Steuerstrafrecht Zusammenfassung PDF

Title Steuerstrafrecht Zusammenfassung
Course Steuerstrafrecht
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Zusammenfassung Steuerstrafrecht...


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Kapitel 1: 5. Das Verwendungsverbot- § 393 Abs. 2 AO

Das Steuerstrafverfahren Steuerstrafverfahren weisen eine quantitativ steigende Tendenz auf. In den Jahren 2010 und 2011 erledigten die Steuerfahndung und weitere Behörden bundesweit insgesamt 34 186 (2010) bzw. 35 595 Fälle (2011). Davon sind die meisten Verfahren Fahndungsprüfungen (ca. 78 %). 1

Im Jahr 2012 wurden von den Bußgeld- und Strafsachen stellen der Finanzämter bundesweit insgesamt 69 474 Strafverfahren abgeschlossen. Abbildung 1 stellt dar, mit welchen Ergebnissen die Strafverfahren von den Bußgeld- und Strafsachen stellen abgeschlossen wurden (Anzahl der Verfahren).

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http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2013/10/Inhalte/ Kapitel-3-Analysen/3-3-ergebnisse-der-verfolgung-vonsteuerstraftaten.html#doc309262bodyText3

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Unter den 27 263 nach § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellten Steuerstrafverfahren sind 11 802 Verfahren nach Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung mit einem hinterzogenen Betrag unter 50 000 €.2 In 89 Fällen von Selbstanzeigen mit einer Hinterziehungssumme von mehr als 50 000 € wurde gemäß § 398a AO von der Strafverfolgung abgesehen, und zwar gegen Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 5 % der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse (insgesamt circa 756 000 €) – zusätzlich zur Nachentrichtung der Steuern. Die Einstellungen der Steuerstrafverfahren bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO waren mit Geldauflagen in Höhe von insg. 44,9 Mio. € verbunden.

Von den Staatsanwaltschaften und Gerichten wurden im gleichen Zeitraum 14 640 Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Abbildung 2 zeigt, mit welchen Ergebnissen diese Strafverfahren abgeschlossen worden sind (Anzahl der Verfahren).

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Siehe Fn. 1.

Kapitel 1: 5. Das Verwendungsverbot- § 393 Abs. 2 AO

Die Einstellungen der Steuerstrafverfahren nach § 153a StPO durch die Staatsanwaltschaften und Gerichte waren mit Geldauflagen von 31 Mio. € verbunden. In neun Fällen der Selbstanzeige mit einem hinterzogenen Betrag von jeweils mehr als 50 000 € wurde gegen zusätzliche Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 167 000 € von der Strafverfolgung abgesehen (§ 398a AO).3 Im Jahr 2012 ergingen 8 179 Urteile und Strafbefehle wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Dem Strafmaß von insgesamt circa 2 340 Jahren Freiheitsstrafe und 56,5 Mio. € Geldstrafe lagen 965,6 Mio. € hinterzogene Steuern zugrunde.4

Das Steuerstrafverfahren darf nicht mit dem Steuerverfahren verwechselt werden. Ein Steuerverfahren ist das finanzrechtliche Besteuerungsverfahren, in dem sich jeder Steuerpflichtige befindet. Zuständig für das Steuerverfahren ist das jeweilige Finanzamt. Ist der Steuerzahler mit einem Steuerbescheid nicht einverstanden, kann er gegen diesen Einspruch einlegen und dann gegebenenfalls vor dem Finanzgericht klagen. Zweck des Steuerverfahrens ist die vorschriftsmäßige Erhebung von Steuern beim Steuerzahler. Im Steuerstrafverfahren geht es nicht um die Erhebung von Steuern, sondern um die Frage, ob der Steuerpflichtige wegen einem bestimmten steuerrechtlich relevanten Verhalten zu bestrafen ist. Steuerstraftaten sind beispielsweise die Steuerhinterziehung, der Bannbruch, der gewerbsmäßige Schmuggel, die Steuerhehlerei oder die gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens. Im Rahmen des Steuerstrafverfahrens sind grundsätzlich die allgemeinen Strafverfahrensvorschriften der Strafprozessordung anwendbar. Für das Steuerstrafverfahren gelten die Normen des allgemeinen Strafverfahrensrechts gem. § 385 Abs. 1 AO, aber nur, „soweit die folgenden Vorschriften nichts anderes bestimmen“. Das bedeutet, dass in Steuerstrafverfahren vorrangig die AO-Vorschriften anzuwenden sind, die in den §§ 385 bis 408 AO einige Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen 3

Fn. 1.

