Wohnen in der Nachkriegszeit, 2015 PDF

Title Wohnen in der Nachkriegszeit, 2015
Author Regine Hess
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Rudolf Fischer und Wolf Tegethoff (Hrsg.) Modern Wohnen Studien zur Architektur der Moderne und industriellen Gestaltung Herausgegeben vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte München Band 3 Eine Publikation des DFG-Projektes „Werkverzeichnis der Möbel und Möbelentwürfe Ludwig Mies van der Rohes“ Rud...


Description

Rudolf Fischer und Wolf Tegethoff (Hrsg.)

Modern Wohnen

Studien zur Architektur der Moderne und industriellen Gestaltung

Herausgegeben vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte München Band 3 Eine Publikation des DFG-Projektes „Werkverzeichnis der Möbel und Möbelentwürfe Ludwig Mies van der Rohes“

Rudolf Fischer und Wolf Tegethoff (Hrsg.)

Modern wohnen Möbeldesign und Wohnkultur der Moderne

Gebr. Mann Verlag · Berlin

Inhalt

Vorwort ...................................... .............................................................................

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Einführungstexte Rudolf Fischer Vom Neuen Wohnen zur deutschen Wohnkultur? Mies van der Rohe und die Rezeption der Stahlrohrmöbel in den 1930er Jahren ..........

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Wolf Tegethoff Patentfragen: Mies van der Rohe, Lilly Reich und Anton Lorenz. Von den Nöten des Urheberrechts in Kriegszeiten ........................................................

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Arthur Rüegg Vom Hobby zum Ernstfall. Möbel-Werkverzeichnisse am Beispiel von Le Corbusier ...............................................

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Stahlrohrmöbel Sebastian Hackenschmidt Sitzen als Verkehrszustand. Zur Mobilität der modernen Stahlrohrstühle

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Daniela Stöppel Falten, Klappen, Knicken als ästhetische Konzepte der Zwischenkriegszeit in Möbelgestaltung, Architektur und Grafikdesign ....................................................... 133 Astrid Wollmann und Christoph Krekel Die Herstellungs- und Materialgeschichte von Chromoberflächen – zum Forschungsbedarf aus konservatorischer Sicht ...................................................... 163 Magdalena Droste Stahlrohrstühle als Objekte medialer Bildstrategien und ihr doppeltes Leben ................ 181 Markus Eisen Stahlrohrmöbel in der deutschen Karikatur zwischen 1928 und 1934........................... 213

Inhalt

Verbreitung und Nachleben Christian Demand „What you care about“: Anmerkungen zur Ästhetik des Glatten ....................................................................... 233 Peter Lepel Schweizer Typenmöbel versus Deutsche Raumkunst. Die Rezeption der Stahlrohrmöbel in der Schweiz......................................................... 253 Otakar Máčel „Diese unmöglichen, Makkaroni ähnlichen Stahlungeheuer“ – Das Holländische Stahlrohrmöbel 1926–1940 .............................................................. 273 Andreas Nierhaus Vom guten und schlechten Sitzen. Zur Theorie und Praxis des Stahlrohrmöbels in Österreich um 1930 .............................. 303

Mies van der Rohe Paul Weber Der Fußboden in der Halle von Mies van der Rohes Haus Kempner (1921–23) und K. P. C. de Bazel. Ausgangspunkt von Mies’ Innenraumgestaltung nach dem Ersten Weltkrieg ............ .............................................................................. 319 Mathias Winkler Ludwig Mies van der Rohes Barcelona-Sessel und das Berliner Metallgewerbe Jos. Müller. Anmerkungen aus restauratorischer Sicht .................................................. 337 Bernd Dicke Tabula Rasa. Bemerkungen zu Mies van der Rohes Tisch MR 150..................................................... 347 Dietrich Neumann Promontory to Lake Shore Drive: the evolution of space in Mies van der Rohe’s high-rise apartments...................... .............................................................................. 359

