Zusammenfassung Völkerrecht PDF

Title Zusammenfassung Völkerrecht
Course Völkerrecht
Institution Universität St.Gallen
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Zusammenfassung VölkerrechtKapitel 1: Was ist Völkerrecht und welche Rolle spielt es in internationalen Beziehungen? (VL 1)I. Was heisst Völkerrecht? a. Begriff und Entstehung  Wurzeln der Entstehungsgeschichte des Völkerrechts gehen bis ins alte Rom zurück. Als Geburtsstunde des modernen Völkerrec...


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Zusammenfassung Völkerrecht Kapitel 1: Was ist Völkerrecht und welche Rolle spielt es in internationalen Beziehungen? (VL 1) I. Was heisst Völkerrecht? a. Begriff und Entstehung  Wurzeln der Entstehungsgeschichte des Völkerrechts gehen bis ins alte Rom zurück. Als Geburtsstunde des modernen Völkerrechts gilt der Westfälische Frieden von 1648, der den Dreissigjährigen Krieg in Europa beendete. o In Friedensverträgen wurden Fürsten (Repräsentanten der Staaten) als souverän anerkannt. Damit wurde ein westfälisches System, also eine Rechtsordnung zwischen souveränen Staaten geschaffen. b. Adressaten des Völkerrechts  Völkerrecht umfasst alle Rechtsnormen, welche die Beziehungen zwischen den verschiedenen Völkerrechtssubjekten regeln.  Völkerrechtssubjekte = Einheiten, die Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten sind. o Völkerrechtssubjekte sind vor allem die Staaten (Hauptrechtssubjekte), teilweise auch internationale Organisationen (UN; WTO), in beschränktem Umfang auch Individuen und besondere Einheiten (IKRK). c. Regelungsbereiche  Klassische Regelungsbereiche des Völkerrechts: Diplomatische Beziehungen, Staatsgrenzen, Staatsgebietserwerb und Nutzung der Meere  Moderne Themen des Völkerrechts: Schutz der Menschenrechte, Friedenssicherung, Terrorismusbekämpfung d. Auswirkungen auf den Nationalstaat  Zusammenspiel zwischen dem nationalem Recht und dem Völkerrecht o Einerseits müssen völkerrechtliche Verpflichtungen eines Staates durch das nationale Recht umgesetzt und/oder konkretisiert werden und andererseits muss das nationale Recht dem Völkerrecht angepasst werden. o Jegliche staatliche Politik muss völkerrechtliche Vorgaben beachten.  Völkerrechtsnormen beziehen sich nicht nur auf Aussenverhältnisse der Staaten und sondern es gibt auch Normen, die den Staaten vorschreiben, welche Massnahmen sie im Staat ergreifen müssen (z.B. Menschenrechtsschutz, Sozialstandards).

II. Strukturelle Besonderheiten des Völkerrechts Das Völkerrecht unterscheidet sich inhaltlich und vor allem strukturell vom innerstaatlichen Recht. 1. Besonderheiten auf der Ebene der RechtsERZEUGUNG ( Konsensuale, horizontale Struktur)! a. Rechtsquellen  In der internationalen Gemeinschaft gibt es keine Gewalten- und Funktionsaufteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) und es gibt im Völkerrecht auch kein zentrales Rechtsetzungsorgan. Völkerrecht wird dezentral von Staaten selbst unter Mitwirkung anderer Völkerrechtssubjekte erzeugt.  Rechtsquellen des Völkerrechts unterscheiden sich von denen des nationalen Rechts und sind: o Völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 38, Abs. 1 IGH-Statut). b. Souveräne Gleichheit der Staaten  Völkerrecht hat eine horizontale Struktur. o Mit horizontalen Struktur ist gemeint, dass die beteiligten Hauptrechtssubjekte (Staaten) formal alle gleichrangig sind (= Leitzprinzip der souveränen Staatengleichheit; Art. 2, Abs. 2 UN-Charta). Bildlich kann man sich zwischenstaatliche Beziehung als horizontal vorstellen. o Aus der Gleichordnung der souveränen Staaten, fliesst das Erfordernis des Konsenses.

