Völkerrecht - Zusammenfassung PDF

Title Völkerrecht - Zusammenfassung
Author Verba Volantia
Course Völkerrecht
Institution Universität Zürich
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Warning: TT: undefined function: 32VÖLKERRECHTQuelle: MARKUS KRAJEWSKI, VölkerrechtALLGEMEINES VÖLKERRECHTFür das Rechtsgebiet des Völkerrechts kann, wie für andere Rechtsgebiete auch, ein allgemeiner und ein besonderer Teil unterscheiden werden. Allgemeine Völkerrecht: allgemeine Regeln, Prinzipien...


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VÖLKERRECHT Quelle: MARKUS KRAJEWSKI, Völkerrecht

ALLGEMEINES VÖLKERRECHT Für das Rechtsgebiet des Völkerrechts kann, wie für andere Rechtsgebiete auch, ein allgemeiner und ein besonderer Teil unterscheiden werden. Allgemeine Völkerrecht: allgemeine Regeln, Prinzipien und Institute. Zunächst Regeln über die Quellen, nämlich das Recht der völkerrechtlichen Verträge und das Gewohnheitsrecht, die Verhältnis von Völkerrecht zu nationalem Recht bzw. EU-Recht. Zweite grosse Materie ist das Recht der Völkerrechtssubjekte (Staaten und internationale Organisationen, ergänzt durch die Prinzipien der zwischenstaatlichen Beziehungen). Besonderes Völkerrecht: konkrete Ausgestaltung von bestimmte Sachbereiche der internationalen Beziehungen: Regeln von Krieg und Frieden, das humanitäre Völkerrecht, der internationale Menschenrechtsschutz, das Völkerstrafrecht usw. §1 Quellen des Völkerrechts Diejenigen Normen der zwischenstaatlichen Beziehungen, die verbindliche Rechte und Pflichten der Völkerrechtssubjekte begründen. Die Rechtsverbindlichkeit einer Norm hängt von ihrem Rechtscharakter ab (z.B. Verträge sind verbindlich, gemeinsame politische Erklärung der beiden Staatschefs jedoch nicht, Resolutionen des Sicherheitsrats der UNO können unmittelbare Rechte und Pflichten begründen, Resolutionen der UN-Generalversammlung jedoch nicht). Ein multilateraler Vertrag gilt nur für die Staaten, die ihm beigetreten haben. Völkergewohnheitsrecht, das nur in einem Teil der Welt anerkannt und praktiziert wird, gilt nur für die Staaten der betreffenden Region. Das Völkerrecht kennt keine Verfassung, allerdings besteht Einigkeit, dass: A. Völkerrechtliche Verträge (IGH-Statut 38 I lit. a) B. Völkergewohnheitsrecht (IGH-Statut 38 I lit. b) C. Allgemeinen Rechtsgrundsätze (IGH-Statut 38 I lit. c) ➔ Eigenständige und unbestrittene Rechtsquellen sind. D. Richterliche Entscheidungen und Lehrmeinungen ((IGH-Statut 38 I lit. d) ➔ Sind keine Rechtsquellen, sondern nur Hilfsmittel zu deren Festlegung. Streitpunkt: ist die Aufzählung von IGH-Statut 38 I abschliessend? Was ist mit rechtsverbindlichen Entscheidungen internationales Organisationen oder einseitige Rechtsakte? A. IGH-Statut 38 I lit. a - Völkerrechtliche Verträge Grundregeln des Völkervertragsrechts sind in den Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK, Wienervertragskonvention, 114 Vertragsparteien) von 1969 enthalten. WVK: - Für Parteien die sie nicht unterschrieben haben, oder für Verträge die vor 1969 unterschrieben wurden, gelten diese Regeln gewohnheitsrechtlich. - WVK gilt nur für Verträge zwischen Staaten; für Verträge zwischen Staaten und internationale Organisationen wurde im Jahr 1986 das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Internationalen Organisationen und Staaten unterschrieben (ist noch nicht in Kraft getreten, es fehlen noch 4 Vertragsparteien, um den Mindestzahl von 35 zu erreichen). -

Wichtige Prinzipien des Völkervertragsrecht: ▪ Grundsatz der Vertragsfreiheit (gilt nicht Grenzlos, z.B. ius cogens, WVK 53);

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Grundsatz pacta sunt servanda (WVK 26); Verbot von Verträge zugunsten oder zulasten Dritter (WVK 34).

