Verwaltungsprozessrecht Skript PDF

Title Verwaltungsprozessrecht Skript
Course Verwaltungsprozessrecht
Institution Universität des Saarlandes
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Vorlesungsskript zur Vorlesung Verwaltungsprozessrecht von Prof. Dr. Guckelberger ...


Description

Verwaltungsprozessrecht PW: rIchter A. Verwaltungsprozessrecht: = Ve r f ahr e ns r e c htder Verwaltungsgerichte  regelt den Entscheidungsprozess der VG vom Antrag des Bürgers bis zum Erlass der Gerichtsentscheidung = Ge r i c ht s ve r f as s ungs r e c ht , das den inneren und äußeren Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit regelt (dreistufig aufgebaut) = Kont r ol l pe r s pe kt i v eeine Verwaltungsentscheidung wird durch eine (unabhängige) externe Stelle überprüft = Ar t .19I VGG: Rechtsschutzgarantie, weshalb in Deutschland der I ndi v i dual r e c ht s s c hut zim Vordergrund steht. (eigenes subjektives öffentliches Recht) I .Hi s t or i s c heEnt wi c kl ung : Erste Hälfte des 19. Jahrhunderts: - Administrativjustiz = Rekurs im Instanzenzug der Verwaltung - Ziel: Herrscher an Gesetz Gesetz binden, konnte kein Unrecht tun § 182 Paulskirchenverfassung 1849: - „Die Verwaltungsrechts- pflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte.“ Streit, ob Kontrolle der Verwaltung durch die ordentlichen Gerichte oder spezielle Verwaltungsgerichte erfolgen soll. e.A.: Zivilgerichte: (Bürger zur Verwaltung = Rechtsverhältnis) a.A.: spezielle Verwaltungsgerichtsbarkeit: andere Bindungen der Verwaltung (GR, Gesetzmäßigkeit)  Sonderrecht; es bestehen besondere Bindungen des Staates Ab18 63: Ausbildung einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Einzelstaaten - Süds t a a t e n:n urbe is u b j e k t i v e rRe c ht s v e r l e t z un g - Pr e u ße n :g e ne r e l l eKo nt r ol l ede rGe s e t z mä ßi gk e i tohn eVe r l e t z un gs ub j e kt i v e rRe c ht e ( ob j e kt i v e sKo nt r ol l mod e l l ) - Aber: Zumeist Enumerationsprinzip, d. h. Rechtsschutz nur gegen VAe (enger Zugang) Art. 107 Weimarer Reichsverfassung „Im Reiche und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutze der Einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen.“ Aber: Keine Errichtung eines Reichsverwaltungsgerichts! Nach 1945: - Neuerrichtung der VGe (Aufgrund schlechter Vergangenheit) - Verwaltungsgerichtsbarkeit durch unabhängige Richter, Art. 92, 95, 97 GG - Art. 19 IV GG: Rechtsweggarantie = Ende Enumeration § 40 I VwGO 1952: - Gesetz über das BVerwG - (Sitz zunächst Berlin, ab 1997 Leipzig) - Prinzip des Einzelrechtes; schnelle Überlastung; modifizieren einzelner Vorgänge 1960: VwGO Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit s. die Verweisung in§ 173 S. 1 VwGO auf§ 278 Abs. 5, § 278a ZPO Güterichter bietet eigenständige Lösung an Zunehmende Beeinflussung durch inter- und supranationale Vorgaben: - Art. 6 Abs. 1 EMRK - Art. 47 GRCh