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Inhalt

Schüler und Nachleben Helmut Reuter Wohnräume für eine neue Zeit. Eduard Ludwig als Möbelentwerfer

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Thorsten Critzmann Friedrich Hirz (1907–1987): Architekt einer verlorenen Generation? Mies-Schüler, Folkwang-Lehrer und Möbel-Designer ................................................... 409 Regine Heß Wohnen in der Nachkriegszeit. Einfamilienhäuser von Paul Schneider-Esleben zwischen Tradition und Moderne .......... 443

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Wohnen in der Nachkriegszeit. Einfamilienhäuser von Paul Schneider-Esleben zwischen Tradition und Moderne Der Düsseldorfer Architekt Paul Schneider-Esleben (1915–2005) ist zwar in der Architekturgeschichte kein Unbekannter, doch sind außer seinen Hauptwerken viele seiner Bauten kaum bekannt.1 Zurzeit wird der Nachlass von Schneider-Esleben von der Autorin am Architekturmuseum der TU München untersucht.2 Darin befinden sich auch rund zwanzig Entwürfe für Einfamilienhäuser, wovon fast alle aus den Jahren zwischen 1950 und 1970 stammen. In dieser Zeit schuf Schneider-Esleben die meisten und die bedeutendsten Bauten seiner Karriere. Die Wohnhäuser sind parallel zu seinen Hauptwerken, der Haniel-Garage (1950–53), der Rochus-Kirche (1952–55), dem Mannesmann-Hochhaus (1954–58), der Rolandschule (1957–61) (alle in Düsseldorf) und dem Flughafen Köln-Bonn (1963–70), entstanden, manchmal für die gleichen Auftraggeber. Zusammen mit den für sie von Schneider-Esleben entworfenen Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen bieten sie einen Blick auf die Art von Häusern, wie sie bei der gehobenen Mittelschicht und dem Großbürgertum in der Nachkriegszeit gefragt war. Die frühen Wohnhäuser fallen in die Zeit von Schneider-Eslebens Frühwerk, das zwischen 1947 und 1958, das heißt zwischen dem Erwerb seines Diploms und der Vollendung des Mannesmann-Hochhauses, entstand. In seiner Wohnhausarchitektur verbinden sich in diesen Jahren Heimatstil und der Wille zur Einbindung des Hauses in die Landschaft, Handwerk, Neues Bauen und Internationaler Stil in teils originell-gelungener, teils noch suchender Mischung. In dieser Phase gelang es ihm, sich vom Konzipieren architektonischer Unikate wie dem Haus Bonzel und vom Entwurf von Ausstattungsstücken im Maßstab 1:1 zu lösen und sich zu einem Architekten zu wandeln, der dank rationellen Entwerfens, industriell hergestellter Materialien und vorgefertigter Bauelemente, durch Bildungsreisen und Netzwerkpflege bedeutende Großaufträge verwirklichen und (zeitweise) ein größeres Architekturbüro führen konnte. Und doch kennzeichnet das Entwerfen von architektonischen Solitären verbunden mit dem Willen, eine selten oder gar nie dagewesene Lösung einer Bauaufgabe anzubieten, sein Werk – und bedingt besonders ab den 1970er Jahren auch das Scheitern einiger Projekte. Gleichzeitig zeugt die 1 2

Folgende Publikationen zeigen den alten Forschungsstand an: Klotz 1987; Beckers 1995; Schneider von Esleben 1996. Vom 16. Juli bis 18.Oktober 2015 wurde der Nachlass in einer Ausstellung des Architekturmuseums der TU München in der Pinakothek der Moderne, München, gezeigt. Dazu erschien der Katalog Paul Schneider-Esleben. Architekt, hrsg. von Andres Lepik und Regine Heß, Ostfildern 2015.

