VL Da Z Sitzung 3 zu Spracherwerb, Einführung in Deutsch als Zweitsprache bei Simsek SS 2021 PDF

Title VL Da Z Sitzung 3 zu Spracherwerb, Einführung in Deutsch als Zweitsprache bei Simsek SS 2021
Course Einführung in Deutsch als Zweitsprache
Institution Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Summary

Versuch, auch die dritte Sitzung bestmöglich zusammenzufassen...


Description

Simsek, Busse Meilenstein III

Meilenstein IV

• •

Einführung in DaZ (mit philolog. Fach) • • • • •

SS 2021

Linke SK = als Finitheitsposition erkannt Subjekt-Verb-Kongruenz Ein Vorfeld entsteht Konjunktionen in linker SK, Erwerb von Nebensätzen Zusammenhang zw. den beiden Verbpositionen wird erkannt (wenn linke SK, also V2-Position „belegt“, erscheint das finite Verb im Vend)

in jeder Sprache gibt es typologisch unterschiedl. Hürden, die im Erwerb gemeistert werden müssen In ersten Entwicklungsjahren: Interaktion d. Mutter mit Kind = zentral → man geht davon aus, dass „Spracherwerb“ (durch Gewöhnung an Stimme,…) schon vor Geburt beginnt

Meilensteine – Es ist zu bedenken … • Altersangaben sind nur grobe Werte; es gibt erhebliche Schwankungen • Formelhafte Äußerungen („chunks“) können noch nicht erworbene syntaktische Komplexität „vortäuschen“ • Stadien überlappen oft für längere Zeit • Kinder entwickeln Übergangslösungen, z.B.

27.04.’21 Spracherwerb II Theorien im Zweitspracherwerb Übersicht über die theoretischen Richtungen Identitätshypothese Nativismustheorien Interlanguage-Hypothese (Interdependenzhypothese) Kognitivistische Theorien

Kontrastivhypothese Behavioristische Lerntheorien Gebrauchsbasierte Theorien Interaktionistische Theorien

Identitätshypothese (Ervin-Tripp 1966) ❖ Der Erwerb einer Zweitsprache verläuft prinzipiell isomorph (gleichstrukturiert, in gleicher Art sequenziert) wie der Erwerb einer Erstsprache • in beiden Fällen aktiviert der Lernende angeborene mentale Prozesse, durch die die zweitsprachlichen Regeln und Elemente in der gleichen Abfolge (sequenziert) erworben werden wie in der Erstsprache o L2-Erwerb greift wieder auf Strukturen (kognitive Prozesse) zu, die für die L1 bereits genutzt wurden → je früher L2-Erwerb einsetzt, desto stärker ist dieser Zugriff wirksam • Hieraus wurde abgeleitet: o Entwicklungssequenzen in der zweitsprachlichen Erwerbschronologie sind durch die Struktur der Zweitsprache (und nicht durch die der Erstsprache) gesteuert: o Fehler beim Zweitsprachenerwerb sind durch die Struktur der Zweitsprache (und nicht durch die der Erstsprache) bedingt (developmental errors) • Hypothese gehört zum Feld der nativistischen (angeborene Komp.) Sprachtheorien: o baut auf die Existenz eines sprachübergreifenden, allen Menschen eigenen Universalgrammatik, die in die Grammatik der jeweilig aktuellen Sprache übersetzt werde (Transformationsgrammatik) o Erwerb jeder Sprache verläuft zwar nicht identisch, aber isomorph (gestaltgleich) o Ein Transfer zwischen beiden Sprachen L1 und L2 findet nicht statt.

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Simsek, Busse

Einführung in DaZ (mit philolog. Fach)

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• Kritik: Der Zweitspracherwerb findet anders statt als der L1-Erwerb, z.B. durchläuft der Lernende keine Lall- und Einwortphasen, auch Folgephasen werden von der Geschwindigkeit her unterschiedlich durchlaufen

Kontrastivhypothese (nach den behavioristischen Modellen) (Lado 1957) ❖ Die Erstsprache des Lernenden beeinflusst den Erwerb einer Zweitsprache • identische Elemente & Regeln werden leicht und fehlerfrei in beiden Sprachen erlernt, untersch. Elemente & Regeln dagegen resultieren in Lernschwierigkeiten und in Fehlern „…one of the major problems in the learning of a second language is the interference caused by structural differences between the native language of the learner and the second language.“ (Ferguson 1962)