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Definition von Vertrag Übereinkunft zwischen Völkerrechtssubjekte zur Regelung ihrer Beziehungen, d.h. zur Begründung von wechselseitigen Rechten und Pflichten auf dem Gebiet des Völkerrechts. WVK 2 lit. a definiert es so: eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten. Protokolle zur Ergänzung eines Vertrages sind auch völkerrechtliche Verträge. Der Begriff law-making treaties wird heute verwendet, um auf die Legislativfunktion eines Abkommens hinzuweisen. Besondere Gruppe von Verträge sind die Gründungsverträge internationaler Organisationen (mit welche ein neues Völkerrechtssubjekt geschaffen wird).

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Vertragsschluss 1. Kompetenz und Vertragsmacht: Staaten, als juristischen Personen, wie auch internationale Organisationen, müssen sich von ihre Organe vertreten lassen: es gibt Verhandlungskompetenz und Vertragsschlusskompetenz. 2. Verfahren Vertragsschlussverfahren: WVK 9 (Annahme des Textes), WVK 10 (Festlegung der authentischen Fassung), WVK 11 ff. (Zustimmung). 3. Inkrafttreten WVK 24 II: völkerrechtliche Verträge treten grds. in Kraft, wenn alle Verhandlungsstaaten ihre Zustimmung erklärt haben. WVK 25 II: vorläufige Anwendung.

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Vorbehalte Grundsätzlich können Staaten einen völkerrechtlichen Vertrag nur vollständig zustimmen. Es gibt jedoch eine Ausnahme, nämlich der Instrument der Vorbehalt: Es handelt sich um eine einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesem Staat auszuschliessen der zu ändern (WVK 2 I lit. b). Ein Vertrag kann Vorbehalte grds. verbieten oder bestimmte Vorbehalte für unzulässig erklären (WVK 19 lit. a). Zulässig ist ein Vorbehalt, wenn er mit Ziel und Zweck des Vertrages vereinbar ist (lit. c). Die Rechtswirkung eines zulässigen Vorbehalts hängen von der Reaktion der anderen Vertragsparteien auf den Vorbehalt an: grds. muss ein Vorbehalt angenommen werden oder währen 12 Monate nichts dagegen sagen (WVK 20 IV lit. a). Ausnahme: WVK 20 I Falls der Vorbehalt widersprochen wird, tritt der Vertrag grds. sowieso in Kraft. In diesen Fall gibt es eine Veränderung der relativer Rechtsbeziehung, nämlich der widersprochene Vorbehalt (die bzgl. Vertragsvorschrift) hat zwischen den zwei Staaten keine Geltung (WVK 21 III). Bei der sog. qualifizierte Widerspruch setzt sich einen Staat nicht nur gegen den Vorbehalt, sondern gegen den Vertrag als Ganzes → keine Anwendung des Vertrags. WVK 19 regelt die Rechtslage bei unzulässigen Vorbehalte. In der WVK wird diese Situation nicht spezifisch ausgeführt. Lösung: einen unzulässigen führt dazu, dass der Vertrag vorbehaltlos zur Anwendung kommt.

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Auslegung völkerrechtlicher Verträge Das Prinzip der dezentralen Interpretation besagt, dass Staaten zuerst die völkerrechtlichen Normen auf nationale Ebene auslegen, und in einen zweiten Schritt können nationale und internationale Gerichte gestellt werden. Grundregeln der Auslegung nach WVK 31 I: ▪ Anhaltspunkte der Auslegung sind Wortlaut, Zusammenhang (Systematik) und Ziel;

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Ergänzende Auslegungsmittel ist die historische Auslegungsmethode (WVK 32), diese kommt nur subsidiär und ergänzend zur Anwendung.