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Fn. 1.

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Strafverfahrensrecht aufweisen. (Die §§ 409 bis 412 AO regeln das steuerliche Bußgeldverfahren.)

1 Ablauf und Prinzipien des Strafverfahrens im Allgemeinen 1.1 Der Begriff des Strafprozesses

Der Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in dem über die Schuld oder die Unschuld eines einer Straftat Angeklagten verhandelt wird. Das Strafverfahren beschreibt demgegenüber das gesamte Verfahren gegen eine einer Straftat verdächtigen Person. Dazu gehört insbesondere auch das rechtspraktisch weitgehend von der Polizei geführte Ermittlungsverfahren. Der Begriff des Strafverfahrens ist also weiter und schließt den des Strafprozesses ein.

Das Strafverfahrensrecht regelt die Rechte und Pflichten, der an einem Strafverfahren beteiligten Personen sowie den Ablauf des Verfahrens in seinen wesentlichen Zügen. Im Zentrum des Strafverfahrensrechts stehen vor allem die Rechte und Pflichten des Beschuldigten und des Gerichts sowie des Verteidigers des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft. Neben diesen Hauptakteuren sind an einem Strafverfahren je nach Fall noch weitere Personen beteiligt. Dazu gehören neben sonstigen Gerichtsbeamten traditionell vor allem die Zeugen und Sachverständigen. Große Beachtung wurde in den letzten Jahren der Person des Opfers einer Straftat geschenkt, deren Beteiligungsrechte am Strafverfahren zunehmend ausgebaut wurden.

Die wesentlichen Stationen des Strafverfahrens sind zunächst die Einleitung des Ermittlungsverfahrens, die Hauptverhandlung in der das Urteil gefällt wird, und sich daran möglicherweise anschließende Rechtsmittelverfahren.

1.2. Der Zweck des Strafprozesses

Kapitel 1: 5. Das Verwendungsverbot- § 393 Abs. 2 AO

Das Strafverfahrensrecht ist allgemein auf die Verwirklichung des materiellen Rechts im Strafprozess ausgerichtet. Es dient der Ermittlung der Wahrheit im Rahmen eines freiheitlich geordneten Verfahrens und der Findung eines gerechten Urteils.

Mit dem Begriff der Wahrheit ist damit freilich noch keine Festlegung auf einen ganz bestimmten Wahrheitsbegriff verbunden. Angestrebt ist jedenfalls keine objektive Wahrheit um jeden Preis. Die Wahrheit, die hier gemeint ist, ist etwas Anderes: die prozessuale Wahrheit. Die prozessuale Wahrheit kann als das im Urteil als Grundlage der Strafzumessung ermittelte tatsächliche Geschehen verstanden werden.

Mit dem Stichwort des gerechten Urteils ist die zweite Determinante des Strafprozesses angesprochen: Das Urteil, der Freispruch oder andere in der Verfahrensordnung angesprochene Nebenfolgen. Daraus wird deutlich, dass der Strafprozess kein isoliertes Einzelziel verfolgt. Die Aufgaben und Zwecke des Strafprozesses sind vielmehr so vielfältig wie die Aufgaben des Strafrechts insgesamt. Das Strafverfahrensrecht bestimmt als Teil dieses gesamten Strafrechts, wie der Staat auf als strafwürdig empfundene Störungen des Rechtsfriedens reagieren soll. Das Strafrecht zielt dabei insbesondere auf

 eine Wiederherstellung des allgemeinen Rechtsfriedens,  einen Rechtsgüterschutz,  eine gerechte Vergeltung und  eine Sicherung der Gesellschaft vor gefährlichen Tätern.