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 Recht auf ein faires Verfahren, Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde) → s. auch die Verweisung in § 173 S. 2 VwGO zur Verzögerungsrüge und zum Verzögerungsentschädigungsanspruch  Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, soweit Durchführung von Unionsrecht (s. Art. 51 I 1 GRCh), s. auch Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV EGMR: Urteil 2006 Deutschland; Rechtsbehelf gefordert, für zu langsame Gerichte - Urteil 2011 Deutschland; erneute Verurteilung II. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit § 1 VwGO: Verwaltungsgerichtbarkeit wird durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte Gerichte ausgeübt §2VwGO:Ge r i c h t eun dI ns t a nz e nd e rVe r wa l t un gs g e r i c ht s b a r k e i t BVe r wGi nLe i p z i g : - § 49 VwGO: entscheidet über Rechtsmittel (nur noch Rechtsfragen) - § 50 VwGO: erstinstanzliche Zuständigkeit OVG des Saarlandes (offizielle Bezeichnung) - § 1 AGVwGO: Sitz in Saarlouis - Sachliche Zuständigkeit: §§ 46-48 VwGO VG des Saarlandes (offizielle Bezeichnung) - § 1 AGVwGO: Sitz in Saarlouis - § 45 VwGO: Das VG entscheidet im1. Rechtszug über alle Streitigkeiten, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. (2. Datei) B. Das Widerspruchsverfahren = Verfahren vor Verwaltung Vorteile gegenüber Gerichtsschutz: - Bei ErmessensVAen wird auch die Zweckmäßigkeit überprüft - Kostengünstiger = nochmalige Überprüfung eines VA durch eine Verwaltungsbehörde BVerwG, Beschl. v. 10.05.2017 – 2 B 44/16, Rn. 7 juris: „Die Widerspruchsbehörde hat – selbst wenn sie mit der Ausgangsbehörde nicht identisch ist – gemäß § 68 Abs. 1 VwGO die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Diese Entscheidungsbefugnis ist – anders als die der Gerichte – nicht auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Die Widerspruchsbehörde ist vielmehr zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt.“

I. „Zwitterstellung“  in VwGo geregelt, das Sachentscheidungsvoraussetzung für Klage  ist Verwaltungsverfahren, s. § 79 VwVfG Problem: Gesetzgebungskompetenz Bund  Art. 74 I Nr. 1 GG Bund = faires geordnetes Verfahren

 Art. 83 GG ff.

BGH, Beschl. v. 07.10.2013 – AnwZ (Brfg) 34/13: „§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens vor der Erhebung der Klage anordnet, beruht auf der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74

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Abs. 1 Nr. 1 GG. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO enthält den Vorbehalt, dass es eines Widerspruchsverfahrens nicht bedarf, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Der Bundesgesetzgeber hat also seine Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht ausgeschöpft, sondern Raum für abweichende Regelungen durch den Landesgesetzgeber gemäß Art. 72 Abs. 1 GG gelassen. Der mögliche Ausschluss des Widerspruchsverfahrens durch den Landesgesetzgeber in anwaltsgerichtlichen Verwaltungsverfahren entspricht dem ausdrücklichen Willen des Bundesgesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 16/11385 S. 66).“ Motive für das Widerspruchsverfahren - Rechtsschutz für den Bürger - Selbstkontrolle der Verwaltung - Entlastung der Gerichte o Wenn Widerspruch Erfolg hat o Wenn kein Erfolg, gut begründet  dazu BVerwG NVwZ 2011, 501 ff. BVerwGE 150, 190, 193 f.: „Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO sind vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Damit verfolgt der Gesetzgeber mehrere Zwecke: Zum einen soll das Vorverfahren eine Selbstkontrolle der Verwaltung durch die Widerspruchsbehörde ermöglichen. Zum anderen soll es einen effektiven individuellen Rechtsschutz gewährleisten, indem es für den Rechtsuchenden eine der gerichtlichen Kontrolle vorgelagerte und gegebenenfalls erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet. Das zeigt sich insbesondere im Rahmen der Überprüfung von Ermessensentscheidungen, bei denen die Widerspruchsbehörde grundsätzlich auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts beurteilt. Schließlich soll das Vorverfahren die Gerichte entlasten und auf diese Weise gerichtliche Ressourcen schonen ("Filterwirkung"). Diese dreifache normative Zwecksetzung des Widerspruchsverfahrens ist allgemein anerkannt.“ In den einzelnen Bundesländern wird die Sinnhaftigkeit des Widerspruchsverfahrens unterschiedlich beurteilt: a) Einige Bundesländer haben das Verfahren weitgehend abgeschafft. - Beschleunigung, da die Widersprüche eine geringe Erfolgsquote versprechen - Sparerwägungen - Bsp: Widerspruchsverfahren entscheidet ein Mitarbeiter (anders im Saarland § 7 ff. AGVwGO: Rechtsausschüsse (Vorsitzender und zwei Beisitzer  mündliche Verhandlung) b) Andere Bundesländer gehen in einzelnen Bereichen von diesem Erfordernis ab. c) Bundesländer mit Optionsmodell = Bürger kann wählen, ob er erst Widerspruch einlegen oder sogleich klagen will. d) Beibehaltung der generellen Erforderlichkeit des Widerspruchsverfahrens, so das Saarland und Rheinland-Pfalz. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Widerspruchs 1. Streitigkeit, für welche der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (analog § 40 VwGO) - Öffentlich-rechtliche Streitigkeit, nicht verfassungsrechtlicher Art - Bsp: Arbeitsverfügung § 82 LBO Untere Bauaufsicht Sonderrecht  Bürger, UBA  Verwaltungsrechtsweg eröffnet 2. Statthaftigkeit des Widerspruchs - § 68 I 1 VwGO: Anfechtungsklage (bei belastenden VA) - § 68 II VwGO: Verpflichtungsklage, wenn ein VA abgelehnt wurde - § 126 II BBG, § 54 II BeamtStG: Klagen aus dem Beamtenverhältnis, auch wenn kein VA (aufdrängende Sonderzuweisung) 3. Statthaftigkeit des Widerspruchs - kein vorbeugender Widerspruch, d.h der VA muss bekanntgegeben sein