➔ d.h. die Kontrastivhypothese geht davon, dass in der Erstsprache Gewohnheiten (habits) erworben werden, die auf die Zweitsprache übertragen werden (transfer) • Positiver Transfer: o Falls beide Sprachen ähnliche oder sogar gleiche grammatische Strukturen aufweisen. führt das zu einem leichteren Erlernen der Zweitsprache. • Negativer Transfer: o bei Abweichung der Zweitsprache von den habits der Erstsprache kommt es zu Störungen (interference) beim Zweitspracherwerb → Interferenzen hemmen die Übernahme neuer Phoneme, grammatischer Regeln und neuer Wörter in den eigenen Sprachgebrauch in der Zweitsprache

Gebrauchsbasierte Theorien ❖ Lerner analysiert den aufgenommenen Input bzgl. Kontext (best. Strukturen), merkt sich Struktur selbst & ihre Anwendung & Häufigkeit → unbewusste, intuitive, aber sehr zentrale Analyse beim Spracherwerb!! → Verarbeitung dieses Inputs hängt von Struktur im Input ab, die Lerner implizit analysiert ❖ Spracherwerb = „an intuitive statistical learning problem“ (Ellis, 2008: 376) • Lerner sind sensibel für die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Form-Funktions-Muster im Input auftreten o “Of particular importance (...) are the relatively abstract utterance- level constructions that enable children, at some point, to generate an almost unlimited array of particular utterances following the same general form: for example, transitive, intransitive, ditransitive, passive, cleft, yes-no question, wh-question, identificational, attributional, caused motion, and intransitive motion constructions. But in the usage-based view of language acquisition, children do not begin with abstract constructions such as these, but rather with constructions that are concrete and item-based with only limited and local abstractions (Tomasello 1992, 2003). Thus, for example, children first acquire a number of different verb-island constructions (e.g., X hits Y, X kisses Y, X pushes Y, X pulls Y, etc.) and use these in generating utterances before these coalesce into a verbgeneral transitive construction“. (Ibbotson/Tomasello 2009: 60)

• Nach solchen Theorien kann man annehmen: • Aufbau komplexerer Strukturen der L2-Grammatik aus einfacheren Strukturen • Kriterien: a) Wahrnehmbarkeit (Salienz): eine betonte Endung ist leichter zu lernen als eine unbetonte b) Häufigkeit: der –en-Plural des Deutschen ist leichter zu erwerben als der endungslose Plural mit Umlaut c) Regelhaftigkeit: reguläres Präteritum (-te) leichter zu erwerben als irreguläres: gehe – ging

Interlanguage Hypothese • Das Sprachsystem entwickelt sich in Stufen der sog. Lernersprachen

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• Beim Erwerb einer zweiten Sprache bildet der Lerner ein spezifisches Sprachsystem (Interlanguage) heraus, • die Interlanguage hat Züge von Erst- und Zweitsprache, aber auch eigenständige, von Erstund Zweitsprache unabhängige sprachliche Merkmale (Merkmale der Interlanguages oder Lernersprachen) • Zusammenwirken versch. lernerspezifischer Strategien & Regeln bestimmt die Dynamik der Interlanguage, welche als variabel und systematisch zugleich charakterisiert wird • Übertragung aus Erstsprache/Übungstransfer (Anwendung in Übungssätzen, Mustererprobung) • Strategien des Sprachenlernens: o Regeln zur Hypothesenbildung o Kommunikationsstrategien (Verhaltensweisen, die Hilfestellung bieten, Gestik, Mimik, Themenvermeidung) o Übergeneralisierung: Übertragung korrekter Regeln auf unpassende Bereiche • Der ungesteuerte Zweitsprachenerwerb vollzieht sich im Durchlaufen von Erwerbssequenzen („Interlanguages“, „Lernersprachen“ „Phasen“), die im Idealfall zu fortschreitender sprachlicher Differenziertheit und zunehmender Sprachverstehens- und Produktionskompetenz führen • Störungen des Erwerbsprozesses können Verfestigungen (Fossilierungen) von Komponenten der Sprachbeherrschung (z. B. Aussprache, Syntax) zur Folge haben

Faktoren im Zweitspracherwerb (z.B. nach Grießhaber) Faktoren im Zweitspracherwerb betreffen ➢ Bedingungsgefüge des L2 = Input, unter welchen Vorauss. lernt man, ➢ Bedürfnisse mit ihren kommunik. Bedingungen ➢ Mentale Ressourcen = Wissen, das aus L1 mitgebracht wird ➔ alle Bereiche hängen eng zusammen • Sprachverarbeitung/kognitiv o Verarbeitung des Inputs („Intake“) • Zugang/sozial o der Input und die Bedingungen, die ihn gestalten • Antrieb/affektiv-attitudinal o Einstellungen gegenüber den Sprechern der Zweitsprache & Eigenwahrnehmung von sich o warum und inwieweit der Lerner sich die Mühe macht, eine neue Sprache zu lernen Vgl. Klein & Dimroth (2003: 141ff, Kap. 7.1.3.), Kniffka & Siebert-Ott (2007: 59)