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1.3. Das Verhältnis von Prozessrecht und materiellem Strafrecht

Das materielle Recht und das Prozessrecht sind bei der Erfüllung dieser Aufgaben eng miteinander verknüpft. Viele Probleme im Strafverfahrensrecht sind geradezu die Folge bestimmter Grundentscheidungen im materiellen Recht. Beispiele hierfür sind Beweisprobleme, die daraus resultieren, dass ein materiell-rechtlicher Straftatbestand, einen in der Praxis nur sehr schwer nachzuweisenden Erfolg verlangt. Bestimmte Straftatbestände - wie z. B. § 264a StGB - sind dagegen äußerst selten Grundlage von Verurteilungen, weil sie hinter speziellen Tatbeständen im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten. Praktisch sind diese Tatbestände hingegen deshalb von Bedeutung, weil sie geringere Voraussetzungen aufweisen und daher häufig den Anlass geben, ein Strafverfahren überhaupt erst einzuleiten (sog. Aufgreiftatbestände). Andere Tatbestände - wie z.B. § 129a StGB - sind so gefasst, dass sie den Ermittlungsbehörden den Zugriff auf besonderes eingriffsintensive Ermittlungsbefugnisse erlauben, mit deren Hilfe dann leichter schwerere Straftaten ermittelt werden können.

Auch wenn das Strafverfahren darauf angelegt ist, den Täter in einem fairen Strafprozess abzuurteilen, bedeutet dies also nicht, dass der Strafprozess allein auf eine Bestrafung abzielt. Das Strafprozessrecht bildet vielmehr nur den äußeren Rahmen und regelt das Verfahren, wie mit verdächtigen Personen umgegangen werden soll. Es bringt damit den in der Gesellschaft gefundenen

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Ausgleich zwischen hoheitlicher Strafgewalt und individuellen Freiheitsinteressen. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass sich das Strafverfahren im allgemeinen und im konkreten Fall nicht nur gegen schuldige Straftäter richtet, praktisch häufig werden Strafverfahren auch gegen tatsächlich unschuldige Personen, gegen Personen, denen ihre Schuld zumindest nicht nachgewiesen werden kann, oder gegen Personen, die aus verschiedensten Gründen nicht bestraft werden können, geführt. Der Staat ist während eines konkreten Strafverfahrens im Ungewissen darüber, ob die Person tatsächlich bestraft werden wird. Aus diesem Grund können Maßnahmen, die gegenüber einer Person, von der man sicher wüsste, dass sie die Tat begangen hat, angemessen wären, gegenüber einer in einem Strafverfahren beschuldigten Person unzulässig sein. Aus diesem Grund ist der Beschuldigte als Subjekt des Verfahrens zu behandeln, über dessen Rechte im Einzelfall bereits während des Ermittlungsverfahrens der Richter zu wachen hat. Gewichtige strafprozessuale Zwangsmaßnahmen stehen im gegenwärtigen Strafprozessrecht daher regelmäßig unter dem Vorbehalt einer richterlichen Anordnung. Der Richter wird in diesem Fall als sog. Ermittlungsrichter tätig.

1.4. Das Verhältnis von Strafverfahrensrecht und Verfassungsrecht

Eine nicht weniger enge Verknüpfung besteht zwischen dem Strafverfahrensrecht und dem Verfassungsrecht. Die stärksten Einflüsse üben die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte aus: Die Grundrechte determinieren gleichermaßen als Abwehrrechte und Schutzrechte Verfahrensrechte in zunehmendem Maß. Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben daher in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Einfluss auf das Strafverfahren gehabt.

Fall 1: Abhören von Mandantengesprächen (nach BVerfG NJW 2006, 2974): Es bestand der Verdacht, dass der Mandant eines Rechtsanwalts Mordaufträge erteilte, Anweisungen an die Türsteherszene gab, seine Beteiligungen an mehreren Bordellbetrieben organisierte und über die Verteilung der entnommenen Gelder bestimmte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte nun auch gegen den Anwalt wegen Verdachts der Geldwäsche und ordnete über das Amtsgericht das Abhören der Gespräche zwischen ihm und seinem Mandaten in der Justizvollzugsanstalt an. Außerdem wurden die Kanzleiräume durchsucht.