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kein Widerspruch § 68 I 2 VwGO, wenn o Gesetz dies bestimmt (NRW) (Planfestelltunsb. § 70 VwVfG) o VA von oberster Bundes/Landesbehörde (Ministerium) (besser ausgebildetet Mitarbeiter, da keine übergeordnete Behörde) o Erstmalige Beschwer durch Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid

BVerwG, NVwZ 2011, 501 ff.: „Auch im Falle einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung bleibt es bei der Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens.“ BVerwG, Urt. v. 12.08.2014 – 1 C 2/14: „Einen Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid oder auch nur die darin getroffene Kostenentscheidung sieht die VwGO nicht vor. Da das Vorverfahren weder allein öffentlichen Interessen noch allein denen des Betroffenen dient, steht die Durchführung mit Blick auf die Zulässigkeit einer beabsichtigten Klage nicht zur Disposition der Beteiligten. Wegen der Funktionentrias des Vorverfahrens sowie aus Gründen der Rechtssicherheit gilt der Grundsatz mangelnder Disponibilität der Beteiligten im Hinblick sowohl auf einen Verzicht als auch eine Wiederholung des Vorverfahrens. Zwar regelt § 68 I 2 Nr. 2 VwGO, dass es einer Nachprüfung in einem Vorverfahren nicht bedarf, wenn der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält; dazu zählt auch eine dem Widerspruchsführer nachteilige Kostenentscheidung. Wollte man aus dieser Formulierung des Gesetzes den Schluss ziehen, der Betroffene könne erneut Widerspruch erheben, bestünde insbesondere in mehrpoligen Rechtsverhältnissen mit Drittbetroffenen die Gefahr einer "Endlosschleife" sich wiederholender Widerspruchsverfahren. Mit dem Erlass des Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids ist das Verwaltungsverfahren jedoch abgeschlossen, und die Funktionen des Vorverfahrens sind erfüllt.“

Von der Rechtsprechung wurden bestimmte Gruppen entwickelt, in denen ein Widerspruch entbehrlich ist, d. h. Widerspruch kann, muss aber nicht eingelegt werden: − Ersetzung eines VA durch einen anderen VA, der im Wesentlichen dieselben Sach-/ Rechtsfragen zum Gegenstand hat. − weiterer VA, der in unmittelbarem Zusammenhang zu vorausgehendem VA steht. − Widerspruchsbehörde hat bereits ihre ablehnende Haltung geäußert. − Rügelose Einlassung des Beklagten im Verwaltungsprozess. BVerwG, Urt. v. 30.10.2013 – 2 C 23/12: „Sind die Ziele des Widerspruchsverfahrens vor der Klageerhebung schon auf andere Weise erreicht worden oder können sie nicht mehr erreicht werden, ist ein Widerspruchsverfahren sinnlos. Seine Durchführung würde einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Formalismus darstellen, der die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unnötig verzögert. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens in diesen Fällen stellt eine weitere, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Ausnahme dar, die sich aus Sinn und Zweck der §§ 68 f. VwGO ergibt. Das Widerspruchsverfahren kann seinen Zweck nicht mehr erreichen, wenn feststeht, dass der Widerspruch unabhängig von der Begründung keinen Erfolg haben würde. Im Übrigen kommt es vor allem auf den Inhalt der vorgerichtlichen Erklärungen der Beklagten an. Ergibt deren Gesamtwürdigung, dass sich die Beklagte endgültig darauf festgelegt hat, das Rechtsschutzbegehren abzulehnen, ist ein Widerspruchsverfahren sinnlos. Eine derartige Festlegung setzt voraus, dass die Beklagte zu erkennen gegeben hat, sie habe sich ihre Auffassung gebildet und gedenke daran auf jeden Fall festzuhalten. Hat der Betroffene daraufhin Klage erhoben, kann die Beklagte im Klageverfahren nicht dadurch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens erreichen, dass sie auf dessen Fehlen verweist und sich gar nicht oder nur hilfsweise zur Sache einlässt. Dadurch setzt sie sich in Widerspruch zu ihren vorgerichtlichen Erklärungen, aus denen der Kläger zu Recht den Schluss zog, ein Widerspruchsverfahren sei sinnlos.