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c. Konsensprinzip  Hauptentscheidungsprinzip im Völkerrecht ist Einstimmigkeit. o Rechtserzeuger (z.B. Staaten) sind gleichzeitig auch die Rechtsunterworfenen (Rechtsbindung = Selbstbindung).  Völkerrechtlicher Vertrag (=Rechtsquelle) kommt zustande, wenn alle Vertragspartner zustimmen. Völkerrechtliche Gewohnheitsnorm bindet nicht den Staat, der beharrlich dagegen protestiert (Persistent-Objector-Regel). Persistent-Objector-Regel gilt aber nicht mehr absolut. d. Offenheit völkerrechtlicher Normen  Weiteres Charakteristikum des Völkerrechts ist die inhaltliche Offenheit vieler seiner Normen. o Völkerrechtliche Verträge sind politisch ausgehandelte Deals (= Kompromisse zwischen den verschiedenen Vertragsparteien) und aus den politischen Verhandlungen resultiert die Offenheit der völkerrechtlichen Normen. Meisten sind die Normen so formuliert, dass am Schluss jede Vertragspartei seine gewünschte Auffassung aus der Norm herausinterpretieren kann.  Völkergewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht und deshalb vage. e. Prinzipiencharakter  Völkerrecht besteht aus allgemeinen Prinzipien und nicht aus präzisen Regeln, weshalb der präzise Inhalt einer Völkerrechtsnorm meist eher schwierig zu bestimmen ist.  Prinzipien sind Optimierungsgebote. Optimierungsgebote können mehr oder weniger verwirklicht oder mehr oder weniger missachtet werden.  Prinzipienkollisionen werden durch Abwägung gelöst. 2. Besonderheiten auf Ebene der RechtsDURCHSETZUNG a. Keine obligatorische Gerichtsbarkeit o Im Völkerrecht gibt es keine zwingende (obligatorische) Gerichtsbarkeit. Das bedeutet, dass keine Garantie besteht, dass ein Gericht über den Rechtsstreit entscheidet. o Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen ist der Internationale Gerichtshof  Neue internationale Gerichte und Schiedsgerichte sind geschaffen worden.  Völkerrecht ist kein gerichtsfreier Raum. o

Aufgrund des Respekts vor der staatlichen Souveränität sind die internationalen Gerichte und Schiedsgerichte nur nach vorheriger Unterwerfung der Staaten zuständig. Ein Staat kann also nicht ohne seine Zustimmung verklagt werden.

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Neben Gerichten gibt es im Völkerrecht auch diplomatische-politische Methoden der Streitbeilegung (z.B. Verhandlungen, Mediation)

b. Weiche Durchsetzungsmechanismen o Völkerrecht wird selten mit Befehl und Zwang durchgesetzt. o Internationale Gerichtsurteile sind Feststellungsurteile und keine Leistungsurteile. Es wird vom Staat nicht explizit ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangt, sondern ein internationales Gericht stellt lediglich fest, dass ein bestimmtes Verhalten völkerrechtswidrig war. Da es keine Völkerrechtspolizei gibt, die ein Feststellungsurteil umsetzen oder einen Streit beilegen kann, kann wenn ein verurteilter Staat das Urteil nicht befolgt, der obsiegende Kläger unter bestimmten Voraussetzungen Sanktionen verhängen (= Selbsthilfe). c.

Prinzipielle Zulässigkeit der Selbsthilfe (Sanktionen) o Es existiert keine Völkerpolizei auf internationaler Ebene, weshalb Selbsthilfe nötig ist. o UN-Sicherheitsrat verfügt nicht über ein umfassendes zentrales Gewaltmonopol. Er hat aber ein Quasi-Gewaltlegitimierungsmonopol in Bezug auf militärische Massnahmen und kann nur eingeschränkt die Funktion einer Weltpolizei übernehmen. o Staatliche Selbstverteidigung (= Notwehrrecht) (Art. 51 UN-Charta) ist erlaubt. o Staaten können Sanktionen nur verhängen, wenn sie keine nicht militärischen Zwangsmassnahmen sind (z.B. Wirtschaftssanktionen) und wenn sie den allgemeinen Rechtsprinzipien (z.B. Verhältnismässigkeit) entsprechen.