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lebenslange Beschäftigung mit dem Zeichnen und Aquarellieren sowie dem 1:1-Entwurf von Buntglasfenstern, Schmuckstücken, Möbeln und anderen Wohngegenständen (wie Lampen, Teppichen, Kaminbestecken, Pflanzkübeln oder Aschenbechern) von seiner kunsthandwerklichen Prägung und seinem gestalterischen Talent. Darüber geben auch seine Wohnhäuser Auskunft, von denen im Folgenden sechs analysiert werden. Dazu werden Fachzeitschriften aus der Mitte der 1950er Jahre herangezogen, wo sie in mehreren Artikeln besprochen wurden. Es wird gefragt, was sich daraus über die Einstellungen zum Wohnen in der Nachkriegszeit ablesen lässt. Doch zunächst werden die Einflüsse genannt, unter denen Schneider-Esleben während der Erschaffung seines Frühwerks stand.

Paul Schneider-Esleben zwischen Tradition und Moderne Nach vier Semestern an der TH Darmstadt 1939 zum Kriegsdienst eingezogen,3 studierte Schneider-Esleben ab dem Frühjahr 1946 an der TH Stuttgart und machte 1947 sein Diplom bei Hugo Keuerleber. Vermutlich ist in der modernen Architektur Richard Döckers das Vorbild zu sehen, das Schneider-Esleben in Stuttgart vor Augen hatte, war Döcker doch Anfang 1947 an die TH zurückgekehrt.4 Die Entscheidung für Stuttgart gründete aber in der Hoffnung Schneider-Eslebens auf rechtzeitige Rückkehr von Paul Bonatz, die sich allerdings bis 1954 verzögerte.5 Schneider-Esleben hatte seit den 1930er Jahren im Architekturbüro seines Vaters Franz Schneider (1877–1947) in Düsseldorf gearbeitet, wobei dieser ihm das Studium in Darmstadt bei seinen Studienkollegen Josef Tiedemann und Karl Gruber vorgeschlagen hatte.6 Im Büro des Vaters hatte er Erfahrung im Um- und Ausbau von Schlössern, Klöstern, Kirchen und Bürgerhäusern gewonnen, also vor allem im Umgang mit historischer Bausubstanz und dem Restaurieren im Heimatschutzstil. Das Neue Bauen kam dabei nicht vor. Obwohl er Zeit seines Lebens Bewunderer von Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier war,7 kam er mit dem modernen Bauen erst während des Zweiten Weltkriegs in Berührung: Im besetzten Lothringen absolvierte er im Herbst 1942 eine Ausbildung zum Piloten der Luftwaffe und machte dort die Bekanntschaft von Rudolf Schwarz, Emil Steffann und Rudolf Steinbach. Diese planten die Wiederherstellung im Krieg zerstörter lothringischer Städte und Dörfer im Auftrag des Wiederaufbauamts Saarbrücken.8 Von 1947 bis 1949 war Schneider-Esleben externer Mitarbeiter des Büros von Schwarz in Frankfurt am Main und schaffte so seinen Einstieg in die tonangebende

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Vgl. Heß 2015. Vgl. Diplomentwurf „Meisterschule für Keramik und Weberei“, in: Kat. München 2015, S. 80f. Vgl. Beckers 1995, S. 27. Vgl. Beckers 1995, S. 24. Vgl. Bauhaus – was ist denn das? 1988, S. 26–35; Schneider-Esleben 1987, S. 1440; Schneider-Esleben 1966, S. 204f. Vgl. Kat. Frankfurt am Main 1992, S. 293–296.