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Hat der Betroffene Klage erhoben, ohne dass ihm die Beklagte hierzu Anlass gegeben hat, kann diese das Widerspruchsverfahren entbehrlich machen, wenn sie sich im Klageverfahren vorbehaltlos zur Sache einlässt. Dagegen bringt sie in diesen Fällen durch eine nur hilfsweise Einlassung regelmäßig zum Ausdruck, dass sie den Kläger an der Durchführung des Widerspruchsverfahrens festhalten will. Dieses Verhalten ist dann auch nicht widersprüchlich, weil sich die Beklagte vorgerichtlich gerade nicht endgültig auf die Ablehnung des Klagebegehrens festgelegt hat.“ BVerwG, NVwZ 2011, 501 ff.: „Ein Widerspruchsverfahren ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ausnahmsweise auch dann entbehrlich, wenn dessen Zweck bereits Rechnung getragen ist oder dieser ohnehin nicht mehr erreicht werden kann. Dies gilt jdf. dann, wenn die Ausgangsbehörde zugleich Widerspruchsbehörde ist und den Bescheid aufgrund einer sie bindenden Weisung der (Rechts-) Aufsichtsbehörde erlassen hat.“ Rechtsprechung: Wortlaut § 68 VwGO nicht lesen, dass Entbehrlichkeit in anderen nicht möglich sei  Sinn und Zweck des Vorverfahrens ansonsten „Formelei“ Literatur: Kritik am Wortlaut Entbehrlichkeit aus Gesetz ergeben  abschließend nicht beliebig ausweitbar Entlastungsargument: Verwaltung kann gerade nicht über Vorverfahren zu entscheiden In bestimmten Fällen Vorsicht geboten, wenn jemand vor dem VerwG ist, obwohl Vorverfahren vorgeschrieben ist 3. Widerspruchsbefugnis - Analog § 42 II VwGO - Widerspruchsverfahren muss geltend machen, durch den VA in seinen Rechten verletzt zu worden zu sein Bei ErmessensVA kann grds. auch die Zweckwidrigkeit des VA gerügt werden, sofern die Ermessensnorm die Interessen des Widerspruchsführers schützt! S. § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO „sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des VAs ... nachzuprüfen.“ 4. Beteiligtenbezogene Zulässigkeitsvoraussetzungen  siehe § 79 VwVfG iVm §§ 11 ff. VwVfG d.h. kein Rekurs auf die §§ 61 ff. VwGO, wie vielfach in Klausuren geschrieben wird!!! § 63 VwGO Kläger/Beklagter  Aber erst, wenn Klage erhoben wurde Hier: Widerspruchsverfahren, also vor der Klageerhebung  VwVfG §§ 11 ff.  Rechtsschutzgarantie Art 19 IV GGG keine überzogenen Anforderungen  keine Bezeichnung als Widerspruch erforderlich 5. Ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung BVerwG, NJW 2009, 2968: „Als Widerspruch ist jede Äußerung anzusehen, durch die der Betroffene zu erkennen gibt, er sei mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden. Auf die Bezeichnung als Widerspruch kommt es nicht an. Im Zweifel sind Erklärungen des Betroffenen so auszulegen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen.“ a) Form: schriftlich oder zur Niederschrift § 70 I VwGO P: Niederschrift bei Behörde; Telefon (-) Notwendigkeit Unterschrift  in der Regel: Identifizierungsmöglichkeit; Abgrenzung zum Entwurf Ausnahme: Art. 19 IV GG, wenn eindeutig bestimmbar ist, von wem das Schreiben stammt Fax keine Probleme; akzeptiert VG Greifswald, Urt. v. 21.04.2016 – 3 A 413/14, Rn. 14 ff. juris: „Der Widerspruch der Klägerin zu 2. ist nicht formgerecht eingelegt worden. Die Erhebung des Widerspruchs hat nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO binnen eines Monats ab Bekanntgabe des