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3. Fazit  Völkerrecht ist ein dezentrales, horizontales Recht (Recht unter Gleichen, den Staaten) mit dem Leitprinzip der staatlichen Souveränität. Es handelt sich formell um ein Recht unter Gleichen, nämlichen den Staaten. In Wirklichkeit ist das Völkerrecht aber ein Recht der tatsächlichen Macht. Das heisst, die Machtverteilung der Staaten ist deutlich spürbar.  Wirksamkeit des Völkerrechts ist abhängig vom jeweiligen nationalen Recht, mit dem es umgesetzt wird.

III. Geltung und Relevanz des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen Entscheidende Frage, ob Völkerrecht für die internationalen Beziehungen relevant ist oder ob das internationale Geschehen nur eine Folge der Machtverhältnisse (Politik) ist.  Völkerrecht ist Recht und deshalb für die internationalen Beziehungen relevant, wenn es die zwei Hauptfunktionen des Rechts, Legitimitätsstiftung und Verhaltenslenkung/Konfliktlösung, erfüllt. 1. Legitimitätsstiftung und Verhaltenslenkung durch das Völkerrecht a. Völkerrecht als legitimierende Kraft  Politische Aktionen eines Staates werden akzeptiert und sind gerechtfertigt, wenn sie mit dem Völkerrecht übereinstimmen. Hingegen einer Völkerrechtsverletzung fehlt oftmals die Legitimität.  Völkerrecht hat eine legitimierende Kraft.  Weil das Völkerrecht diese legitimierende Kraft hat, werden Völkerrechtsverletzungen typischerweise mit rechtlichen Argumenten gerechtfertigt (z.B. Selbstverteidigungsrecht) und nicht mit der Behauptung, dass bestimmte Völkerrechtsnormen gar nicht gälten. Das Wissen, dass eine staatliche Handlung öffentlich durch das Völkerrecht gerechtfertigt ist, hat entscheidende Rückwirkungen auf das Handeln eines Staates. Konkret führt dies dazu, dass ein Staat eine staatliche Massnahme zuerst auf ihre Völkerrechtskonformität überprüft wird und im Falle einer Völkerrechtsverletzung unterlassen wird. b. Völkerrecht dient der Verhaltenssteuerung  Völkerrecht erfüllt die zweite Funktion des Recht, die Verhaltenssteuerung. In aussenpolitischen Beziehungen wenden Staaten ständig Völkerrecht an und beachten es, sodass die alltägliche Völkerrechtsbefolgung den Normalfall darstellt (z.B. Normen über internationale Rechtshilfe, Verträge zur Regelung des Flugverkehrs) 2. Gründe für tatsächliche Geltung des Völkerrechts (Wirksamkeit) a. Globale Probleme  Staaten gehen aus funktionalen Gründen völkerrechtliche Verpflichtungen ein. Internationale Zusammenarbeit ist unabdingbar, um Probleme bewältigen zu können, die die Staaten nicht alleine lösen können (z.B. Umweltschäden, Terrorismus). o Völkerrecht wird sich umso mehr verdichten und verbreiten, je mehr globale, nicht auf das Gebiet eines Staates bezogene Probleme auftauchen. b. Verlässlichkeit und Stabilität  Internationale Zusammenarbeit wird nicht primär wegen Sanktionsdrohungen des Völkerrechts eingehalten, denn Sanktionsmechanismen des Völkerrechts sind schwach. Staaten beachten das Völkerrecht vor allem wegen der Vorteile der Rechtstreue. o Staaten sind auf Treue für rechtliche Ordnung, die Verlässlichkeit und Stabilität gewährt, angewiesen für den Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital. c. Gegenseitigkeitserwartungen  Völkerrechts funktioniert nach dem Reziprozitätsprinzip. Nur ein rechtstreuer Staat kann damit rechnen, dass seine Partner ebenfalls die Rechtsverpflichtungen einhalten („do ut des“). d. Internationale öffentliche Meinung  Ein Staat ist motiviert, das Völkerrecht einzuhalten, denn im Falle einer Völkerrechtsverletzung muss er einen Prestigeverlust hinnehmen. Dadurch erleidet er zumindest mittelfristige Nachteile. e. Kosten-Nutzen-Kalkül  Völkerrecht gilt, weil Staaten zwischen dem Vorteil des Glaubwürdigkeitsgewinns und dem Nachteil der Einschränkungen des Handlungsspielraums kalkulieren.

