalt (1. Var): „vis compulsiva“ erforderlich (da willensgetragen) • Duldung das Zwingen des Opfers, den Nötigungserfolg (nicht die Gewalt selbst) über sich ergehen zu lassen → wenn Gewalt (1. Var): „vis absoluta“ erforderlich • Unterlassung die Nichtvornahme einer möglichen Handlung → wenn Gewalt (1. Var): „vis compulsiva“ erforderlich (da willensgetragen)

3. nötigungsspezifischer Zusammenhang der Täter muss gerade mit dem eingesetzten Nötigungsmittel das angestrebte Opferverhalten in kausaler & objektiv zurechenbarer Weise herbeigeführt haben

II. Subjektiver Tatbestand Vorsatz bzgl. des Nötigungsmittels? mindestens Eventualvorsatz Vorsatz bzgl. des Nötigungserfolgs? • h.M.: dolus directus 1. Grades → Begründung: die Nötigung erfolgt i.S. zielgerichteten Handelns • a.A.: dolus eventualis → Kritik: finale Struktur des § 240 I StGB wird vernachlässigt

B. Rechtswidrigkeit I. Fehlen von Rechtfertigungsgründen liegt jedenfalls dann unproblematisch vor, wenn keine Anhaltspunkte für Rechtfertigungsgründe gegeben sind

II. Verwerflichkeit der Nötigung (Abs. 2) → Rechtswidrigkeit wird nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert Außerverhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck (Mittel-Zweck-Relation) wenn die Verbindung von Mittel und Zweck mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar, also „sozial unerträglich“ und daher als strafwürdiges Unrecht zu bewerten ist

Woraus kann sich die Außerverhältnismäßigkeit ergeben? • Verwerflichkeit des Nötigungsmittels je massiver / intensiver das Nötigungsmittel wirkt • Verwerflichkeit des Nötigungszwecks je stärker das abgenötigte Verhalten in die Freiheit des Opfers eingreift • „Inkonnexität“ (keine innere Beziehung zwischen Mittel und Zweck) wenn der Täter zwei nicht zusammenhängende Lebensvorgänge willkürlich miteinander verknüpft → die Beachtlichkeit von Fernzielen hängt von den Umständen des Einzelfalles ab

Feststellung der Verwerflichkeit im Fall Berücksichtigung der Gesamtumstände der Tat, insbesondere aller verfolgten (Fern-)Ziele und betroffenen Rechte, Güter und Interessen nach ihrem individuellen Gewicht

C. Schuld

D. Strafzumessung (Abs. 4) besonders schwere Fälle (Regelbeispiele) • Nr. 1: Nötigung einer Schwangeren zum Schwangerschaftsabbruch • Nr. 2: Missbrauch der Befugnisse / Stellung als Amtsträger...


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