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Lösung:

Zunächst stellt das BVerfG klar, dass das Abhören von Verteidigergesprächen in Art. 12 I GG eingreift. Art. 12 I GG schützt den Rechtsanwalt auch im Interesse der Allgemeinheit vor staatlicher Kontrolle und Bevormundung sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Maßnahmen, die geeignet sind, eine effektive Verteidigung mindestens zu stören bzw. den Verteidiger daran hindern können, die Interessen des Mandanten wirksam zu vertreten, greifen in die Berufsausübung des Strafverteidigers ein. Bei Eingriffen nach § 100c I StPO werden wegen der besonderen Sorgfaltsanforderungen, die sich aus Art. 12 I GG ergeben, Verdachtsgründe verlangt, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Der Beschluss muss erkennen lassen, dass der Ermittlungsrichter die Eingriffsvoraussetzung selbstständig und eigenverantwortlich geprüft hat (BVerfG, NJW 2001, 1121). Dabei müssen die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestands benannt und subsumiert werden.

1.5. Der Ablauf des Strafverfahrens und theoretische Verfahrenssysteme Das Strafverfahren unterteilt sich in drei Stufen: Das Vorverfahren, das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren

Vorverfahren Zwischenverfahren

Anklage

Hauptverfahren

Eröffnungsbeschluss

Urteil

Die Einteilung des Strafverfahrens in die drei Verfahrensstadien findet sich in nahezu allen Prozessordnungen. In Deutschland wird der Sachverhalt zwar zunächst im Vorverfahren von der Staatsanwaltschaft ermittelt, aufgrund des Grundsatzes der Unmittelbarkeit muss der Sachverhalt in der Hauptverhandlung im Wege einer erneuten Beweisaufnahme reproduziert werden. Verantwortlich für die Beweisaufnahme ist dort der Richter, der nach

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dem Untersuchungsgrundsatz von Amts wegen alle wesentlichen Beweise erheben und so den Sachverhalt ermitteln muss.

1.6. Die wichtigsten Verfahrensgrundsätze

Der Strafprozess in seiner heutigen Form ist das Resultat einer über Jahrhunderte immer schubweise verlaufenden Entwicklung. Der heutige Strafprozess beruht daher auf einigen wesentlichen, historisch gewachsenen Strukturprinzipien. Die Wurzeln dieser Prinzipien reichen teilweise weit in die Ursprünge einer zivilisierten Gesellschaft zurück. Dies zeigt ihre besondere Bedeutung und macht sie auch in ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall schwierig: Einerseits scheinen diese Prinzipien wichtige und nahezu selbstverständliche Grundsätze zu verkörpern; andererseits kann es im konkreten Fall durchaus schwierig sein, diesen Prinzipien genaue Grenzen und Rechtsfolgen zu entnehmen.

Die wichtigsten Prozessmaximen sind:



das Offizialprinzip, § 152 I StPO,



das Legalitätsprinzip, § 152 II StPO,



der Anklagegrundsatz, § 151 StPO,



der Ermittlungsgrundsatz, § 244 II StPO,



der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, § 261 StPO,



das Mündlichkeitsprinzip, § 261 StPO,



der Grundsatz der Unmittelbarkeit, § 244 II StPO bzw. §§ 226, 250, 261 StPO,



der Grundsatz der Öffentlichkeit, §§ 169, 173 GVG,



die Unschuldsvermutung und der Grundsatz in dubio pro reo, Art. 20 III GG, Art. 6 II EMRK,



der Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 104 II GG,



der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Art. 103 I GG,

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das Verbot der Selbstbelastung, nemo tenetur se ipsum accusare, Art. 1 I i. V. m. 20 III GG,



das Verbot mehrfacher Strafverfolgung (ne bis in idem), Art. 103 II GG,



der Grundsatz des fairen Verfahrens, Art. 6 I EMRK,



das Beschleunigungsgebot, Art. 6 I EMRK.

1.6.1. Das Offizialprinzip § 152 I StPO

Das Offizialprinzip ist der Grundsatz, nach dem die Strafverfolgung durch den Staat von Amts wegen erfolgt (§ 152 I StPO). Auf den Willen von Verfahrensbeteiligten wird hierbei im Gegensatz zum Zivilprozess keine Rücksicht genommen. Im Zivilrecht hingegen wird gemäß der Dispositionsmaxime gehandelt, die besagt, dass die Einleitung, der Betrieb sowie die Beweiserbringung eines Verfahrens Sache der Parteien ist.

1.6.2. Das Legalitätsprinzip, § 152 II StPO

Das Legalitätsprinzip beinhaltet, dass die Staatsanwaltschaft beim Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte von Amts wegen verpflichtet ist, einzuschreiten. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlich angeordneten Verfolgungs- und Anklagezwang (§§ 152 II, 160 I, 163 I StPO).