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Ziel ist dieses „Trade-offs“ die Erzielung eines bestmöglichen Verhältnisses von Vor- und Nachteilen der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen aus Sicht des handelnden Akteurs. Louis Henkin, 1968: „Fast alle Nationen beachten fast alle Prinzipien des Völkerrechts und fast alle völkerrechtlichen Verpflichtungen fast immer“.

IV. Historische Entwicklung des Völkerrechts Strukturelemente der Entwicklung des Völkerrechts: Koordination, Kooperation, Konstitutionalisierung. Die drei K haben sich nacheinander entwickelt und liegen heute gleichzeitig vor.  Koordination: Völkerrechtssubjekte existieren nebeneinander.  Kooperation: Kooperationsstrukturen sind sich während der Entwicklung hinzugekommen.  Konstitutionalisierung: Horizontale Zusammenarbeit wird durch hierarchische Struktur ergänzt. 1. Westfälischer Friede bis Wiener Kongress (1648 – 1815) a. Geburt des modernen Territorialstaates  Westfälischer Friede von 1648 ist Endpunkt der Entwicklung vom mittelalterlichen Personalverband zum modernen Territorialstaat. o Staaten konnten durch gegenseitige Verträge auswärtige Bündnisse schliessen und wurden dadurch souverän (Unabhängig und nur dem Völkerrecht unterworfen). o Völkerrecht war ein System voneinander unabhängigen, souveränen Staaten. o Es war rein europäisches Völkerrecht. Andere Weltregionen hatten eigenes Völkerrecht. o Themen des Völkerrechts: Begrenzung des Staatsgebiets, Gebietserwerb, Nutzung der Meere 2. Wiener Kongress bis nach dem Ersten Weltkrieg (1815 – 1918) a. Freies Kriegsführungsrecht und Willensdogma  Wiener Kongress etablierte Gleichgewicht der Mächte („Europäisches Konzert“).  Es galt freies Kriegsführungsrecht („liberum ius ad bellum“; Recht der Eroberung oder der humanitären Intervention) als Ausfluss der Staatensouveränität.  Als Geltungsbereich des Völkerrechts wurde der staatliche Wille angesehen (Bindung der Staaten an Völkerrechtsnormen nur, soweit sie willentlich zugestimmt hatten). b. Erste Formen der Kooperation  Es begann auch eine gewisse internationale Kooperation (z.B. Aufschwung Vertragswesen). o Zweiseitige Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträge wurden geschlossen. o Gründung internationaler Organisationen (z.B. Weltpostverein).  Gründung der internationalen Organisationen war für die Struktur des Völkerrechts wichtig. Sie stellten neue Völkerrechtssubjekte dar. 3. Die Zwischenkriegszeit (1918 – 1945) a. Völkerbund  Völkerrecht war in dieser Phase Koordinationsrecht. Nach Beendigung des ersten Weltkriegs wurde der Völkerbund gegründet (1919) o Ehemalige Kolonien wurden in das Mandatssystem des Völkerbundes überführt.  Völkerbund war schwach, weil die USA nicht Mitglied war und Völkerbund keine Zwangsmassnahmen ergreifen konnte.  Es wurden Minderheitenschutzsysteme eingeführt um die schwachen neuen Oststaaten zu schützen und 1922 nahm der ständige internationale Gerichtshof seine Arbeit auf.  Es galt noch kein Gewaltverbot aber Anfang der Eindämmung des freien Kriegführungsrechts wurde mit dem Vertrag über die Ächtung des Krieges gemacht. 4. Die Zeit der Ost-West-Spaltung (1945 – 1989) a. Gründung der UN: Kollektive Sicherheit und Gewaltverbot  Nach Beendigung des zweiten Weltkriegs wurden die Vereinten Nationen (UN) gegründet (1945) und ein umfassendes Verbot der Anwendung von militärischer zwischenstaatlicher Gewalt (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta) aufgestellt. Dieses wurde mit einem System der kollektiven Sicherheit im Rahmen der UN kombiniert, was die staatliche Souveränität relativierte.