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Verwaltungsaktes schriftlich gegenüber der erlassenden Behörde zu erfolgen. Das Schriftformerfordernis verlangt grundsätzlich, dass der Widerspruch die eigenhändige Unterschrift des Widerspruchsführers trägt. Dies dient dem Zweck, sicherzustellen, dass der Widerspruch tatsächlich mit Wissen und Wollen des Widerspruchsführers in den Verkehr gelangt ist und der Vergewisserung der Behörde, über die Identität des Widerspruchsführers und über die Frage, ob es sich bei dem sie erreichenden Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt. Eine gewöhnliche, das heißt eine nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne von § 3a Abs. 2 Satz 2 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) versehene E-Mail [...] genügt diesen Anforderungen nicht. Nicht nur, dass diese E-Mail keine eigenhändige Unterschrift der Klägerin zu 2. trägt (und auch nicht tragen kann). Es ist darüber hinaus weder für den Beklagten, noch sonst für einen Dritten ersichtlich, ob die E-Mail tatsächlich von der Klägerin zu 2. stammt und mit deren Wissen und Willen verfasst und abgesandt wurde. Abweichendes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es für die Wahrung der Schriftform genügt, „wenn zwar die Unterschrift fehlt, wenn sich aber aus dem Schriftstück in Verbindung mit den möglicherweise beigefügten Anlagen hinreichend sicher – d.h. ohne Notwendigkeit einer Klärung durch Rückfrage oder durch Beweiserhebung – ergibt, dass es von dem Widersprechenden herrührt und mit dessen Willen in den Verkehr gebracht wurde“. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin zu 2. ihren Widerspruch nicht in verkörperter Form, sondern lediglich elektronisch erhoben hat. Des Weiteren sind keinerlei Anlagen oder sonstige besondere Umstände ersichtlich, aus denen sich – ohne nachfragen zu müssen – ergibt, dass die betreffende E-Mail tatsächlich von der Klägerin zu 2. stammt. An diesem Ergebnis ändert es schließlich nichts, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine von der zuständigen Behörde über einen verspäteten Widerspruch erlassene Sachentscheidung dazu führt, dass die Klage nicht mehr wegen der Verfristung als unzulässig abgewiesen werden darf. Die danach bestehende „Heilungsmöglichkeit“ ist auf formgerecht aber verfristet eingelegte Widersprüche beschränkt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. OVG LSA, NVwZ 2016, 1032: „In Kenntnis dessen hat der Kläger gleichwohl abweichend hiervon „Widerspruch per E-Mail“ eingelegt. Dies genügt dem Schriftlichkeitserfordernis nach § 70 Abs. 1 VwGO nicht, denn diesem wird bei bestimmenden Schriftsätzen wie dem Widerspruch in der Regel nur durch eine eigenhändige Unterschrift genügt. Damit liegen auch nicht andere Unterlagen in schriftlicher Form vor, die – ausnahmsweise – die Urheberschaft und den Willen, ein Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste. Bei einer schlichten E-Mail ist die Gewähr des „richtigen Absenders“ ohnehin nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres erkennbar. BVerwG, Urt. v. 7.12.2016 – 6 C 12/15, Rn. 18 ff. juris: „Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das als Anhang einer einfachen E-Mail übersandte, seinerseits aber qualifiziert signierte Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 6. August 2013 das Frist- und Formerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO wahrt. Denn § 3a Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG hat unter den dort genannten Voraussetzungen nach dem Willen des Bundesgesetzgebers auch das in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO angeordnete Schriftformerfordernis für die elektronische Form geöffnet. Das entnimmt der Senat den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 14/9000 S. 28). Danach modifiziert § 3a Abs. 2 VwVfG bundesrechtliche Formerfordernisse und damit auch das Schriftformerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Ersetzung der durch Rechtsvorschrift angeordneten Schriftform durch ein elektronisches Dokument erfordert, dass der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat (§ 3a Abs. 1 VwVfG), nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (§ 3a Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG). Die Zugangseröffnung setzt nach § 3a Abs. 1 VwVfG voraus, dass in objektiver Hinsicht bei dem Empfänger der Übermittlung eine vorhandene technische Kommunikationseinrichtung – ein

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Zugang – gegeben ist und subjektiv der Empfänger diesen Zugang durch entsprechende Widmung ausdrücklich oder konkludent für die Übermittlung elektronischer bzw. elektronischer schriftformersetzender Dokumente eröffnet. Die Widmung ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu ermitteln (vgl. BT-Drs. 14/9000 S. 30 f.). Diese Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es ...


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