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Architektenszene Nachkriegsdeutschlands. Bei Schwarz arbeitete er unter anderem an Wettbewerbsentwürfen für den Wiederaufbau des Kölner Kolpinghauses.9 Im Büro des Vaters war das Bauen für Auftraggeber aus Klerus und Adel die Hauptaufgabe gewesen.10 So überrascht es, dass Schneider-Esleben, als er nach dem Tod des Vaters dessen Büro 1948 übernahm, seine ersten Aufträge von rheinischen Großindustriellen erhielt. Es ist noch nicht vollends geklärt, wie und wo er diese kennen lernte, doch kommt der Düsseldorfer Industrieclub als Treffpunkt in Frage, in dem sich Schneider-Esleben engagierte.11 Schneider-Esleben entwarf ab 1950 Privat- und Jagdhäuser für Großindustrielle wie Berthold Beitz, den Generalbevollmächtigten von Alfried Krupp, oder Franz Haniel, den Inhaber des Konzerns Gutehoffnungshütte. Für den Besitzer der Düsseldorfer Hein Lehmann AG, Alfred Pickert, baute er nicht nur einen Messepavillon, sondern auch eine Werkssiedlung in Monheim-Baumberg sowie ein Jagdhaus in KölnRösrath. Für die Mannesmann AG unter dem Vorsitz von Hermann Winkhaus entwarf Schneider-Esleben einen neuen Konzernsitz samt Einrichtung, außerdem ein erweiterbares Wohnhaus in Fertigbauweise aus Stahl. Dabei fällt auf, dass diese Bauherren moderne Häuser oder zumindest Mischformen aus Bungalow und Spitzgiebelhaus wünschten und sich vermutlich genau aus diesem Grund an Schneider-Esleben als den Architekten der Haniel-Garage wandten. Allen Häusern ist ihre aus heutiger Perspektive geringe Größe und bescheidene Ausstattung gemeinsam. Ob geringe Finanz- und Baumittel der Bauherren oder die Forderung nach Einfachheit, Schlichtheit und „Ehrlichkeit“ (Rudolf Schwarz) im Wohnen der Nachkriegszeit der Grund dafür war, ist schwierig zu sagen. Sicher ist, dass Schneider-Esleben zu Anfang der 1950er Jahre so gut verdiente, dass er sich zwischen 1950 und 1951 ein Haus für seine damals vierköpfige Familie und für sein Architekturbüro mit drei Mitarbeitern unweit des Rheins in Düsseldorf-Golzheim bauen konnte (nach 2005 abgerissen). Vor diesen Aufträgen arbeitete Paul Schneider-Esleben 1946 bis 1947 zusammen mit seinem Vater und seinem 1924 geborenen Bruder Egon im Auftrag des Reichsfürsten von Merveldt an der Wiederherstellung eines kriegszerstörten Gebäudeteils des Wasserschlosses in Lembeck in Westfalen, das auch von den von Merveldts bewohnt wurde.12 Nach dem Tod von Franz Schneider baute er 1948 bis 1950 einen Teil des Schlosses in eine sogenannte Trinkerheilanstalt um – sein erster selbstständiger Auftrag. 1950 wurde er von seinem Cousin Eugen Bonzel mit einem Wohnhaus mit Arztpraxis im ländlichen Gummersbach im Oberbergischen Land beauftragt, das er 1951 fertigstellte. Mit seiner gerundeten Form ist dieses zweigeschossige Haus mit Pultdach singulär im Werk Schneider-Eslebens. Das eigene Haus hingegen hatte einen rechteckigen Grundriss und ein

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Pläne und Zeichnungen im Nachlass von Rudolf Schwarz im Historischen Archiv der Erzdiözese Köln, Rolle 47/c. Das ist im Arbeitszeugnis zu lesen, das Schneider am 14. November 1939 seinem Sohn ausstellte (Architekturmuseum der TU München, schnee-1006-10). Vgl. Andreas 2015. Vgl. Evers 1981, S. 15.

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voluminöses Satteldach,13 ebenso wie das Haus für den Notar Franz Westhoff von 1950 bis 1952 in Düsseldorf-Kaiserswerth. Mit dem Haus Riedel in Haan-Gruiten bei Düsseldorf errichtete er 1951 bis 1953 das erste flachgedeckte Wohnhaus, das er allerdings auch in einer Variante mit Satteldach entwarf. Darin ist es dem Jagdhaus Haniel von 1951 bis 1953 verwandt. Danach folgten ausschließlich flachgedeckte Wohnhäuser, wie das Haus Beitz, dessen Entwurf allerdings nicht realisiert wurde.