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Die Grossmächte USA und UdSSR prägten jene Zeit und schränkten mit ihrem Veto-Recht den UN Sicherheitsrat in seiner Handlungsfähigkeit oft ein.

b. Menschenrechte  In Reaktion auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs kam die Idee der Menschenrechte (z.B. Allgemeine Menschenrechtserklärung, 1948) auf.  Permeabilität der Staaten: Mit den internationalen Vorgaben zum Schutz der in einem Staat lebenden Menschen reichte das Völkerrecht erstmals in das Gebiet der Staaten hinein. c. Dekolonisierung, Forderungen der Entwicklungsländer  Selbstbestimmungsrecht der Völker bildete Anspruchsgrundlage für Dekolonisierung (Ablösungsprozess der kolonialen Herrschaft). o Die Gründung neuer souveräner Staaten (vor allem in Afrika und Asien) erweiterten den Kreis der Völkerrechtssubjekte in geografischer Hinsicht. Neue Staaten wurden ebenfalls Völkerrechtssubjekte und brachten Dritte-Welt Themen in die UN (z.B. Verlangten Rechte auf Entwicklung, Umweltschutz und Ernährung) und Entwicklungsländer forderten eine neue Weltwirtschaftsordnung.  Neuen Staaten versuchten die Übernahme der alten eurozentrischen Völkerrechtsregeln zu verhindern, allerdings ohne Erfolg. 5. Globalisierung a. Gegenseitige Abhängigkeit  Gegenwart ist vom Phänomen der Globalisierung geprägt. o Globalisierung = Prozess des Wachstums weltweiter Netzwerke von gegenseitiger Abhängigkeit, und zwar ungehindert von staatlichen Grenzen und insofern teilweise jenseits der Staaten. o Es findet eine Vernetzung von Märkten, der Politik, des Rechts und der Kultur statt. o Globalisierung hat das Hauptvölkerrechtssubjekt (Staat) verändert.  Staatliches Territorium ist durchlässiger geworden.  Geografische Grenzen werden zunehmend irrelevant.  Staatliche Souveränität ist durch geringen Handlungsspielraum relativiert worden. b. Ursachen a) Wirtschaftliche Globalisierung o Durch Entwicklung der Kommunikationstechnik und Liberalisierung des Handels wurden die Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) grenzüberschreitend verfügbar, was zu einer Zunahme der wirtschaftsrelevanten grenzüberschreitenden Transaktionen führte. b) Nicht wirtschaftliche Globalisierung von Problemen o Durch die Globalisierung entstehend zunehmend grenzüberschreitende Problemlagen (z.B. Umweltzerstörung, Migration, Terrorismus) o Die Neuheit der Gesamtlage liegt darin, dass nicht mehr nur ein oder mehrere Staaten von einem anderen Staat abhängen, sondern dass es zahlreiche Situationen gibt, die von keinem Staat mehr alleine kontrolliert oder bewältigt werden können. Die Folge dieser Situation ist eine Verringerung der Aufgabenerfüllungskapazität der Staaten im Alleingang. c) Politisch-rechtliche Globalisierung (global governance) o Staaten können ihre herkömmlichen Aufgaben (z.B. Sicherheit, Schutz der Umwelt) nicht mehr als Einzelne erfüllen. Globale (nicht territorial gebundene regulatorische) Regime sind notwendig. Dies bedeutet, dass die Staaten miteinander kooperieren müssen, da sie nur gemeinsam die grenzüberschreitenden Probleme bewältigen und lösen können. Staaten sind voneinander abhängig und es entstehen Strukturen der „global governance“.