Kollisionen von vertraglichen Verpflichtungen Trotz der Grundsatz pacta sunt servanda können die Bindungswirkungen eines Vertrages entfallen. Zwei Möglichkeiten: 1. Beendigung (WVK 70) → endgültige Befreiung 2. Suspendierung (WVK 72) → vorübergehende Befreiung Manche Verträge regeln die Beendigungsmodalitäten selbst (falls dies der Fall ist gelten diese Bestimmungen direkt gemäss WVK 53 lit. a und WVK 57 lit. a. Ist von diese Bestimmungen im Vertrag nicht die Rede, kann eine Suspendierung bzw. Beendigung bei Einigkeit der Parteien vorkommen (WVK 54 lit. b und WVK 57 lit. b). Problematischer ist, bei bilateralen Verträge die Kündigung und bei multilaterale Verträge den Rücktritt. Die WVK besagt, dass eine einseitige Lösung des Vertrages möglich ist, wenn der Vertrag dies ausdrücklich vorsieht. Enthält den Vertrag keine solche Beendigungsmöglichkeit, ist eine Beendigung nur nach WVK 56 I möglich (wenn die Parteien es zulassen wollen oder es aus der Natur des Vertrages sich eine solche Möglichkeit ergibt). Bspw. Gilt die Gründungsverträge von internationale Organisationen einen Kündigungsfrist von 12 Monate (WVK 56 II). Friedensverträge und Grenzverträge sind hingehen nicht kündbar. Beendigung wegen erheblicher Vertragsverletzung: WVK 60: Ausgleich zwischen den Grundsatz pacta sunt servanda und der Unzumutbarkeit des Festhaltens an Vertragsbezeichnungen mit einer der Vertrag verletzenden Partei. WVK III: Erheblichkeit der Verletzung. Grundlegende Änderung der Vertragsumstände: WVK 62: Anwendungsfall der Grundsatz clausula rebus sic stantibus. Wenn die Umstände sich verändert haben und diese eine Grundlage für die Zustimmung waren. Das Festhalten am Vertrag ist für die Parteien unzumutbar. In diesem Fall kann ein Staat ausnahmsweise beenden oder suspendieren (WVK 63 III).

B. IGH-Statut 38 I lit. b – Völkergewohnheitsrecht Ab heute ist diese Quelle ggü. dem Vertragsrecht von eher sekundären Bedeutung. Einerseits aufgrund der Komplexität der heutigen völkerrechtlichen Fragen, die nur vertraglich geschaffen werden könne; andererseits daran, dass zahlreiche Materien des Völkerrechts, heute durch umfassende multilaterale Verträge kodifiziert werden. Als Motor dieser Kodifikation von Gewohnheitsrecht wirkt die Völkerrechtskommission (International Law Commission, ILC) der Vereinten Nationen. UN-Charta 13 I lit. a stellt die Grundlage für diese Kommission, die aus 34 unabhängigen Experten des Völkerrechts besteht. Bsp. der Arbeit dieser Kommission sind die Genfer Seerechtskonvention von 1958, die Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen von 1961 sowie die Wiener Vertragsrechtkonvention von 1969. Neben der ILC gibt es auch andere Fachorganisationen wie die International Law Association (ILA) oder das Institut de Droit International die zur Kodifikation von Gewohnheitsrecht beitragen. Die Rolle des Gewohnheitsrechts ist die Ergänzung von vertraglichen Regeln. Insb. hat dieser Recht eine bedeutende Rolle bei vertraglich zwar geregelte Materien, die jedoch nicht alle Staaten binden; in diesem Fall müssen die Rechtsbeziehungen von Nicht-Vertragsparteien gewohnheitsrechtlich geregelt werden.

