Sitzung 03-12-19 - literarisches Gespräch PDF

Title Sitzung 03-12-19 - literarisches Gespräch
Author Manuel Ortmann
Course Literaturdidaktik
Institution Universität Kassel
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Einführung in die Literaturdidaktik, WS 2019/2020, Barsch Sitzung vom 03.12.2019 Das literarische Gespräch 1. Das Heidelberger Modell Der Ansatz von Gerhard Härle und seinen Mitarbeitern knüpft an Vorschläge von Manfred Frank an, der die Kluft zwischen Hermeneutik und Dekonstruktivismus überwinden will. Grundgedanke ist dabei, das Verstehen von Texten als offenen Prozess zu sehen, der seinen Ort im Gespräch hat. Es geht also nicht um der Herausarbeitung einer Bedeutung, die im Text angelegt ist. Daher ist für Härle das Sinnverstehen eines literarisches Textes nie abgeschlossen. Für eine verstehens- und gesprächsorientierte Literaturdidaktik formulieren Härle und Steinbrenner die folgenden Postulate: 1. Gespräche bedürfen einer gedeihlichen Atmosphäre. 2. Gerade gesprächs- und literaturferne Schülerinnen und Schüler bedürfen des literarischen Gesprächs. 3. Neues und Fremdes sind notwendige Elemente des literarischen Gesprächs. 4. Das literarische Gespräch ist als literarisches und als potenziell unendliches Gespräch zu modellieren, das sich nur begrenzt methodisch inszenieren läßt. 5. Es ist wichtig zwischen Lehranteilen und Gesprächsanteilen zu unterscheiden. 6. Als „wahres Gespräch“ muß das literarische Unterrichtsgespräch auch die „wahren Bedingungen“ der Institution und der Gesellschaft einbeziehen. 7. Literatur und das literarische Gespräch verweisen auf die Rechte und den Anspruch des Individuums. (Härle/Steinbrenner 2003: 267ff.) Ziele des literarischen Gesprächs nach dem Heidelberger Modell • Sprachliches und literarisches Lernen im Gespräch •

Text und persönliche Erfahrungen in ein Wechselspiel bringen



Leseerfahrungen und Verstehensansätze in der eigenen Sprache formulieren



Den literarischen Text und seine Sprache mimetisch nachvollziehen



Die eigene Sprache an der Sprache des literarischen Textes erweitern und bilden



Sprache im Gespräch über literarische Texte thematisieren und reflektieren



Sich über unterschiedliche Lesarten verständigen



Irritation und Nicht-Verstehen artikulierten und aushalten



Gesprächskompetenzen entwickeln



An kultureller Praxis teilhaben

(Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert 2006: 229ff.)

2. Das Literaturgespräch nach Valentin Merkelbach Das literarische Gespräch versucht die u.a. von Petra Wieler eingeklagte Form kommunikativen Handelns methodisch im Unterricht einzuholen. Interpretationen, so betont Valentin Merkelbach, sind immer subjektabhängig und gewinnen Intersubjektivität erst im Gespräch. Das literarische Gespräch sollte daher verstanden werden als ein Prozess des Austauschs von Lesarten. Deren Plausibilität und Akzeptanz wird im Diskurs entwickelt. Das literarische Gespräch will also sowohl textorientiert als auch subjektorientiert sein. Es orientiert sich an Verständigung bzw. Konsens. Die Rolle der Lehrperson innerhalb eines solchen Gesprächs ist die eines Moderators, der das Gespräch eher mit Impulsen anregt als mit Fragen gängelt und darauf hinarbeitet, dass die SchülerInnen in ihren Beiträgen aufeinander eingehen. Die Lehrperson hält sich daher mit eigenen Beiträgen zurück und markiert „ExpertInnenwissen“ so, dass die SchülerInnen es von einer Interpretation unterscheiden können. Abwegige Interpretationen werden zugelassen, um den SchülerInnen die Möglichkeit zu geben, sich mit ihnen auseinander zu setzen und sie gegebenenfalls mit Argumenten zu stärken oder abzulehnen. Das Gespräch wird protokolliert, das Protokoll verabschiedet, so dass erstens die Möglichkeit besteht, das Gespräch im Nachhinein zu reflektieren, und zweitens die Chance, den Faden an bisher ungeklärten Stellen wieder aufzunehmen. Mithin dient das literarische Gespräch auch der Einübung kommunikativer Praktiken. Ein (ungeklärtes) Problem besteht in der Bewertung der Leistung von SchülerInnen innerhalb eines solchen Gesprächs. Mit den üblichen Kriterien („hat sich rege beteiligt“) ist dieses Problem nicht zu lösen. Mit der Ausrichtung auf Lesarten wird die emotionale Seite des Lesens und Verstehens ausgeblendet, die aber andererseits für die Lesemotivation wichtig ist. Literatur: Valentin Merkelbach, Das literarische Gespräch im Unterricht. In: Interpretationen und Modelle / Ossner, Rosebrock, Pieper (Hg.), Berlin: Cornelsen, 2002.

Maxime nach Kaspar H. Spinner (1987b: 186) zur Führung von Unterrichtsgesprächen 1. Maxime Gängeln Sie die Schüler nicht mit Fragen. für die eine abrufbare Antwort bereitsteht, sondern geben Sie Impulse, die die Schüler zur Entfaltung ihrer Verstehensansätze anregen! Um Problemlösungen, nicht um Fragen-Beantworten soll es gehen. 2. Maxime Gestalten Sie den Literaturunterricht so, dass ein Wechsel zwischen abstrahierenden und veranschaulichenden Verarbeitungsweisen stattfindet! Wenn Interpretation nur in verallgemeinernde Begrifflichkeit mündet, verliert der literarische Text seine ästhetische, vorstellungsaktivierende Kraft; wenn nur in Beispielen und Analogien auf Texte reagiert wird, bleibt die Interpretation in einer Aneinanderreihung kleiner, veranschaulichender Parallelerzählungen stecken. 3. Maxime Halten Sie Gesprächsergebnisse nicht zu früh an der Tafel fest! Die Schüler arbeiten sonst nicht mehr an ihrem eigenen Textverständnis, sondern suchen nur noch nach passenden Wörtern für die Tafel und reduzieren so die Komplexität der literarischen Sinnzusammenhänge auf eine Addition von Einzelmerkmalen....


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