Kommunikative Bedingungen und Bedürfnisse etwas näher betrachtet … • Faktor Motivation – affektiver Faktor, der das Sprachenlernen steuert: • setzt sich aus den Beweggründen für das Sprachenlernen zusammen, „die in der Persönlichkeit und Biographie der Lernenden, ihrer (Lern-)Umgebung und ihren Einstellungen und Orientierungen zur Zielsprache und der damit verbundenen Kultur begründet sind. • Allgemein: Regel: Lernende handeln motivierter, je wertvoller das angestrebte Ziel erscheint & je größer die Wahrscheinlichkeit ist, das Ziel zu erreichen” (Riemer in: Barkowski & Krumm 2010: 219) • Unterscheidung zwischen integrativer und instrumenteller Motivation: o “A learner is said to be integratively motivated when the learner wishes to identify with another ethnolinguistic group. ...

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o [in] instrumental motivation, the learner is motivated to learn an L2 for utilitarian purposes, such as furthering a career, improving social status or meeting an educational requirement” (Larsen-Freeman & Long 1991: 173).

❖ Integrativ = bei Identifikation des Lerners mit Sprache und Sprechen dieser in der Gruppe ❖ Instrumentell = Lerner durch best. Zwecke (z.B. Karriere) motiviert ist (ähnl. extrinsisch) • Faktor soziale Integration (des Lerners in das L2-Umfeld) o „Je weiter sich die Form des Spracherwerbs vom Erwerb der Muttersprache entfernt, um so geringer [i.S. von positiver Einflussnahme] ist allgemein die Bedeutung dieses Faktors o Für ein Kind, das zeitversetzt eine Zweitsprache lernt, spielt er sicherlich eine größere Rolle als für einen Erwachsenen, der sich z.B. als Arbeitsmigrant ungesteuert eine neue Sprache aneignen muß. Doch hängt dies wiederum stark davon ab, wie stark er die Notwendigkeit empfindet, sich sozial zu integrieren.

o geringste Rolle: Faktor ›soziale Integration‹ im akademischen Fremdsprachenunterricht, bis zum Extremfall der ›toten‹ Sprachen wie Latein oder Griechisch“ (Klein & Dimroth 2003: 145-146)

• Faktor kommunikative Bedürfnisse des Lerners o „Dieser Faktor wird leicht mit dem vorhergehenden verwechselt, mit dem er oft Hand in Hand geht. → zur sozialen Integration zählt auch die Verwirklichung best. natürlicher, komm. Bedürfnisse o Es ist aber eines, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren, und ein anderes zu verstehen, was jemand in einer bestimmten Sprache gesagt oder geschrieben hat bzw. sich darin verständlich zu machen. o Das gilt für alle möglichen Teilfertigkeiten, für die Aussprache ebenso wie für die Morphologie oder Syntax, für den Wortschatz ebenso wie für spezielle Diskursfähigkeiten. o Wenn man sich bloß verständlich machen will, spielt es nur eine geringe Rolle, ob die Aussprache gut ist oder ob man einen starken Akzent hat – aber mit einem starken Akzent ist man sofort als Fremder kenntlich. o Ebenso sind korrekte Flexionsmorphologie – ein Lieblingskind des Fremdsprachenunterrichts – und korrekte Syntax vergleichsweise unwichtig: Wenn man auf der Straße gefragt wird ›Wo bittä Banoff?‹, so macht dies die Botschaft ebenso klar wie ›Verzeihung, können Sie mir vielleicht sagen, wie ich hier zum Bahnhof komme?‹. o Aber sie macht klar, daß der Fragende nicht ›zu uns‹ gehört“

(Klein & Dimroth 2003: 146)

Der Altersfaktor im Zweitspracherwerb

• Faktor Alter kann Sprachverarbeiter/kogn. Prozesse etc. beeinflussen (links)

Die „Critical Period Hypothesis“ (CPH) nach Lenneberg (1967) • Annahme: genetisch angelegtes neuronales Reifeprogramm (nativistisch) → Reifeprogramm = Lateralisierung des Gehirns (bis best. Alter Wissensaufnahme etc. mögl.) → Gehirn verliert Durchlässigkeit und Formbarkeit und damit auch die Fähigkeit zur Reorganisation sprachlichen Wissens → sprachl. Informationen können ungesteuert nicht mehr mit der gleichen Effektivit ät verarbeitet werden wie vor dem Reifeprozess 19