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Ausserdem gibt es noch viele Bereiche die nicht vertraglich kodifiziert sind. Dazu zählen z.B. das Recht der Staatenimmunität oder die Regeln zur Staatenverantwortlichkeit. I.

Merkmale und Nachweis von Völkergewohnheitsrecht

Völkergewohnheitsrecht (customary international law) setzt sich aus einem objektiven und einem subjektiver Element zusammen. Danach gilt „das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung“ (IGH-Statut 38 I lit. b). 1. Allgemeine Übung (objektiver Element) Unter der allgemeinen Übung (consuetudo) versteht man eine dauerhafte, einheitliche und weit verbreitete Staatenpraxis, die eine repräsentative Zahl von Rechtsordnungen erfasst (muss nicht universell sein). Bei der für das Gewohnheitsrecht relevanten Übung muss es sich um Verhalten handeln, das einem Staat oder anderen Völkerrechtssubjekten zugerechnet werden kann (nicht erfasst ist das Verhalten von Privaten und nicht-staatliche Akteure). Auf welche Staatsorgane abzustellen ist, hängt davon ab, für welche Organe die jeweilige Regel gelten soll. Grds. muss die Praxis von einer gewissen Dauer sein (allerdings nicht Jahrhunderte). Nach neueren Vorstellungen ist es sogar möglich, dass sich innerhalb kürzester Zeit eine einheitliche Praxis bildet (aufgrund der neuer technologischen Entwicklungen und die Schnelligkeit der Verbreitung); man spricht von spontanem Gewohnheitsrecht (instant customary law). 2. Rechtsüberzeugung (subjektives Element) Die allgemeine Übung (Praxis) muss von der Überzeugung (opinio iuris) getragen werden, aus Rechtsgründen so handeln zu müssen. Hier muss gezeigt werden, dass sich die Staaten von Rechts wegen verpflichtet fühlen, so zu handeln. Die Rechtsüberzeugung ist erforderlich, da die Bindungswirkung des Gewohnheitsrechts ebenso wie vertragliche Bindungen auf den Willen der Staaten zurückzuführen ist (voluntatives Element). Es ist auch möglich, dass ein dauerhaftes nicht mehr praktiziertes Verhalten (desuetudo) und die Aufgabe einer Rechtsüberzeugung auch dazu führen, dass eine Norm des Gewohnheitsrechts aufgehoben wird ( Derogation). II. Wirkungen Normen des Völkergewohnheitsrechts gelten grds. allgemein, d.h. ggü. allen Staaten. Keine Geltung entfaltet das Völkergewohnheitsrecht jedoch ggü. einem Staat, der sich gegen seine Entstehung ausdrücklich und ständig gewehrt hat und dieses Verhalten nicht als rechtsverbindlich ansieht (sog. persistent objektor). Das Verhältnis zwischen Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht ist vom Grundsatz der Gleichrangigkeit der Rechtsquellen geprägt. In der Praxis kommt aber dem Vertragsrecht oft allein die grössere Bedeutung, da es speziellere Regelungen enthält und sich klarer nachweisen kann. C. IGH-Statut 38 I lit. c - Allgemeine Rechtsgrundsätze Hierunter werden diejenigen Grundsätze Prinzipien der innerstaatlichen Rechtsordnungen verstanden, die in allen Teilen der Welt zu finden sind. Der Begriff der „Kulturvölker“ im Artikel ist dabei ein Relikt des eurozentristischen Verständnisses des Völkerrechts des 19. Jh. und frühen 20. Jh. er ist heute so zu verstehen, dass damit die Rechtsordnungen von allen Staaten, die Vertragspartei des IGH-Statuts sind, d.h. aller Mitglieder der UNO, gemeint sind. Um ein Rechtsprinzip als allgemein zu betrachten, genügt eine vergleichende Betrachtung der grossen Rechtskreise der Welt und repräsentative Auswahl nationaler Rechtsordnungen.

