Title | VL Sitzung 5 (20 - Einführung in das Studiengebiet Literatur -Zusammenfassung der VL von Herrn |
---|---|
Course | Deutsch Einführung in das Studiengebiet Literatur |
Institution | Justus-Liebig-Universität Gießen |
Pages | 5 |
File Size | 463.3 KB |
File Type | |
Total Downloads | 23 |
Total Views | 122 |
Einführung in das Studiengebiet Literatur -Zusammenfassung der VL von Herrn Möbius WiSe 2018/19...
VL 5 – Einführung in das Studiengebiet Literatur (20.11.2018) Thema: Literaturgeschichte 1. Begriffsdefinition 1. Gesamtheit aller schriftl. Zeugnisse in der Geschichte 2. Gesamtheit und der Verlauf einer bestimmten Literatur (bspw. einer Gattung 3. Gesamtheit und der Verlauf innerhalb eines bestimmten Zeitraums 4. Programmatische Zusammenstellung von Texten in einem bestimmten Zeitraum 2. Aufgabe der Literaturgeschichte - Einordnen/ Ordnung von Autoren und ihren Werken in einem geschichtlichen Zusammenhang - Sicherung von fachdisziplinären Wissensbeständen (Auswahl durch gültigen Kanon) Literaturgeschichte ist mehr als die additive Reihung von beobachtbaren Phänomenen 3. Literaturgeschichtsschreibung als Problem Schiller:
-
Geschichte ist nicht die Aufzählung einzelner Fakten Literaturgeschichte setzt sich nicht aus Einzelphänomenen zusammen, sondern setzt sich in unserem Kopf durch unseren philosophischen Verstand zusammen Literatur ist nicht, sondern wir machen sie Mensch setzt Ereignisse in teleologischen Zusammenhang Epochen als Ordnungsprinzip (Klassifizierung von Texten) Epochen können erst viele Jahre später mit einem Kriterienraster überzogen werden erst im Abstand können Kriterien, Gemeinsamkeiten, Themen erkannt werden Epochen sind nicht nur ein Feld von Jahreszahlen Literaturgeschichte ist alles andere als ein sicherer Wissensbestand
-
-
1
Vergleich unterschiedlicher literaturgeschichtlicher Ordnungen:
4. Problematik von Epochenabgrenzung - Epoche beschreibt einen Zeitraum zwischen zwei Einschnitten - Epochen grenzen Texte mit bestimmten Merkmalen von Texten ab, die diese Merkmale nicht haben - Kriterien/Quellen zur Epochenbezeichnung: allgemeine Kultur- und Mentalitätsgeschichte (Humanismus, Aufklärung, Romantik) politische Geschichte (Weimarer Republik, Nachkriegszeit, DDR-Geschichte) Konfessionsgeschichte (Reformationszeit) Stilgeschichte (Barock, Realismus, Expressionismus, Naturalismus, Impressionismus, Jugendstil) rein formale oder chronologische Eingrenzungen (Früh-, Hoch- oder Spätmittelalter) Bezeichnung der literarischen Bewegungen selbst (Begriffe werden aus literarischen Texten entnommen: Klassik, Sturm und Drang, Wiener Moderne) - Epochenzuordnung ist eine wissenschaftliche Hilfskonstruktion zur Herstellung von Systematik - Epochenbewusstsein und -bezeichnung fallen nicht zusammen - Epochenschwellen sind die Zeiträume, in denen sich Epochen überlagern oder ineinander übergehen
1450: Erfindung des modernen Buchdrucks 1492: Entdeckung Amerikas 1517: Reformation Übergang zu Neuzeit 1789: Franz. Revolution Humanismus 17. Jhd.: Barock 1781: Kants zentrales Werk der Aufklärung Aufklärung Mitleidsbegriff neu formuliert Empfindsamkeit Sturm und Drang 1786: Goethes Italienreise Klassik 1797: erste Essays bis Tod von Eichendorff Romantik 1814/1815: Wiener Kongress (Neuordnung Europas) Vormärz 1848 – 1900: Realismus Jahrhundertwende = Naturalismus, Jugendstil, Wiener Moderne, Impressionismus, Symbolismus, Neo-Romantik, antimoderne Strömungen 1910: Gründungsurkunde der Avantgarde Avantgarde und Moderne ab 1960: Dada-Bewegung Expressionismus 1918 - 1933: Literatur der Weimarer Literatur 1933 - 1945: NS-Literatur und Exillitertur der Flüchtigen nach 2. WK: Trümmerliteratur (Bsp.: Borchert) Literatur nach 1945: Nachkriegsliteratur Epochengrenzen sind willkürlicher Natur und wandelbar Literatur wird nie „epochenrein“ geschrieben Epochen sind idealtypische Konstrukte
2
5. Darstellungsformen von Literaturgeschichte - Autoren- und Werklexika reine autoren- und werkbezogene Fakten; Auflistung von dem, was beobachtbar ist - tabellarisch angelegte Nachschlagwerke knappe Darstellung der literaturgeschichtlichen Entwicklung - kompakte Literaturgeschichte Bände (erzählend angelegt) - mehrbändige Literaturgeschichten ausführliche, narrative Darstellung (detailgenau, komplex) 6. Ausgewählte Beispiele Unter der linden (um 12. Jhd.) von Walther von der Vogelweide Mittelalter
-
Mittelhochdeutsch eines der frühesten erotischen Gedichte Leerstellen bleiben literarischer Imagination vorbehalten Wortschatz weist auf Mittelalter hin erotische Thematik: Linde und Nachtigall, Liebe (spielen zu allen Zeiten eine Rolle)
Der Lindenbaum (1824) von Wilhelm Müller Romantik
-
3
Formale Merkmale: Volksliedstrophe (typischen Strophenformat der Romantik) 3- oder 4-hebiger Jambus, weibliche Kadenz Motive: Linde (hier kein Liebesbaum, sondern Sehnsuchtsort als Erinnerung an die Heimat), Heimat, Wanderschaft, Traum, Sehnsucht
Herbstbild (1852) von Friedrich Hebbel poetischer Realismus
-
intensiver Gebrauch von Metaphern wird vermieden deskriptiver Stil (realistische Naturbeschreibung) kein poetischer Pathos entzauberte Welt
Blütenleben (1893) von Max Dauthendey Expressionismus
-
4
detaillierte Wahrnehmung hochgradige Sensibilität Synästhesie
Entfremdung (zw. 1948 und 1953) von Ingeborg Bachmann Moderne
-
Verzweiflung bleibt bestehen problematisch gewordene Naturerfahrungen Artikulation eines einsamen lyrischen Ichs in der Natur Leiden an Entfremdung von der Natur Bezweiflung bleibt bestehen
Biologischer Walzer (1994) von Durs Grünbein
-
-
anthropologisches Problem der menschlichen Singularität Was macht den Menschen zum Menschen? Biologie des Menschen Fähigkeit der Sprache Mensch von Natur getrennt gestellte Fragen bleiben unbeantwortet
Schillers Definition von Epochen: Epochen sind nachträgliche Versuche der begründeten Sichtbarmachung der Verbindung ästhetischer Konstrukte. Es gibt keine Glocken, die Epochen einläuten. Jedes ästhetische Konstrukt nähert sich mehr oder weniger dem Idealtyp der Epoche, der es zugeschrieben wird, an.
5...