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→ Pubertät als Grenze für erfolgreichen Spracherwerb; muttersprachliche Kompetenz in der L2 kann danach nicht mehr erreicht werden → (neg.) Einfluss v. a. auf Endzustand, aber auch auf Geschwindigkeit und Erwerbsverlauf → CPH empirisch widerlegt → Gegenevidenz: Sprecher, die trotz Erwerbsbeginn nach Pubertät muttersprachliche Kompetenz in der L2 erreicht haben → erwachsene L2-Lerner mit Erwerbsbeginn nach Pubertät, L1 Englisch, Russisch oder Niederländisch → wichtig: Vergleich von (späten) bilingualen Sprechern mit (fr ühen) bilingualen Sprechern, nicht mit Monolingualen! → außerdem: heutige Annahme: Lateralisation des Gehirns bereits zwischen 4. und. 6. Lebensjahr abgeschlossen (vgl. Pagonis, 2009: 196)

Der Altersfaktor nach Pagonis (2009: 195) : Ein antriebsbasierter Erklärungsansatz • Insgesamt kann zum Altersfaktor auf Grundlage zahlreicher empir. Studien festgehalten werden (Pagonis, 2009: 194) : • Eine von Muttersprachlern ununterscheidbare Sprachkompetenz kann auch von erwachsenen L2-Lernern erreicht werden, ist aber eher Ausnahme • Insgesamt: negative Korrelation zw. Alter zu Erwerbsbeginn & Endzustand des L2-Erwerbs • bei frhen L2-Lernern ist unter vergleichbar guten Erwerbsbedingungen ein hohes Maß an Homogenität der Endzustände zu beobachten (sehr oft muttersprachliche Kompetenz) • bei erwachsenen L2-Lernern ist ein hohes Maß an Heterogenität der Endzustände zu sehen • Erklärungsbedrftig (Pagonis, 2009: 195): o Warum erwerben Kinder eine Zweitsprache tendenziell erfolgreicher als Erwachsene? o Warum sind unter erwachsenen Lernern (anders als bei Kindern) große Unterschiede in Endzustand des Spracherwerbs zu beobachten? → sein Gegenansatz: • antriebsbasierter Erklärungsansatz • Zusammenhang zwischen Alter, Identifikationsbedürfnis und Spracherwerb o „We therefore recognize two social functions of language: (1) Communication and (2) Social identification. Mere communication may be satisfied by a relatively modest mastery of the second language; social identification with a dominant group may require something approaching native command. […] Characteristic of adolescent and especially of adult bilingualism is its emphasis on the content of the language and neglect of the formal system” (Haugen 1956:73)

• Critical Period Hypothesis (s. Pagonis, 2009: 196) o „Erwachsene erreichen i.d.R. weniger fortgeschrittene Erwerbsendzustände als Kinder, weil sie aufgrund neuronaler Reifungsprozesse den Kompetenzgrad früher Lerner nicht mehr erreichen können.“

→ Reformulierung (s. Pagonis, 2009: 199): o Erwachsene erreichen weniger fortgeschrittene Erwerbszustände als Kinder, weil sie aufgrund einer bereits mit der Erstsprache gefestigten sozialen Identität den Kompetenzgrad früher Lerner nicht mehr erreichen wollen/müssen ➔ Sozialer oder motivational-affektiver Faktor „Identifikation“ spielt viel stärkere Rolle in Lateralisierung des Gehirns als biolog. Determinante!

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→ Pagonis (2009: 199): Annahme zur Korrelation zwischen dem Alter zum Beginn des Erwerbs & Erwerbserfolg →Alter beeinflusst zu Erwerbsbeginn den Grad der Identifikation mit zu lernender Sprache → dieser dann den Antrieb zum Spracherwerb (li Spalte)

→ Pagonis (2009: 209): Korrelation zwischen dem Erwerbsantrieb & Erwerbsverlauf → Textempfehlung: Pagonis 2011

Der Faktor Erstsprache (L1) im Zweitspracherwerb

Hier geht es um das Wissen, welches Lerner aus L1 mitbringen

• intrasprachlichlichen Dynamiken: o allgemeine Dynamiken des Erwerbs des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache • intersprachlichlichen Dynamiken I: o Einfluss der Erstsprache i. S. einer typologischen Differenz, die bei untersch. Sprachenpaaren zu unterschiedlichen Erwerbsdynamiken (Erwerbsschwierigkeiten, verzögerungen, -erleichterungen, spezifische Erwerbswege etc.) führt o Einflüsse/Dynamiken hängen von Strukturen ab • intersprachlichliche Dynamiken II: o Einfluss der Erstsprache i.S. eines Transfers von Strukturen und Konzepten → es kann Einfluss geben und es muss nicht zu Übernahme von Strukturen aus Erstsprache