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Sonstige Quellen des Völkerrechts I.

Einseitige Rechtsakte Einseitige Rechtsakte sind Erklärungen eines Staates, mit denen eine bestimmte Rechtsfolge herbeigeführt werden soll. Die Bindungswirkung einer solchen Erklärung ist grds. anerkannt und folgt aus dem Prinzip von Treu und Glauben und dem Grundsatz, dass sich ein Rechtssubjekt nicht auf ein widersprüchliche Verhalten berufen darf (venire contra factum proprium). Typisches Beispiel für einseitige Rechtsakte sind Verzicht, Versprechung und Anerkennung. Grds. kann ein einseitiger Rechtsakt auch widerrufen werden. Da gilt jedoch nicht, wenn bereits Vertrauen entstanden ist oder wenn der Widerruf willkürlich wäre.

II.

Beschlüsse internationaler Organisationen (Sekundärrecht) Diese Art von Beschlüsse können verbindliche Rechtswirkungen entfalten, wenn der Gründungsvertrag der internationalen Organisation dies ausdrücklich vorsieht. Oft ist dies nicht der Fall: so folgt z.B. aus UN-Charta 10 und 11, dass Resolutionen der Generalversammlung der UNO grds. unverbindlich sind, da sie als Empfehlungen (recommendation) bezeichnet werden. Prominentesten Beispiel für verbindliche Entscheidungen internationaler Organisationen sind die Entscheidungen des Sicherheitsrat der UNO.

III.

Unverbindliche Normen („ soft law“) Allgemein können hierunter formell nicht rechtsverbindliche Regeln verstanden werden, die das Verhalten der Völkerrechtssubjekte aber stärker beeinflussen und steuern als nur unverbindlichen Erklärungen. Es wird auf die tatsächliche Steuerwirkung diese Regeln abgestellt Diese Kategorie ist hoch umstritten. Als rechtlich unverbindliche Normen werden sie teilweise nicht als Recht, sondern als blosse Moralvorstellung qualifiziert. Soft law kann verschiedene Formen annehmen: so können Schlusserklärungen von internationalen Konferenzen, die allgemeine Prinzipien formulieren, Erklärungen der UN-Generalversammlung als soft law angesehen werden. Eine weitere Gruppe des soft law sind unverbindlichen Richtlinien für nicht-staatliche Akteure wie z.B. die OECD Leitlinien für multinationale Unternehmen. Oder das Montreux-Dokument über Verpflichtungen von privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen. Eine besondere Kategorie bilden diejenigen Normen des soft law, die als entstehendes Völkerrecht bezeichnet werden können: diese sind noch formal unverbindlich, tragen jedoch das Potential der Rechtsverbindlichkeit in sich.

D. IGH-Statut 38 I lit. d – Rechtserkenntnisquellen Keine Rechtsquellen, sondern Hilfsmittel zur Erkenntnis des Rechts sind die im IGH-Statut 38 I lit. d genannten richterlichen Entscheidungen und die Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen. Zu den richterlichen Entscheidungen zählen neben Urteile der internationalen Gerichte auch Entscheidungen nationaler Gerichte. Lehrmeinungen sind zunächst Darstellungen in grundlegenden völkerrechtlichen Lehrbüchern und Kommentaren, aber auch andere Abhandlungen in der Literatur. Diese Lehrmeinungen müssen von universellen Anerkennung beanspruchen können. Von praktischer Bedeutung sind vor allem die Arbeiten von internationalen Fachgruppierungen wir der ILC der ILA oder des Institut de Droit International.

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§2 Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht sowie EU-Recht I.