Neue Leitbilder des Wohnens und des Einrichtens Das Wohnen ist gerade seit dem Beginn des Neuen Bauens bekanntlich vielfältigen stilistischen, technischen und sozialen Wandlungen und moralischen Umwertungen unterzogen worden. Keine geringe Rolle dabei spielten Architekturausstellungen,14 -zeitschriften und andere Fachpublikationen. Sie zeigen, dass progressive Architekten und Behörden in der Weimarer Republik ihre Aufgabe in der Behebung der Wohnungsnot und der Entwicklung neuer Siedlungsmodelle sahen, die auch einen neuen Lebensstil begründen helfen sollten. Im Nationalsozialistismus dagegen arbeiteten Architekten und Ämter zwar in der gleichen Absicht, doch von anderen Wertvorstellungen geleitet, an der Verbreitung des „deutschen Heims“ mit all seinen reaktionären Implikationen. Nach 1945 riefen Politik, Medien und Architektenverbände unter dem Eindruck der Zerstörung der Städte, des Wohnelends und des Wiederaufbaus zur Wiederherstellung des „Heims“,15 zur Einfachheit der Wohnung und zur „Ehrlichkeit“ der Gebrauchsgegenstände auf.16 So argumentierte Rudolf Schwarz im Vorwort zum Katalog der Werkbundausstellung Neues Wohnen und Deutsche Architektur seit 1945 (der dritte Ausstellungsteil war Deutsche Malerei und Plastik) in Köln 1949,17 dass nun nicht mehr wie in den 1920er Jahren „das letzte Blümchen von der Kaffeetasse [verscheucht] und die Stühle aus verchromten Stahlrohr statt aus Holz [hergestellt werden müssten]“.18 Denn der Werkbund könne nun wieder an sein ursprüngliches Ziel anknüpfen, nämlich „mit allen Mittel dafür zu sorgen, daß die Menschen in ihrer durchschnittlichen Bedürftigkeit alles bekommen, was sie brauchen, um Mensch zu sein“. Deutlicher als das etwas kryptisch wirkende Sprechen vom „Mensch-sein“ wurde Schwarz bei den Widerparts der „Arbeit des Werkbundes“ vor und nach 1933: Diese waren „all die Moden, die Sachlichkeit und der Kubismus und der Heimatstil“.19 So also wohnten die „einfachen“ und „ehrlichen“ Menschen nicht. Die vergangenheitsbereinigte Ausstellung war auf internationaler Ebe13 14 15 16 17 18 19

Haus Schneider-Esleben stand in der ehemaligen, während der NS-Zeit errichteten Schlageter-Siedlung, wo es Gestaltungsauflagen wie das Satteldach zu befolgen galt; vgl. Andreas 2015, S. 61, Anm. 5. Vgl. Nierhaus 2014, S. 119–141. Vgl. Hartmann 2014, S. 45. Das Schlichte wurde mit dem Guten und Anständigen gleichgesetzt und „ehrlich“ war die Umschreibung für „gut funktionierend“, worauf Hartmann hinweist; vgl. Hartmann 2014, S. 42. Vgl. Grdanjski 2007, S. 237f. Schwarz 1949, o. S. Schwarz 1949, o. S. [S. 18].