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❖ Transfer = Übernahme von Konzepten & Strukturen aus L1 in die L2 → wenn es auf sprachl. Oberfläche zu beobachtbaren Phänomenen kommt → auf Anhieb NICHT sichtbar ❖ Wenn auf Oberfläche sichtbar was aus der L1 übernommen wird, heißt es Codeswitching = Wechsel von einer in die andere Sprache

Transfer (Überblick) Vergleich zur Forschungsgeschichte: heute differenzierter Blick auf Transfer (vgl. Ellis 1994, Kap. 8) Sprachebene: untersch. Intensitäten von Transfer auf versch. Sprachebenen Externe Faktoren d. Zweitspracherwerbs verändern die Intensität des Transfers Markiertheit: Lerner transferiert eher unmarkierte Strukturen bzw. als unmarkiert empfundene Strukturen seiner L1 (Strukturen, die einer Regel widersprechen [Bsp.: im gesprochenen Dt. andere Wortstellung als in Schrift] → Verwirrung/kann zu Indifferenzen in Spracherwerb führen) • Sprachentfernung & Psychologie: Typolog. entferntere Sprachen scheinen schwerer als näherliegende (leichter) erwerbbar • • • •

Aber:

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o Die vom Lerner wahrgenommene Entfernung ist möglicherweise wichtiger als die vom Sprachwissenschaftler wahrgenommene Entwicklungsfaktoren: Transfer kann im Verlauf des Spracherwerbs früher/später auftreten und ihn beschleunigen/verlangsamen Transfer von Konzepten: o neben Transfer v. Struktur auch die von L1 auf die L2 o nicht nur grammatikalische Strukturen, sondern auch Vorstellungen, Begrifflichkeiten etc., mit denen wir uns verständigen & die Welt umschreiben, können übertragen werden Aussprache: sehr transferintensiv (erw. Lernern haben oft Akzent) Syntax: Transfer spielt vermutl. in früheren Lebensphasen eine Rolle; kann Lernfortschritte verlangsamen/beschleunigen Lexikalische Semantik: kann in best. Bereichen transferintensiv sein; Bezug auf Konzepte Pragmatik: o Transferintensivität ist vermutl. stark v. sozialen Faktoren abhängig o Interkulturalität (Höflichkeitsformen etc.) Morphologie: Transfer von morpho-syntaktischen Regularitäten möglich, bei nah verwandten Sprachen auch Transfer von Formen

• Beispiel: Ebene der Aussprache o Lerner, deren Erst- oder Bezugssprache ein anderes Lautinventar als das Deutsche hat, nehmen bestimmte Laute im Deutschen nicht oder anders wahr o Lerner mit Erst- oder Bezugssprachen, die keinen komplexen konsonantischen Rand von Silben haben, nehmen die lautl. Eigenschaften dieses Silbenteils im Deutschen nicht wahr o Lerner, deren Erst- oder Bezugssprache eine andere Wortakzentstruktur hat, haben größere Schwierigkeiten, die Wortgrenzen des Deutschen zu erkennen • wichtige Konsequenzen für den Schrifterwerb in der Zweitsprache!

Zurück: Faktor Erstsprache (L1) im Zweitspracherwerb • Positiver L1-Transfer - Beispiele → Wortstellung, z.B.: englisch: a nice house – deutsch: ein schönes Haus → grammatische Kategorien: Sprecher einer Kasussprache finden i.d.R. schneller Zugang zu der Kategorie Kasus in der L2, sind sensibler für morphol. Markierungen & deren Funktion

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• Negativer L1-Transfer – Beispiele → Wortstellung, z.B.: englisch: I have seen a film. ↔ deutsch: *Ich habe gesehen einen Film. → Lexikerwerb: „falsche Freunde“ (become ≠ bekommen, ordinary ≠ ordinär, gift ≠ Gift) • Beispiel: Ebene der Syntax o der Einfluss der L1-Wortstellung auf den L2-Erwerb ▪ die Wort- bzw. Verbstellung im Deutschen – VO vs. OV-Sprachen

• Syntaktische Unterschiede zwischen den Sprachen (L1 und L2) machen sich (in Abhängigkeit vom Alter) zum Erwerbsbeginn der L2 unterschiedlich...


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