Theoretische Deutungsmodelle: Monismus oder Dualismus Monismus: u.a von der sog. Wiener Schule vertretenen Vorstellung werden Völkerrecht und innerstaatliche Rechtsordnung als eine Einheit dargestellt. Dieser Ansatz geht davon aus, dass völkerrechtliche und innerstaatliche Regeln Teil eines einheitlichen System sind. Völkerrecht erhält Wirkung ohne umsetzende Gesetzgebung (sog. self-executing Charakter, d.h. unmittelbar anwendbar ist). Zumeist werden völkerrechtliche Regeln an der Spitze dieser Normenpyramide gesehen (Monismus mit Primat des Völkerrechts), da das Völkerrecht die Bedingungen für die Entstehung und den Untergang eines Staates festlege. Aus dieser Primat folge, dass sich bei einer Verletzung des Völkerrechts durch innerstaatliches Recht das Völkerrecht durchsetzte und der Staat gezwungen sei, das innerstaatliche Recht dem Völkerrecht anzupassen. Bsp. Niederlande, Belgien, Schweiz (seit dem späten 19. Jh.). Dualismus: aus dieser Sichtweise sind Völkerrecht und nationales Recht zwei getrennte Rechtskreise, die keine Überschneidungen aufweisen, sondern einander allenfalls berühren. Völkerrecht gilt in der innerstaatlichen Rechtssphäre prinzipiell erst nach einem Umsetzungsakt. Nach dieser in Deutschland am vor allem von Heinrich Triepel vertretenen Perspektiv sind die Rechte und Pflichten in beiden Rechtsordnungen getrennt voneinander zu betrachten. Entsprechend hat ein Verstoss gegen das Völkerrecht auch grds. keine Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht (da beide Rechtskreise unterschiedliche Dinge regeln). Bsp. skandinavischen Staaten. Regelung: nach WVK 26 wenn ein Vertrag in Kraft ist, so bindet er die Parteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen (pacta sunt servanda). Die positiv-rechtliche Regelung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und nationalem Recht erfolgt zum Teil durch das Völkerrecht selbst. So gilt der Grundsatz, dass sich ein Staat nicht auf entgegenstehendes nationales Recht berufen kann, um einen Völkerrechtsverstoss zu rechtfertigen (WVK 27). Im Übrigen regeln jedoch die Verfassungsordnungen der jeweiligen Staaten das Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht (nicht völkerrechtlich geregelt).

II.

Schweiz: „Rangfrage“ bei Kollisionen von Völkerrecht und Landesrecht a.

Was sagt die BV selbst? BV 5 IV als Ausgangspunkt: Gebot der Beachtung des Völkerrechts (enthält aber keine Rangentscheidung, sondern nur Grundidee). BV 190: Massgeblichkeit von Völkerrecht und Bundesgesetzten für das Bundesgericht (scheint grds. rangmässige Vergleichbarkeit von Völkerrecht und Gesetzen zu implizieren).

Klar ist zudem: zwingendes Völkerrecht stellt Schranke für Revisionen der BV dar. BV beantwortet Rangfrage aber nur teilweise, vieles ist unklar. b. Was kann man sonst über das Rangverhältnis sagen? Grds. ungeklärtes Verhältnis Völkerrecht-Gesetzesrecht (keine starre Hierarchie). Schubert-Rechtsprechung: das Parlament kann per Gesetz bewusst von der völkerrechtlichen Regelung abweichen und die gesetzlichen Vorränge verschaffen (nicht aber ius cogens). Modifizierung von Schubert-Praxis in 1999 durch PKK-Rechtsprechung: Bundegericht prüft Bundesgesetze seit 1999 auf EMRK-Konformität (BGE 125 II 417; sog. PKK-Entscheid). Ungeklärtes Verhältnis zwischen EMRK und übriges Verfassungsrecht (BGE 139 I 16, der zur Volksinitiative „Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)“ führte, die am 25. November 2018 abgelehnt wurde).

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§3 Subjekte des Völkerrecht: I. Grundlagen Rechtssubjekt ist, wer Inhaber von Rechten und Pflichten sein sowie rechtserheblich handeln kann (m.a.W. Fähigkeit, Träger völkerr...


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