6. „Neue Weltordnung“ seit 1989?

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a. Ende der Ost-West-Spaltung  1989 steht für das Ende der ideologischen Ost-West Spaltung der Welt, welche die Völkerrechtsentwicklung stark gehemmt hat. 1891-1991 zerfiel der sozialistische Block und es entstanden neue freiheitliche Demokratien in Osteuropa. USA erwarb dadurch eine Sonderstellung als Weltmacht. Die Leitwerte Menschenrechte und liberale Demokratie nach westlicher Prägung wurden zu universellen Werten. 7. Kampf gegen den Terror, „responsibility to protect“ und weitere aktuelle Völkerrechtstendenzen a. Schwächung des Völkerrechts  Durch Terroranschlag auf „World Trade Center“ (11. September 2001) wurde eine neue globale Politik der Terrorismusbekämpfung unter der Führung der USA ausgelöst. Krieg gegen den Terrorismus droht internationale Menschenrechtsstandards und Garantien des humanitären Völkerrechts zu unterminieren. b. Stärkere Ausdehnung des Völkerrechts  Seit Überwindung der Ost-West-Spaltung hat man zunehmende Verrechtlichung der Weltpolitik, also ein Anwachsen von neuen Völkerrechtsnormen. Völkerrecht befasst sich mit neuen Themen. o Vertikal: Völkerrecht wächst in staatliche Bereiche hinein. Völkerrecht und Landesrecht greifen immer stärker ineinander. Der den Staaten vorbehaltene Teil („domaine réservé“) schrumpft. o Horizontal: Ausweitung des Völkerrechts durch Einbindung neuer Völkerrechtssubjekte (Individuen, NGOs). o Es werden mehr multilaterale Konventionen mit nahezu universaler Beteiligung abgeschlossen.  Interventionsverbot wird durch Schutzverantwortung relativiert („Responsibility to protect“) o Staaten erkannten ausdrücklich an, dass jedem Staat als Bestandteil seiner Souveränität die Verantwortung obliegt, seine Bevölkerung vor Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu schützen. Falls Staat dieser Verantwortung nicht nachkommt, geht sie auf internationale Gemeinschaft über. Interventionsverbot kann dann Unterstützungsmassnahmen von aussen nicht entgegengehalten werden, wobei militärische Massnahmen dem Sicherheitsrat vorbehalten bleiben. c. Effektivitätsprobleme  Explosion der Spezialnormen (z.B. Welthandelsrecht, Umweltrecht) wurde als Risiko angesehen, das zu einer Fragmentierung des Völkerrechts führen wird. Differenzierung hat aber zu keinen Konflikten geführt, da die diversen Institutionen die einschlägigen Völkerrechtsnormen harmonisierend anwenden.  Einige Bereiche des Völkerrechts stagnieren (z.B. Universelles Welthandelsrecht wird durch bilaterale und regionale Abkommen unterminiert). Dies ist entweder, weil in den spezifischen Bereichen eine Sättigung eingetroffen ist oder weil die Interessensdivergenzen eine Einigung auf formal verbindliche Normen verhindern. Dies führt zu zunehmenden Regelungen in Form von Soft Law (Deformalisierung des Völkerrechts). d. Legitimationsprobleme  Wirtschaftskrisen, Migrations- und Flüchtlingsbewegungen etc. stellen Völkerrecht vor enorme Herausforderung und es zeigen sich Effektivitäts- und Legitimitätsprobleme. Die schwache demokratische Legitimation des Völkerrechts führ...


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