1.6.3. Der Anklagegrundsatz, § 151 StPO

Das Akkusationsprinzip (lat. accusare, anklagen, und principium, Anfang), auch Anklagegrundsatz genannt, bedeutet, dass eine gerichtliche Untersuchung nicht ohne vorherige Anklage erfolgen kann („wo kein Kläger, da kein Richter”, § 151 StPO). Ermittlungen und Anklageerhebung einerseits und Aburteilung des Straftäters andererseits müssen in der Hand verschiedener Rechtspflegeorgane (Staatsanwaltschaft, Gericht) liegen. Zur Anklageerhebung, die

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Prozessvoraussetzung ist, ist gemäß § 152 Abs. 1 StPO allein die Staatsanwaltschaft berufen (Anklagemonopol). Ausnahmen bilden die Privatklage sowie die Befugnis der Finanzbehörden, ins Steuerstrafverfahren den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu stellen. Im Gegensatz zum Anklagegrundsatz steht die frühere Praxis des Inquisitionsprozesses.

1.6.4. Der Ermittlungsgrundsatz, § 244 II StPO

Dieser besagt, dass das Gericht im Hauptverfahren den Sachverhalt selbst ermittelt (selbst inquiriert), also an Anträge und Erklärungen der Prozessbeteiligten nicht gebunden ist. Nach § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (richterliche Aufklärungspflicht).

1.6.5. Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, § 261 StPO

§ 261 StPO formuliert den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, nach dem der/die RichterIn über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach freier, aus dem Inbegriff (Ablauf und Inhalt) der Verhandlung gewonnenen Überzeugung entscheidet. Dies allein ist die Grundlage der sog. forensischen (gerichtlichen) Wahrheit, die nicht mit einer absoluten oder naturwissenschaftlichen Wahrheit gleichgesetzt werden kann. Die Beweiswürdigung ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters, wobei es keine gesetzlichen Beweisregeln gibt, die vorschreiben, wie welcher Beweis zu bewerten ist. Maßgeblich und ausreichend ist eben die persönliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten. Es genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, dem gegenüber vernünftige Zweifel an der Schuld und an der Richtigkeit des zugrunde gelegten Sachverhaltes nicht mehr aufkommen dürfen.

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1.6.6. Das Mündlichkeitsprinzip, § 261 StPO

Das Mündlichkeitsprinzip ist eine der wesentlichen Strafprozessvoraussetzungen. Nach §§ 261, 264 StPO darf nur ein mündlich in der Hauptverhandlung vorgetragener und erörterter Prozessstoff zur Grundlage des Strafurteils gemacht werden. Das bedeutet, dass z. B. schriftliche Beweismittel wie Urkunden grundsätzlich verlesen werden müssen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Gericht die Urkunde selbst liest und die anderen Prozessbeteiligten Gelegenheit hatten, die Urkunde zu lesen (§ 249 Abs. 2 StPO).

1.6.7. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit, § 244 II StPO bzw. §§ 226, 250, 261 StPO

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz kommt insbesondere in den §§ 250 ff. StPO zum Ausdruck. Er besagt, dass Verhandlung und Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht stattfinden müssen und dass das Gericht alle Beweise selbst erheben muss und diese nicht durch Surrogate ersetzen darf. So sind etwa Zeugen persönlich zu vernehmen und es dürfen nicht schlichtweg die Protokolle über eine frühere Vernehmung verlesen und als Urkunde (§ 249 StPO) in den Prozess eingeführt werden. Insofern gilt ein grundsätzlicher Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis.

1.6.8. Der Grundsatz der Öffentlichkeit, §§ 169, 173 GVG

Der Öffentlichkeitsgrundsatz besagt, dass eine Gerichtsverhandlung grundsätzlich öffentlich stattzufinden hat, d.h. dass grundsätzlich auch Unbeteiligte der Verhandlung beiwohnen können. Fernseh-, Rundfunk-, Filmaufnahmen sind jedoch nicht gestattet (§ 169 Satz 2 GVG).

1.6.9. Die Unschuldsvermutung und der Grundsatz in dubio pro reo Art. 20 III GG, Art. 6 II EMRK

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