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ne vorbereitet worden, so dass viele Möbel und Dinge des täglichen Bedarfs aus dem westlichen Ausland als Vorbilder präsentiert werden konnten. Als Werkbundmitglied und Mitarbeiter von Schwarz hat Schneider-Esleben den modern-westlichen Flair der Schau in den notdürftig wiederhergestellten Messehallen Köln-Deutz sicherlich durch alle Poren eingesogen. Seine Wohnhäuser zeigen, dass er aus jener auch Orientierung gewonnen hat. Ebenfalls relevant für den Diskurs um das Wohnen sind die Architekturzeitschriften, die in der Nachkriegszeit viele Einfamilienhäuser in modernen Formen vorstellten. Dabei kam es allerdings nicht zu tiefgründiger Kritik oder gar zu Kontroversen. Es ist nicht bekannt, welche Zeitschriften Schneider-Esleben damals im Abonnement hielt, da sich im Nachlass fast ausschließlich jene Zeitschriften befinden, in denen er selbst mit seinen Bauten erwähnt wird. Aber es ist offensichtlich, dass er ein engagierter Verfolger auch des internationalen Architekturdiskurses war und sich mit Erfolg bereits um die Publikation seiner Arbeit in der Zeitschrift Bauen + Wohnen 194820 bemüht hatte.21 Die weiter unten besprochenen Artikel über seine frühen Wohnhäuser, die sich in seinem Nachlass befinden, erschienen in acht verschiedenen Zeitschriften zwischen Dezember 1954 und Januar 1956.

Wohnen im Wasserschloss Lembeck Der Planbestand zum Wiederaufbau des Nordwestteils der Dreiflügelanlage des Schlosses Lembeck durch Franz Schneider in den Jahren 1946 bis 1947 im Archiv des Architekturmuseums der TU München enthält fast ausschließlich Entwürfe für Fenster, Türen, Möbel, Beschläge und andere Ausstattungsstücke, einige davon im Maßstab 1:1.22 Von diesen sind manche aufgrund des lebendigen und kräftigen Zeichnungsstils, in dem er auch später Einzelteile in ‚natürlicher Größe‘ zeichnete, Schneider-Esleben zuzuordnen. Diese Detailentwürfe lagen ihm sichtlich. Ihre Details und Ornamente sind mit dem Schloss und dem umgebenden Wasser verbunden, denn sie zeigen Wappen und Fische. Als Unikate wurden sie im Auftrag des Architekten von Schmieden, Schreinern und Steinmetzen für den adeligen Bauherren produziert. Einrichten hieß, an eine tatsächlich überlieferte oder aber imaginierte Wohntradition anzuknüpfen und Ausstattungsstücke und ganze Zimmer zu entwerfen, die zusammen mit den vorhandenen ein harmonisches Gesamtbild ergeben sollten. Hier nimmt sich der Architekt vor der Bau- und Stilgeschichte zurück. Seine Tätigkeit ist das Gegenteil derjenigen eines modernen Designers. Kann diese Praxis noch Bedeutung haben, wenn man wie Schneider-Esleben modern bauen will?

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Blomeier 1948, S. 132f. Zum Verhältnis von Schneider-Esleben und den Fachzeitschriften vgl. Fischer 2015. Weitere Pläne für Schloss Lembeck befinden sich im Archiv des Landesamts für Denkmalpflege in Münster.

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Die Arbeit im väterlichen Büro war vom Kirchenbau, von der Denkmalpflege und der „stilechten“ Restaurierung historischer Bauten geprägt. Franz Schneider hatte bei Carl Schäfer in Karlsruhe studiert, dem bedeutenden Hochschullehrer, Denkmalpfleger und Architekten neogotischer Kirchen, Schlösser und Universitätsbauten. Ein Verzeichnis von Schneiders Bauten und Ausstattungen existiert leider nicht. Seine partiell durch den Nachlass des Sohnes in das Archiv des Architekturmuseums gelangten Projekte umfassen neben der Arbeit am Wasserschloss Lembeck (der erste Plan stammt aus dem Jahr 1936) die Erweiterung der Abtei Königsmünster in Meschede (1928–35) und Umbauten am Stift St. Florian bei Linz (1942–44), am Merveldtschen Hof in Münster (1942) und am Stift St. Michael in Lembeck (1947). Sie sind allesamt Beispiele für den Heimatschutzstil, der unterschiedliche regionale Prägungen verarbeitet.23 Sie zeigen Räume und Fassaden sowie Türen, Fenster, Möbel, Emporen, Stuckdecken, Beschläge, Gitter oder Wasserspeier. Betrachtet man die Pläne von Vater und Sohn, so könnte die Spanne zwischen der Restaurierung hist...


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